Oberhausen. Das seltsamste Osterfest in ihrem Leben feiern die Generationen – und die Politik steht vor der fast unmenschlichen Aufgabe, Risiken abzuwägen.

Dieses Osterfest ist das seltsamste Osterfest, das unsere Generationen je erlebt haben: Keine Familientreffen mit Großeltern und Enkeln, keine Umarmungen mit Freunden – aseptisch gehaltene Feiertage, die dem Kern des christlichen Freudenfestes widersprechen.

Das Coronavirus hat diese Gesellschaft im Griff, hebelt Grundrechte und Beziehungen aus. Wenn nicht alles täuscht, wird die mögliche Ansteckung mit dieser für viel zu viele lebensgefährlichen Krankheit unser Leben noch zahlreiche Monate bestimmen.

Die überlegte Lockerung der strengen Kontaktregeln bedeutet stets, das Risiko für mehr und mehr Menschen zu erhöhen, sich zu infizieren – und für einige davon, schwer zu erkranken oder sogar zu sterben. Das ist eine schwierige, fast unmenschliche Aufgabe für Politiker von Bund, Land und Stadt, die nach Ostern abwägen müssen, wie viele gesundheitliche Risiken diese Gesellschaft eingehen will und muss. Sie sind abzuwägen mit sozialen und wirtschaftlichen Risiken – auch Wohlstands- und Arbeitsplatzvernichtung kann Menschen töten.

Historisch einmalige Situation

Dafür benötigt man eigentlich belastbare Zahlen für verschiedene Szenarien – die es so für die historisch einmalige Situation unserer Gesellschaft nicht geben kann. Wie erhöht sich die Gesundheitsgefahr für wie viele Menschen, wenn man kleine Läden öffnet? Wie viele erkranken, wenn man Kindergärten und Schulen betreibt? Welche Folgen hat ein noch längerer Lockdown?

Solange es keine Arznei und keinen Impfstoff gibt, werden sich zwangsläufig Menschen anstecken bis über Jahre die Herdenimmunität der Bevölkerung erreicht ist, also 60 bis 70 Prozent die Infektion durchgemacht haben. Je länger diese Zeit dauert, desto weniger müssen sterben, aber es wird leider trotz Intensivmedizin – wie bei der Grippe – Tote geben.

Alte Menschen von ihren Liebsten trennen?

So kann es für die Politik bei der Exit-Strategie keine ideale Lösung geben, denn für viele Menschen drängt die Zeit. Das zeigt sich an den Heimbewohnern: Betrachtet man streng nur die Gesundheitsgefahr durch Corona, hätten die Altenheime schon sehr früh für alle Besucher geschlossen werden müssen. Die Heime wären danach auch die letzten Bereiche dieser Gesellschaft, die nach der Corona-Krise wieder geöffnet werden können – vielleicht erst 2021? Doch: Will man wirklich Menschen in ihren letzten Lebensmonaten von ihren Liebsten trennen, so dass sie vielleicht vor ihrem Tod keinen anderen Menschen mehr sehen als Pfleger mit Masken?

Politiker müssen nun all dieses abwägen. Dafür sind sie zwar von uns gewählt worden, doch beneiden kann man sie um diese Aufgabe nicht.