Oberhausen. Hier liegen Gründerväter des Ruhrgebiets: Historisch bedeutende Industriegrabmale auf dem Steinbrinkfriedhof in Oberhausen sind nun restauriert.

Als Frank Giga vor vier Jahren zum Friedhofskirchmeister der Evangelischen Kirchengemeinde Holten-Sterkrade gewählt wurde, nahm der 57-Jährige auch den Steinbrinkfriedhof in Sterkrade genauer in den Blick. Das Ehrenamt verpflichtet ihn schließlich dazu, sich um alles Organisatorische rund um die Ruhestätten zu kümmern. Hinter Sträuchern, Bäumen, Hecken, alles ein wenig zugewachsen, „habe ich etwas gefunden, was in Vergessenheit geraten ist“, erzählt Frank Giga.

Gründerfamilien des Ruhrgebiets

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Was der Oberhausener entdeckte, waren Gräber der Familien Jacobi, Lueg, Huyssen und Beindorf – sie alle haben eine Rolle gespielt in der Industriegeschichte des Ruhrgebiets. Die hier auf dem kleinen Kirchhof in Sterkrade an der Steinbrinkstraße liegen, waren leitende Angestellte der Gutehoffnungshütte oder Hüttendirektoren oder auch die Angehörigen derselben. Gottlob Julius Jacobi, Hüttenleiter von St. Antony, hat hier seine letzte Ruhestätte und auch Heinrich Arnold Huyssen, Bürgermeister von Essen und ebenfalls Gründervater der „Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen“, später Gutehoffnungshütte, liegt hier begraben.

Marmor für den Bürgermeister: In Erinnerung an Heinrich Arnold Huyssen.
Marmor für den Bürgermeister: In Erinnerung an Heinrich Arnold Huyssen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Dass hier in Sterkrade historisch bedeutende Industriegräber sind, war wohl keinem so recht bewusst, „im Presbyterium wusste keiner, wovon ich sprach“, sagt Frank Giga. So wuchsen die Grabmale über die Jahrzehnte zu, waren die Obelisken, Steine und Stelen am Ende, als Giga sie wahrnahm, schwarz vom Industrieschmutz, mit Grünspan überwachsen, von Vogelkot bedeckt, die Lettern verrostet, das Metall gerissen. Ein Zustand, der dem Friedhofskirchmeister („ich habe ein Faible für Geschichte“) keine Ruhe ließ. „Solche Zeugnisse müssen geschützt werden“, ist Frank Giga überzeugt: Damit sich auch nachfolgende Generationen erinnern und Spuren der Ruhrgebietsvergangenheit finden können – und das sollte sich nicht nur auf die Bewahrung alter Hochöfen oder Fördertürme beziehen.

Firma Haniel gibt Geld für die Restaurierung

Giga recherchierte also, wer eigentlich zuständig ist. Zum Teil natürlich die Gemeinde, aber auch die Firma Haniel mit Sitz in Duisburg-Ruhrort. Die ist nämlich Rechtsnachfolger der Gutehoffnungshütte und hat damit auch deren „Kulturgüter“ übernommen. Der Kontakt verlief positiv, für die Restaurierung hat Haniel 25.000 Euro zur Verfügung gestellt. 10.000 Euro steuert die Kirchengemeinde dazu und 10.000 Euro kommen aus dem Verfügungsfonds der Stadt Oberhausen für Sterkrade. So konnten Steinmetze (Marmor Graefen aus Duisburg), Maler (Firma Heift aus Oberhausen) sowie Gärtner die Kulturdenkmale instand setzen. „Ich habe darauf geachtet, dass Handwerksfirmen die Aufträge ausführen, die auch für den Denkmalschutz zertifiziert sind und Erfahrung haben bei Restaurierungen“, sagt Frank Giga, seines Zeichens eigentlich Sozialpädagoge und im Justizvollzug tätig. Die Grabmale stehen zwar nicht unter Denkmalschutz, trotzdem sollten die Kleinode auf dem Friedhof sorgfältig aufbereitet werden.

Unbeachtet, zugewachsen und voller Grünspan: Das Grabmal von Heinrich Arnold Huyssen vor der Restaurierung.
Unbeachtet, zugewachsen und voller Grünspan: Das Grabmal von Heinrich Arnold Huyssen vor der Restaurierung. © Frank Giga

Nun glänzt der Marmor wieder weiß, der Eisen-Obelisk, der an Gottlob Jacobi erinnert, ist neu gestrichen und zum Beispiel diese Inschrift wieder lesbar. „Von der Sonder-Ruhestätte hierher überführt im Jahre 1904“. Die Erde um die Grabmale herum wird noch mit Bodendeckern bepflanzt, ein neu gesetzter Tulpenbaum soll künftig weiß blühen und so einen besonderen Akzent setzen.

Der virtuelle Gottlob Jacobi

Wer nicht nur die letzte Ruhestätte von Gottlob Julius Jacobi in Sterkrade besichtigen möchte, kann dem Hüttendirektor auch noch auf andere Weise nahe kommen.

Über die kostenlose Smartphone-App „St. Antony-Hütte“ erzählt der virtuelle Gottlob Jacobi als digitaler Museumsbegleiter spannende Geschichten über die Entstehung der Ruhrindustrie (LVR-Industriemuseum St. Antony-Hütte, Antoniestraße 32-34, dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr geöffnet, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr). Regelmäßig verkleidet sich auch ein Gästeführer als Hüttendirektor Jacobi und bietet Führungen durch die Ausstellung an (der nächste Termin ist am 12. Januar, 14.30 Uhr). Info und Kontakt: 02234-9921555, industriemuseum.lvr.de.

Während der Feiertage ist das Industriemuseum allerdings geschlossen – bis zum 1. Januar 2020. Ab Donnerstag, 2. Januar, ist das Museum wieder geöffnet.

Drei Jahre hat die Umsetzung gedauert, Frank Giga schwebt vor, dass um die Industriedenkmale auf dem Friedhof herum ein kleines Parkareal entsteht. Geplant ist eine Bank zum Verweilen aufzustellen und eine Informationstafel. Ein zentrales Vorhaben ist, den Steinbrinkfriedhof mit seinen Industriegräbern stärker in die Route der Industriekultur einzubinden. Entsprechende Gespräche möchte Frank Giga bald führen.

Gemeinde gegründet für protestantische Arbeiter

Warum haben die Gründerväter gerade Sterkrade als letzte Ruhestätte gewählt? „Die Herren waren maßgeblich beteiligt an der Gründung der evangelischen Gemeinde Sterkrade im Jahre 1848“ berichtet der Friedhofskirchmeister. Es zogen vermehrt protestantische Arbeiter und auch Angestellte ins bis dato katholisch geprägte Sterkrade, die Hüttendirektoren schufen sich mit der Friedenskirche ihre Haus- und Hofkirche – und dahinter auch den Friedhof in unmittelbarer Nähe zum damaligen Werksgelände.