Oberhausen. Die Ärzte in den Oberhausener Praxen wundern sich: Ihre Patienten bleiben weg, die Wartezimmer sind leer gefegt. Doch das ist eine große Gefahr.
Die Corona-Krise zeigt bisher ungeahnte Folgen, die für Teile der Bevölkerung äußerst gefährlich sein können: Viele Menschen haben nach Beobachtung der Oberhausener Ärzteschaft so viel Angst, sich mit den gefährlichen Coronaviren anzustecken, dass sie auf den Besuch bei ihrem Haus- oder Facharzt komplett verzichten. Folge: Die Arztpraxen sind in diesen Tagen so leer wie nie zuvor – während die Mediziner mit ihren Praxismitarbeitern in Schutzanzügen und mit Nasen-Mund-Profi-Masken auf Patienten warten.
Die Oberhausener Ärztekammer warnt nun alle Bürger davor, akute Beschwerden nicht mehr vom Arzt checken zu lassen, auf Vorsorgeuntersuchungen völlig zu verzichten oder sogar empfohlene Krankenhaus-Einweisungen zu ignorieren oder abzulehnen. „Unsere Praxen und Krankenhäuser sind keine Virenschleudern. Wir haben sehr umfangreiche Vorsorgemaßnahmen vollzogen, es ist nicht so, dass ein hustender Patient neben jemandem im Warteraum sitzt, der Schmerzen am Bein hat“, sagt Dr. Peter Kaup im Gespräch mit der Redaktion.
Ärztekammer: Praxen und Kliniken gehören zu den sichersten Orten
Die Abstandsgebote würden eingehalten („Man kann viele ärztliche Handlungen auch kontaktarm vollziehen“), alle Praxen-Mitarbeiter trügen in diesen Zeiten Schutzmasken oder teilweise Schutzanzüge. Zudem ist zu beobachten, dass Arzt-Helferinnen großzügig Desinfektionsmittel in die Hände ankommender Patienten verteilen. „Wir haben hier keine italienischen Verhältnisse – Praxen und Kliniken gehören derzeit zu den wohl sichersten Orten.“
Kaup ist nicht nur Leiter der Oberhausener Kreisstelle der Ärztekammer Nordrhein, sondern auch Mitglied des städtischen Krisenstabes und Allgemeinmediziner in der Sterkrader Gemeinschaftspraxis an der Steinbrinkstraße. Der Mediziner sieht die Gefahr, dass die Zahl bleibender Gesundheitsschäden von Bürgern durch die Corona-Krise deutlich steigen wird, wenn Patienten aus Angst vor Ansteckung Krankheiten verschleppen.
Möglichst kontaktarm
Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben im Zuge der Corona-Pandemie den Kassenärzten mehrere Arbeitsweisen erleichtert, um möglichst kontaktarm mit Patienten umgehen zu können. So dürfen fast alle Ärzte und Psychotherapeuten Videosprechstunden unbeschränkt anbieten und abrechnen.
Zudem können Arzneirezepte, ärztliche Verordnungen und Überweisungen zu anderen Ärzten ohne Patienten-Besuch in der Praxis per Post zugesandt werden – ohne Einlesen der Versichertenkarte. Chronisch kranke Patienten, die an Disease-Management-Programmen (DMP) teilnehmen, müssen derzeit nicht körperlich an Schulungen teilnehmen.
Er befürchtet sogar, dass sich die Sterberate bei Patienten mit anderen Krankheiten deutlich erhöhen wird. „Für Patienten ist es sehr schwer, zu entscheiden, was eine banale Erkrankung ist und was nicht. Wir sind ja dafür da, bei Kopfschmerzen einen Hirntumor auszuschließen oder bei Brustschmerzen einen Herzinfarkt.“ Ein Hals-Nasen-Ohren-Facharzt sollte abklären, ob Taubheitsgefühle oder Schmerzen im Ohr behandelt werden müssen – „sonst ist man am Ende auf einem Ohr dauerhaft taub“. Wer sich unsicher sei, ob ein Praxisbesuch notwendig ist, solle dies unbedingt telefonisch abklären.
Der erfahrene Hausarzt zeigt sich erstaunt über das Verhalten der Patienten. „Da wollte einer seine Bauchschmerzen aussitzen, hatte aber einen Blinddarmdurchbruch – das ist lebensgefährlich. Eine Patientin hat bei akuten Herz-Rhythmus-Störungen zunächst abgelehnt, sich in ein Krankenhaus einweisen zu lassen – ich musste sie dazu mit Engelszungen überreden.“
Selbst Vorsorgeuntersuchungen sollte man nicht einfach eigenmächtig aufschieben, sondern den Arzt sprechen. „Wird ein Karzinom in der Brust zu spät entdeckt, haben sich vielleicht in einem halben Jahr Metastasen gebildet“, warnt Dr. Kaup.