Oberhausen. Selbst geschlossen wissen Buchhandlungen, wie sie ihre Kunden mit literarischen Trostpflastern versorgen können – und geben Lese-Tipps.

„Selbstverständlich“, meint Arndt Wiebus, „zählen Bücher zur Grundversorgung“. Allerdings weiß der Sterkrader Buchhändler und Autor unserer „Schmöckerecke“-Kolumne zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob das auch in Zeiten der Corona-Krise weiter so gelten darf. Doch in den angestammten Buchhandlungen in Oberhausen ist man findig.

Arndt Wiebus hat seinen Schreibtisch inmitten des antiquarischen Bestandes seiner Buchhandlung an der Steinbrinkstraße in Sterkrade eingerichtet.
Arndt Wiebus hat seinen Schreibtisch inmitten des antiquarischen Bestandes seiner Buchhandlung an der Steinbrinkstraße in Sterkrade eingerichtet. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

„Literatur auf Rezept“? Die sympathische Idee hatte Birgit Schmiedel, langjährige Mitarbeiterin und seit Dezember nun Inhaberin der traditionsreichen Buchhandlung Karl Maria Laufen. Sie hatte sich für den Fall des Schließungsfalls überlegt: Könnte man nicht in einer nahen Apotheke ein Fach einrichten, aus dem Kunden ihr literarisches Trostpflaster während gegen Rechnung abholen? Nein, kann man leider nicht, denn die Apotheken arbeiten nach den strikten Vorgaben der Pandemiepläne.

Wiebus wünscht sich eine „Bücherklappe“

Aber Birgit Schmiedel kann ja noch weitere Wege aufzählen, auf denen Lesehungrige zu ihrer Grundversorgung kommen können: „Alle können übers Online-Portal bestellen. Wir würden es per Post verschicken oder vorbeibringen“ – falls Leserin und Leser nicht zu weit entfernt wohnen. Auch telefonisch bleibt die Buchhandlung erreichbar, versichert Birgit Schmiedel: „Ich bin den ganzen Tag hier.“

Natürlich verweist auch Arndt Wiebus auf den eigenen Online-Shop – befürchtet aber, dass das Gros der virtuellen Buchbestellungen in diesen Wochen nur „den reichsten Mann der Welt“ (also Amazon-Boss Jeff Bezos) noch reicher machen wird. Seine Alternative – „ich müsste es noch rechtlich abklären“ – ist die Idee einer „Bücherklappe“: Dann könnten die Sterkrader Kunden ihren Lesestoff zu noch festzulegenden Terminen an der Steinbrinkstraße 249 in Empfang nehmen.

Wilhelm Kurze hat die Buchhandlung und den Verlag Karl Maria Laufen in bestens bewährte Hände übergeben: an seine langjährige Mitarbeiterin Birgit Schmiedel.
Wilhelm Kurze hat die Buchhandlung und den Verlag Karl Maria Laufen in bestens bewährte Hände übergeben: an seine langjährige Mitarbeiterin Birgit Schmiedel. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Bei einem Titel allerdings müssen derzeit alle Buchhändler vertrösten. „Sie glauben gar nicht“, seufzt Birgit Schmiedel, „wie oft meine Kunden nach der ‘Pest’ von Albert Camus fragen.“ Die enorme Resonanz hat wohl auch den Rowohlt-Verlag überrumpelt: Der Klassiker aus dem Nachkriegsjahr 1947 ist erst in zwei Wochen wieder lieferbar.

Wieder aktuell: „Die Ballade von der Typhoid Mary“

Arndt Wiebus empfiehlt ersatzweise eine jüngere, aber ebenso packende „Virusgeschichte“, wie er sagt, nämlich die 1982 bei Suhrkamp erschienene „Ballade von der Typhoid Mary“ des Schweizer Erzählers Jürg Federspiel: Sein Roman basiert auf der Biografie der historisch verbürgten „Superverbreiterin“ einer Typhus-Epidemie in den USA, der irischen Auswandererin Mary Mallon. Monatelang pflegte die Hausangestellte die Menschen, die sie infiziert hatte, aber ihre Fürsorge verbreitete die Seuche nur noch weiter.

K. M. Laufen feiert bald 75-jähriges Bestehen

Mitten im anrollenden Weihnachtsgeschäft 2019 hat Wilhelm R. Kurze die Buchhandlung Karl Maria Laufen in bestens bewährte Hände übergeben: Denn Birgit Schmiedel arbeitet schon lange im wohnlich eingerichteten Geschäft an der Schwartzstraße 54.

Im adventlichen Trubel war – jedenfalls im Buchhandel – an keine festliche Würdigung dieser Übergabe zu denken. „Die Party holen wir nach“, versichert Alt-Besitzer Kurze und verweist auf das anstehende Jubiläum zum 75. der von Karl Maria Laufen gegründeten Buchhandlung plus Verlag.

Wem dieser Stoff – zumal in diesen Tagen – viel zu gruselig sein sollte, dem rät der „Schmökerecken“-versierte Arndt Wiebus zu dem jüngst auf der (abgesagten) Leipziger Buchmesse preisgekrönten Werk von Lutz Seiler: „Stern 111“ (einst ein Radiofabrikat der DDR). Der Roman erzählt vom Chaos der Nachwendezeit und vom „klugen Rudel“, einer Gruppe junger Frauen und Männer, die dunkle Geschäfte und die Kellerkneipe „Assel“ betreiben.

Frisches Lesefutter kann auch für die Kleinen in diesen Zeiten ein großer Trost sein: hier der Büchertisch für junge Leser in Lars Baumanns Schmachtendorfer Buchhandlung „Zweitbuch
Frisches Lesefutter kann auch für die Kleinen in diesen Zeiten ein großer Trost sein: hier der Büchertisch für junge Leser in Lars Baumanns Schmachtendorfer Buchhandlung „Zweitbuch". © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

„Liebend gern“, empfiehlt Birgit Schmiedel allen, die derzeit auf Reisen verzichten müssen, die humorvolle Krimi-Trilogie „Lost in Fuseta“ von Gil Ribeiro. Der Held dieser Reihe heißt Leander Lost, ein deutscher Kommissar an der Sonnenküste Algarve. Die Buchhändlerin schätzt das mediterrane Flair und den Humor der Serie: „Der vierte Band kommt im Juni und wird schon sehnlichst erwartet.“

Für das unverhoffte Plus an Lesezeit

Birgit Schmiedels erste Spontan-Empfehlung allerdings plädiert für „Das Haus der Frauen“ von Laetitia Colombani: Der Roman würdigt als Heldin ihrer Zeit Blanche Peyron, die vor hundert Jahren in Paris das erste Haus öffnete, das für Frauen eine Zuflucht vor Gewalt war. Hervorragende Lektüre für das unverhoffte Plus an Lesezeit.