Oberhausen. Die Kunstinitiative holt vier Künstlerinnen aus Middlesbrough, und mit Tychy, den Partnern in spe, sind schon Besuch und Gegenbesuch vereinbart.
Als sich im vorigen Sommer eine große Delegation der städtischen Kulturinstitute auf den Weg nach Nordengland machte, lautete die hoffnungsvolle Schlagzeile: „Trotz Brexit: Middlesbrough will Kulturbeziehungen ausbauen“. Dafür wollte sich auch Andy Preston, der parteilose und betont Europa-freundliche Bürgermeister der Partnerstadt, ins Zeug legen. Die Erste, die jetzt gleich zweifach unter dem stolzen Slogan „Europäische Künstler im Europahaus“ als gute Partnerin aktiv wird, ist die Kunstinitiative Ruhr (KiR) mit ihrer Künstlergalerie: Flotter geht’s im Kleinen, denn sogar mit Tychy, der polnischen Partnerstadt in spe, ist für diesen Sommer bereits ein Austausch vereinbart.
„2020 wird für uns ein ganz besonderes Jahr“, meint Winfried Baar – und damit leistet sich der KiR-Vorsitzende schon fast britisches Understatement. Zu so viel europäischem Engagement gegen alle Brexit-Verdrossenheit passt durchaus auch das Motto „Gegenwelten“ – zugleich Titel der aktuellen Jahresausstellung der kreativen KiR-Mitglieder, die an der Elsässer Straße 21 sowie im Gdanska am Altmarkt noch bis zum 26. Januar zu sehen ist.
Enkelin gestaltet Retrospektive für Katja Fliß
Im Februar widmet KiR ihrem langjährigen Mitglied Katja Fliß eine retrospektive Ausstellung, organisiert von der Enkelin der Künstlerin. „Von frühen naturnahen Radierungen“, so würdigt Baar die Mitgründerin des Vereins, „bis zu gestisch abstrakten Bildern mit großen, tänzerischen Bewegungen“ werde diese Ausstellung „das ganze Spektrum eines Malerlebens“ zeigen.
Zum immateriellen Weltkulturerbe zählt die – jeweils am 15. März – mit einem eigenen Tag gewürdigte Druckkunst. War’s im vorigen Jahr nur ein Tag, an dem Wilfried Weiß und Marayle Küpper eine kleine Druckwerkstatt in der Galerie KiR eingerichtet hatten, so folgt nun vom 9. bis 15. März eine ganze „Woche der Druckkunst“ mit Workshops und Ausstellung, bestückt sowohl aus dem KiR-Fundus als auch mit den vor Ort entstandenen, druckfrischen Werken.
Eine virtuose Grafikerin zählt auch zu jenen vier Künstlerinnen aus Middlesbrough, deren Arbeiten vom 22. März bis 26. April in Oberhausen zu sehen sind – und auf die sich die KiR-Aktiven besonders freuen. Alistair Griffin, der sehr gut deutsch spricht, vermittelte. Die Kunst seiner Frau Barbara nimmt Bezug auf jenen „Rostgürtel“ an der Nordseeküste, der seit den 1980ern das Bild von Middlesbrough prägt: In einer Vielzahl von Techniken verwandelt Barbara Griffin weggeworfene Objekte.
Spezielle Würdigung zum Beethoven-Jahr
Bauruinen und verlassene Häuser sind auch das fotografische Metier von Nicola Golightly: Versiert in etlichen Drucktechniken, gestaltet sie aber auch aufwendige Künstlerbücher. Claire A. Baker überführt traditionelle Stickerei vom biederen Handwerk zu einer Kunst mit politischen Bezügen. Und auch Louise Pallisters virtuose Zeichnungen gefangener Raubtiere haben eine aufrührerisch-rebellische Note.
Seit Gründung engagiert im internationalen Austausch
Bis zum Jahr 2011 hatte die „Galerie KiR“ ihr erstes Domizil für zehn Jahre am Altmarkt – und war schon damals engagiert im internationalen Austausch: So präsentierten Künstler aus Danzig, Paris und von der AAB-Universität Pristina im Kosovo ihre Werke in der Galerie. Im Gegenzug stellten die KiR-Künstler ihre Werke in den Städten ihrer Kunstfreunde aus.
Als die erste Galerie finanziell nicht mehr zu stemmen war, bot das Gdanska ein nahes „Exil“ als Treffpunkt. Im Januar 2014 wurde die neue Kunstinitiative Ruhr ins Vereinsregister eingetragen und machte sich auf die Suche nach geeigneten Ausstellungsräumen – die schon bald im Europahaus, Elsässer Straße 21, gefunden waren.
Geöffnet ist die Künstlergalerie mittwochs und freitags von 17 bis 19.30 Uhr, sonntags von 16 bis 19 Uhr, online galerie-kir.jimdofree.com
Von Mai bis Mitte Juni – unterbrochen durch die Kurzfilmtage – zeigt Frank Gebauer eine neue Einzelausstellung in der Galerie KiR: „Dekadent“ hieß hier seine letzte Solo-Schau 2016. Nun habe der Pop-Artist eine spezielle Würdigung zum Beethoven-Jahr angekündigt, erzählt Hildegard Hugo. Doch die Vize-Vorsitzende von KiR meint: „Bis dahin kann sich bei Frank noch viel ändern.“
Die Städtepartnerschaft zwischen Oberhausen und dem oberschlesischen Tychy ist offiziell noch nicht besiegelt, aber die Galerien KiR und „Obok“ haben schon einen Austausch vereinbart – auch dank des Engagements der bei KiR aktiven Künstlerin Agnieszka Smuda. „Wir sind da einfach mal vorausgegangen“, meint Winfried Baar nonchalant.
„Licht-Spiele“ von Hildegard Hugo
Wojciech Luka kuratiert auf polnischer Seite den Auftritt vom 21. Juni bis 2. August in der Elsässer Straße 21 – und wird auch eigene Arbeiten zeigen. „Ich bin von seiner Kunst wirklich beeindruckt“, sagt Agnieszka Smuda. Selbst ein Gegenbesuch in Tychy ist bereits vereinbart: Vom 4. September bis 2. Oktober ist die Kunstinitiative Ruhr in der Galerie Obok zu Gast.
Vor der großen Vereinsausstellung zur Jahreswende zeigt vom 27. September bis 8. November Hildegard Hugo ihre fotografischen Arbeiten unter dem Titel „Licht-Spiele“. Und last, not least, will der Verein auch mit seinen immer wieder vorbildlichen Gastgebern Maria und Czeslaw Golebiewski das 20-jährige Bestehen des Gdanska feiern.