Oberhausen. Wer in der Apotheke Medikamente abholt, der erhält in der Regel keine Werbegeschenke mehr. Doch nicht alle Apotheker halten sich daran.

Ein Taler, ein kleines Pröbchen oder ein Treuepunkt? Wer früher mit einem verschreibungspflichtigen Kassenrezept in die Apotheke ging, fand neben dem Medikament oft auch eine kleine Aufmerksamkeit in seiner Tasche.

Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs im Juni 2019 ist damit nicht mehr zu rechnen – auch in Oberhausen nicht. Die Richter haben es den Apothekern verboten, Zugaben abzugeben, um keinen wettbewerbswidrigen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu haben.

Doch das höchstrichterliche Urteil ignorieren viele Apotheker vor Ort. „Bedauerlicherweise wird das von den Apothekern nach wie vor unterschiedlich gehandhabt“, beobachtet Ulf Brenne, Sprecher der Oberhausener Apotheker. So hätten einige Kunden zwar verständnisvoll reagiert, andere aber nicht: Gerade Kollegen unter starkem Konkurrenzdruck würden hin und wieder doch Geschenke abgeben, um ihre Stammkunden nicht an andere zu verlieren.

Einige Apotheker bemühen sich noch immer um Kundenbindung durch Geschenke

„Umso mehr in der Tüte ist, umso besser ist die Apotheke – so lautet nach wie vor die Devise einiger Kunden“, berichtet Ulf Brenne. Das ist offenbar bundesweit zu beobachten. Christiane Köber, Geschäftsführerin der Wettbewerbszentrale, hat die Erfahrung gemacht: „Wer in der Apotheke A zu seinem Bluthochdruckmittel einen Gutschein über einen Euro bekommt, wird eher Apotheke A aufsuchen als Apotheke B, in der man nur das Arzneimittel erhält.“ Das sei die Haupt-Motivation vieler Apotheker, überhaupt Werbebeigaben zu verteilen. Doch: Letztendlich werde damit auch die Preisbindung auf verschreibungspflichtige Medikamente unterwandert.

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Von Pirkko Gohlke und Johannes Pusch

„Ausschlaggebendes Kriterium für die Wahl einer Apotheke sollte jedoch die pharmazeutische Beratung sein und nicht die Werbegeschenke“, sagt Ulf Brenne – und Johannes Rieforth, Inhaber der „Avie-Forst Apotheke“ in Schmachtendorf, stimmt ihm zu: „Apotheker sein bedeutet, einen Heilberuf auszuüben.“

Vorteile gegenüber der großen Konkurrenz Online-Apotheke

Doch es geht nicht nur um die Konkurrenz vor der eigenen Haustür. Manche Apotheker möchten mit den Talern und Treuepunkten der Konkurrenz durch Versandapotheken entgegentreten. Wenn diese ihren Sitz im europäischen Ausland haben, dürfen sie im Gegensatz zu den Apothekern vor Ort Rabatte geben. Das hatte der Europäische Gerichtshof entschieden. Eine Ungerechtigkeit, die auch Wettbewerbs-Frau Christiane Köber sieht.

Gegen Preisbindungsvorschriften verstoßen

Im Sommer 2019 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass es wettbewerbsrechtlich unzulässig ist, wenn Apotheken ihren Kunden beim Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geringwertige Werbegaben gewähren (I ZR 206/17 und I ZR 60/18). Darunter fallen beispielsweise Geschenke wie ein Brötchen-Gutschein oder ein Ein-Euro-Gutschein.

Die Richter sind der Auffassung, dass mit den Zugaben beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel verstoßen wird. Bei diesen Vorschriften handele es sich um Marktverhaltensregelungen, so dass ein solcher Verstoß zugleich wettbewerbswidrig ist.

Dennoch: Im Vergleich zu den Versandapotheken hätten die hiesigen Apotheker eine Menge Wettbewerbsvorteile, findet Köber: „Sie stellen sicher, dass ein Antibiotikum vorrätig ist, wenn man es benötigt, dass Kunden sehr persönlich beraten werden und der Zugang zu Medikamenten auch mitten in der Nacht und am Wochenende sichergestellt ist.“ Und noch etwas gibt es nach Ansicht der Wettbewerbszentrale nur im lokalen Geschäft: Das Gefühl, als Mensch betreut zu werden und nicht ein namenloser Kunde zu sein.

Traubenzucker als Apotheken-Beigabe für Kinder – und sonst nichts

Ulf Brenne würde sich sogar eine weitreichendere freiwillige Übereinkunft aller Oberhausener Apotheker wünschen, wie sie etwa in Dinslaken vor einigen Jahren getroffen wurde: Kinder bekommen weiterhin Traubenzucker geschenkt – darüber hinaus gibt es keine weiteren Werbegeschenke. Der Apotheker-Sprecher hält es allerdings für unwahrscheinlich, dass eine solche Vereinbarung in Oberhausen Realität wird. „Aber es wäre zumindest gut, wenn sich alle an die rechtlichen Vorgaben halten würden“, sagt Brenne.

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Genau dies möchte die Wettbewerbszentrale bundesweit sicherstellen – und behält die Apotheker deshalb im Auge. „Wir erhalten im Regelfall die Beschwerden von unseren Mitgliedern“, erläutert Christiane Köber. Trifft sie zu, beanstande die Wettbewerbszentrale das Verhalten, nimmt eine rechtliche Einordnung vor und fordert die Gegenseite zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Zudem drohen hohe Vertragsstrafen. Für Ulf Brenne ist dies ein wichtiges Instrument: „Sonst kann es passieren, dass diejenigen, die sich an die Gesetze halten, auf der Strecke bleiben.“