Oberhausen. 250 Fans feiern am Donnerstag in Oberhausen eine Band, die in den 80er Jahren zu den Szenegrößen der Electronic Body Music gehören: Nitzer Ebb
Diffuses Licht, fette Nebelschwaden und ein einsetzender dunkler Beat. Die Leute alle in Schwarz, viele Tattoos und Piercings, schwere Stiefel. Im Oberhausener Kulttempel hat sich seit einiger Zeit eine Szene etabliert, die vom Outfit her eher nicht dem Ideal von Schwiegermuttis Liebling entspricht. Auch bei der Musik, die in dem Schuppen an der Mülheimer Straße läuft, müssen Freunde des gängigen Mainstream leider passen.
Belgien als Zentrum des EBM
So wie an diesem Donnerstagabend, als vier Indie-Helden aus den frühen 80ern die Bühne betreten. Ein paar Jahre, bevor in kleinen, meist illegalen Klubs zunächst in Frankfurt und dann sehr schnell in Berlin Techno gespielt wird, nehmen Bands aus einer anderen Nische den treibenden Beat vorweg.
Der Punk ist schon tot und New Wave das neue Ding. Nicht nur in England, sondern vor allem in Belgien und Frankreich wächst eine Szene heran, die dem alten Dreiklang von Gitarre-Bass-Schlagzeug nichts abgewinnen kann und komplett auf elektronische Musik setzt.
Industrial heißt der Sound, der sich auch im Design stark an Motiven wie aus dem Stahlwerk orientiert. Nicht umsonst mischt eine deutsche Band namens Die Krupps – übrigens am kommenden Donnerstag, 21. November, im Kulttempel zu Gast – in dieser spannenden Ära des musikalischen Aufbruchs mit.
„Let Your Body Learn“
Wie Depeche Mode, die das Genre später charttauglich machen, tauchen zur selben Zeit Bands wie Front 242, The Neon Judgement, Skinny Puppy, à Grumh, Trisomie 21 und Nitzer Ebb aus dem Untergrund auf. Mit Songs wie dem Erstling „Isn’t It Funny How You Body Works“ oder „Warsaw Ghetto“, „Get Clean“, „Murderous“ und „Let Your Body Learn“ werden Letztgenannte zu den erfolgreichsten Vertretern der Electronic Body Music. Nach zwei zwischenzeitlichen Splits und kleineren Umbesetzungen sind die Engländer seit 2018 mit immerhin noch drei Gründungsmitgliedern nun wieder zurück.
Als Sänger Douglas McCarthy um 21 Uhr die Bühne des Kulttempels betritt, haben sich in der ersten Reihe des mit 250 Besuchern etwa halb gefüllten Saals – am Freitag spielen Nitzer Ebb hier eine weitere, längst ausverkaufte Show – sogar einige gut gereifte Groupies versammelt, die jede Textzeile selig mitsingen. Wie Peitschenhiebe knallen die Sticks Bon Harris auf seine E-Drums, später reißt der äußerst vitale Glatzkopf auch bei zwei Stücken am Mikro das Publikum mit.
Ein schweißtreibendes Spektakel
90 Minuten dauert dieses laute, pumpende wie schweißtreibende Spektakel, dann verabschieden sich Nitzer Ebb nach zwei Zugaben in die dunkle Nacht. Gerade in der heutigen Zeit des New-Wave- und Industrial-Revivals hören viele Bands, die vor langer Zeit mal gut waren und sich dann irgendwann selbst überleben, ja trotzdem nicht auf. Sie bringen ab und zu ein neues Album heraus und gehen auf Tour, um ein wenig Geld mitzunehmen. Nitzer Ebb gehören nicht zu dieser Spezies, auch 35 Jahre nach dem eigentlichen Höhepunkt ihres Schaffens haben sie nichts von ihrer Wucht verloren.