Oberhausen. Wer nach ausgefallenen Kunst- und Handarbeiten Ausschau halten will, fand in den alten Zechengemäuern in Lirich eine riesige Auswahl.

Es hatte schon etwas für sich, als am Samstagabend vor der Backsteinfassade der alten Lohnhalle an der Niebuhrstraße in Lirich Holzscheite für das offene Feuer Holzscheite nachgelegt wurden und die Flammen erneut züngelten. Zusammen mit der weihnachtlichen Beleuchtung der dort aufgebauten Stände und Buden vermittelte es der „Printenbuhrg“, dem Kunst- und Handwerkermarkt auf der Niebuhrg, vorweihnachtlichen Zauber. Und den ließen sich von Freitag- bis Sonntagabend zahllose Besucher nicht entgehen.

Als lustige Clowns verkleidet warteten (v.li.) Gabriele Roick und Kerstin Wilke an ihrem Stand mit kunstvollen Arbeiten aus Papier auf.
Als lustige Clowns verkleidet warteten (v.li.) Gabriele Roick und Kerstin Wilke an ihrem Stand mit kunstvollen Arbeiten aus Papier auf. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

So stark der Andrang der Menschen war, so unübersichtlich groß war auch das Angebot an Hand- und Bastelarbeiten aus allen möglichen Materialien und in allen möglichen Techniken. Am ersten Stand vor den Gebäuden, an den Keramikarbeiten von Angela Loos aus Gelsenkirchen, liefen die meisten Menschen erst einmal vorbei. Türschilder, die sie vor dem Verkauf noch beschriftete, aber auch andere dekorative Keramik hatte sie im Angebot. „Die Leute kommen nachher, beim Verlassen des Marktes“, sagte sie. Mit ihrem Geschäft war sie jedenfalls zufrieden.

Mit Flammkuchen am Stehtisch

„So ein Markt vermittelt halt Weihnachts-Feeling“, erklärte eine 59-jährige Frau aus Dümpten, die mit Namen nicht genannt werden wollte. Wenige Meter von Angela Loos’ Stand stieß sie an einem Stehtisch mit einer Freundin auf eine Tasse „heißen Apfel“ an. „Man unternimmt etwas mit der Familie oder mit Freunden“, fuhr sie fort. Die beiden Frauen hatten darüber gesprochen, dass der Anteil der verkauften Accessoires wohl nur gering im Verhältnis zum riesigen Angebot sei, dass also die meisten Gegenstände wieder mitgenommen würden. Aber die Freundin glaubte ohnehin nicht daran, dass die Standbetreiber davon leben, dass es für sie höchstens ein Nebenverdienst sei. In der Zwischenzeit kam der Partner einer der beiden Frauen mit einem großen Stück Flammkuchen an den Stehtisch.

Trüffel in 100-Gramm-Tütchen

Drinnen, in der früheren Lohnhalle, nahm das große Angebot mit Magnetschmuck neben Schals, aufwendig verzierten Grußkarten neben Weihnachtsbaumschmuck aus Glas, gestrickten Kopfbedeckungen neben Stolen, Plüschtieren, Strümpfen, Kissen und Puppenkleidern seinen Fortgang. Gut zu tun hatte „Micaela - die Pralinenfrau“, deren Trüffel in 100-Gramm-Tütchen zu je fünf Euro reißenden Absatz fanden. Vor den Beuteln mit den Leckereien hatte sie winzige Tellerchen mit Splittern zum Kosten aufgestellt. Daraus wurde eifrig genascht. Schließlich gab es Trüffel aus weißer Schokolade mit Himbeergeist, aber auch mit Rhabarbergeschmack.

Weil die vielen Stände doch eher etwas für Erwachsene waren, konnten sich Kinder auf der Niebuhrg die Zeit mit Malen vertreiben. Ida (3) nutzte dieses Angebot.
Weil die vielen Stände doch eher etwas für Erwachsene waren, konnten sich Kinder auf der Niebuhrg die Zeit mit Malen vertreiben. Ida (3) nutzte dieses Angebot. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Auf einer alten Kirchenbank im langen Gang der Lohnhalle ruhten sich am Sonntagmittag zwei Männer aus, beschäftigten sich mit dem Smartphone von einem von ihnen. Dicht gedrängt defilierten die Besucher an ihnen vorbei. Im Hintergrund erklang ganz leise „Kling, Glöckchen, klingelingeling“, wurde dann aber von einem Geräusch übertönt, wie man es sonst vom Zahnarzt kennt. Am Stand schräg gegenüber verzierte eine Frau ein Glas mit einer Gravur.

Der genervte Ehemann

Schon am Samstagabend zeigten sich die männlichen Besucher des Marktes eher weniger interessiert als die Frauen, von denen viele ganz in ihrem Element zu sein schienen. Ein Mann zeigte sich genervt, weil seine Frau die einzelnen Stände zickzackförmig ansteuerte, nicht der Reihe nach. Eine Frau stöhnte, „ich hab’ die Orientierung verloren“. Es zog sie in einen Seitenraum, in dem am Samstagabend „Florale Kunst“ im Glitzerschein der vielen Lichter besonders ins Auge stach.

Ehemalige Zechenanlage als kulturelles Zentrum

Bei den Bergwerksgebäuden an der Niebuhrstraße in Lirich handelt es sich um die ehemaligen Anlagen von Schacht 6 der Zeche Concordia. Ihren Mittelpunkt hatte diese weiträumige Zeche im Bereich des heutigen Bero-Centers und der heutigen Müllverbrennungsanlage.

Aber im äußersten Westen von Alt-Oberhausen wurde 1912 ebenfalls ein Schacht angelegt, der bis zu Stilllegung der Zeche 1968 hauptsächlich als Wetter- und Einfahrschacht genutzt wurde und bis heute für die Grubenwasserhaltung dient.

Mit dem Einzug des freifinanzierten Theaters an der Niebuhrg ins ehemalige Fördermaschinenhaus begann 2006 die bis heute erfolgreiche Ära der vielfältigen kulturellen Nutzung des Gebäude-Ensembles.

In der „guten Stube“ der Lohnhalle, die wie ein altmodisches Wohnzimmer eingerichtet ist, fanden die ganze Zeit über Autorenlesungen statt. Bei Kaffee und Kuchen und mit kauenden Mundbewegungen hörte ein Pärchen einer Frau im Pelzmantel zu. Sie trug im Stehen vor dem Mikrofon eine Trennungsgeschichte vor. Unmittelbar davor präsentierte Cynthia Kornblum aus Oberhausen zwei Frauen an ihrem Stand ihre großen Schlüsselanhänger aus Kletterseilen für zehn Euro das Stück. Sie bot auch entsprechende Hundeleinen an „Die Leute wissen schon zu schätzen, dass sie hier Handgefertigtes erwerben, keine Massenware aus Fernost“, erklärte sie.