Oberhausen. Altes Handwerk, neue Ideen: Bei Bolder werden Stühle und Sitze aufgemöbelt. Und wer einen teuren Wagen fährt, bekommt hier ein wichtiges Detail.
Der Mercedes 560 SL ist ein Exportmodell und dessen Stoßfänger sind nicht jedermanns Sache, weil sie aus schwarzem Plastik sind. Trotzdem ist der Oldtimer in der Werkstatt in Osterfeld rein äußerlich gut erhalten, der weiße Lack des US-Modells sieht für das Baujahr 1985 sogar tadellos aus. Doch an der Karosserie ist auch keine Reparatur fällig. Die dunkelblauen Sitze haben gelitten und das Leder ist vor allem auf dem Fahrersitz zerkratzt.
Timo Grothes Team bekommt das wieder hin. Einmal Originalzustand, bitte. Dafür bezahlen seine Kunden viel Geld. In diesem Fall: 8000 Euro. Polstern und Satteln ist ein rares Handwerk geworden, denn nur wenige haben so viel Erfahrung in den Händen.
Gleich neben der Werkstatt hat Timo Grothe (43) sein Büro. Er ist Sattler- und Feintäschnermeister, ein Beruf, der selten ist. Seine Firma ist in Osterfeld alteingesessen: Großonkel Gerhard Bolder gründet 1952 eine Polsterei, in der er anfangs steppt, näht und Stühle und Sofas bezieht. Später verschönert er beim VW-Käfer mit Stoff den Autohimmel, weil dieser ab Werk nur Blech bietet. Als Vater Norbert Grothe 1994 das Geschäft übernimmt, gehören Autos und deren Sitze, Bezüge oder Faltdächer zum handwerklichen Repertoire.
Der Luxus-Kindersitz passend zur Luxus-Karosse
Heute lässt die Stoag ihre Bussitze hier reparieren und die Sparkasse Osterfeld ihre Kundenbänke herstellen. Das Hauptgeschäft jedoch sind hochwertige Möbel, Auto, Motorrad- und neuerdings spezielle Kindersitze. „Manchmal muss es eben noch ein bisschen individueller sein“, heißt es auf der Webseite. Je nach Material und Kundenwunsch kostet ein Sitz für Kinder (drei bis zwölf Jahre) zwischen 1200 und 1800 Euro. Wer aber sind die Kunden, die sich sowas leisten? „Im Ruhrgebiet haben wir bisher noch keinen verkauft“, sagt Timo Grothe. Die meisten seiner Kunden fahren Porsche, BMW oder Mercedes und wohnen im Speckgürtel der Besserverdiener im Süden des Landes oder in der Schweiz und Österreich.
Nähen, Polstern, Satteln in Oberhausen-Osterfeld
Zur Zeit beschäftigt Bolder zehn Mitarbeiter, darunter zwei Sattler, zwei Auszubildende, eine Bürokauffrau, eine Servicekraft, einen Schuhmachermeister, einen Hausmeister sowie einen Näher. Zu den Kunden in Oberhausen gehören die Stoag, Alteneinrichtungen der Stadt und das KKO.
Die Polsterei und Sattlerei Bolder in Osterfeld existiert seit 1952 in der Siepenstraße 27 in Osterfeld. Geöffnet ist dienstags und mittwochs von 10 bis 13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr sowie freitags von 10 bis 13 Uhr und von 14 bis 16 Uhr. Achtung Betriebsferien: Die Firma bleibt bis zum 3. Januar 2020 geschlossen.
Alles läuft online ab: Über die Fahrzeuggestellnummer wird die richtige Lederkombination ausgewählt und der Käufer bekommt seinen Kindersitz mit der exakten Steppnaht wie im Rest des Autos. Jeder Sitz ist ein Unikat. Gelegentlich geäußerte Kundenwünsche brachten Timo Grothe auf die Idee; und die Nische ist bisher von niemanden besetzt, weil die Hersteller einen Standard-Kindersitz anbieten – für viele zu normal.
Geduld kann man für Geld nicht kaufen
Bei Bolder seien Sonderanfertigungen alltäglich, betont Timo Grothe. „Bei uns gibt es keine Schablonen, wir arbeiten fast ausschließlich individuell bis ins Detail.“ Kein Motorradsitz gleicht deshalb dem anderen. Reich wird man damit kaum. Sein Handwerk habe zwar einen goldenen Boden, aber eine „goldene Nase“ verdiene sich Timo Grothe nicht. Drei Arbeitsstunden verschlingt ein einziger Esszimmerstuhl allein. 200 Euro kostet das mindestens inklusive Material – seine Kunden zahlen ohne Murren. Nur bei einem Punkt weicht die Meinung von Meister und Kundschaft ab: „Manchmal fehlt die Geduld. Das kann man mit Geld nicht kaufen.“