Oberhausen. „Damit man mal auf andere Gedanken kommt“ empfiehlt der Sterkrader Buchhändler Arndt Wiebus einen fast vergessenen Geniestreich aus Amerika.
1881 erblickte Mary MacLane in Winnipeg, Kanada, das Licht der Welt, um es 1929 in Chicago wieder aus den Augen zu verlieren. Aufwachsend in der ungeliebten Bergarbeiterstadt Butte, Montana, erwartete sie mit erst 19 Jahren schon die Ankunft des Teufels, so jedenfalls der Titel ihres ersten Buches „I Await the Devil’s Coming“. Ihr Verleger wählte damals allerdings den Titel: ‚Die Geschichte von Mary MacLane’.
Trotz dieses fast dümmlich harmlosen Titels für die vibrierenden Prosakaskaden wurde es zu einem Bestseller, der Mary MacLane schlagartig Berühmtheit bescherte. Auch wenn ihre nachfolgenden Veröffentlichungen weniger erfolgreich waren. Jetzt ist dieses rückhaltlos persönliche Buch zum ersten Mal in deutscher Übersetzung von Ann Cotten erschienen. Die tagebuchartige Prosa ist eine andauernde Eruption persönlicher Bekenntnisse, apodiktischer Überzeugungen und alles überstrahlender selbstüberzeugter Geniebehauptung: lodernde Lebensintensität, die auch nach mehr als 100 Jahren zündelnd modern wirkt.
Keinerlei Scheu, auch Intimstes auszubreiten
Keine Konvention, die nicht bis zum Zusammenbruch angegriffen würde. Keinerlei Scheu, auch Intimstes offensiv auszubreiten. Wie sagt sie von sich selbst: „Mary MacLane, die in der Welt nicht ihresgleichen kennt.“ Bürgerschröcklichkeiten wie Feminismus und Bisexualität und „Oh, die bittere Einsamkeit, ich zu sein!“, wie sie an einem 1. Februar festhält.
Ein Nachwort der Übersetzerin und ein essayistischer Schnappschuss von Juliane Liebert bringen diesen beinahe vergessenen Welterfolg ins Heute.
Mary MacLane: Ich erwarte die Ankunft des Teufels. Reclam Verlag, 18 Euro.