Oberhausen. Kiffen, Saufen, Rauchen: An der Heinrich-Böll-Gesamtschule sollen Schüler wissen, wie schädlich Drogen sind. Doch ist die Prävention cool genug?
Zielsicher steuert er sein Fahrrad auf die Bushaltestelle an der Heinrich-Böll-Gesamtschule (HBG) zu. Helm, Brille, Karohemd: Irgendwie erfüllt der Fahrer auf zwei Rädern das Klischee eines Lehrers. Kurzes Quietschen, der linke Fuß ist der Fahrradständer. „Macht die Kippen aus und geht in den Unterricht“, bellt er vehement. Die Schüler, vielleicht 16, reagieren widerwillig. Sie hätten keinen Unterricht mehr, entgegnet einer leicht genervt. Der Lehrer tritt in die Pedale. „Fallen sie nicht vom Rad“, ruft noch einer – die Zigarette längst wieder in der Hand. Mission kläglich gescheitert.
Im Innern der HBG versuchen Drogenbeauftragte, Trainer und Lehrer derweil mit anderen Mitteln Schüler vor Nikotin und anderen legalen und illegalen Drogen zu schützen. Die Suchtpräventionstage (29. bis 31. Oktober) der Gesamtschule sollen den neunten Jahrgang, immerhin 180 Schüler, aufklären und behüten, später Alkoholiker oder Kiffer oder Schlimmeres zu sein. Sechs Bausteine haben die auserkorenen Lehrer und die Drogenberatung der Stadt (kurz: Drobs) dafür sogar in petto. Und schaut man auf die Zahlen des Bundesdrogenberichts aus dem vergangenen Jahr, sind diese auch bitter nötig.
Statistiken lügen nicht: Prävention bleibt wichtig
Schätzungen gehen nämlich davon aus, dass in Deuschland pro Jahr 120.000 Raucher und 21.000 Alkoholiker an ihrer Sucht sterben und außerdem etwa 1.300 Tote direkt auf den Konsum illegaler Drogen zurückzuführen sind. „Wir glauben, dass Vorbeugung effektiv ist“, sagt Sarah Tiggewerth, sonst Lehrerin für Deutsch und Geschichte. Die Tage der Suchtprävention an ihrer Schule würden stets zeigen, Süchtige gäbe es sogar im beschaulichen Schmachtendorf.
„Bei den anonymen Alkoholikern fliegen die Lehrer manchmal aus der Runde“, erklärt sie in der Turnhalle der Schule weiter. Trinker gibt es in vielen Familien, darüber vor dem Klassenlehrer zu reden ist für die meisten allerdings keine Option. Ohne Lehrer lasse sich vielleicht freier darüber erzählen, vermutet die Pädagogin und macht einen Schritt zur Seite, weil die Schüler des Kampfkunst-Workshops durch die Halle sprinten. Beim Krav Maga (hebräisch für Kontaktkampf) lernen sie, sich selbst zu verteidigen und mehr Selbstvertrauen aufzubauen. Motto: Wer jemand ist, braucht keine Drogen.
Kein Alkohol, keine Zigaretten: Die Jugend ist oft vernünftig
Meti Abdo, 15, schlank, dunkles Haar, ist selbstsicher genug, um sich am Boden liegend noch zu wehren. Egal wie hart sein Übungspartner mit einer großen Pratze auf ihn einprügelt, Meti hat Arm oder Bein zur Abwehr in der Luft. Etwas außer Atem erzählt er zwischen zwei Übungen, was er von Drogen hält: „Ich rauche nicht, ich trinke nicht. Und wenn mir meine Freunde ein Bier anbieten, sage ich auch nein – ich trinke nur Wasser.“ In seiner Familie nimmt er kein Blatt vor den Mund. Wenn ein Onkel raucht, rät Meti ihm, das zu lassen. Gleichaltrigen macht er keine Vorschriften. „Das muss jeder selber wissen.“
Wenn ein Schüler an der HBG beim Rauchen erwischt wird, hat das erst Konsequenzen, wenn seine Akte dicker ist, erklären Sarah Tiggewerth und Kollegin Jessica Wettläufer. „Wie die dann aussehen, hängt meist vom Klassenlehrer ab“, sagt Jessica Wettläufer. Beide haben zudem erlebt, dass Schüler bekifft im Unterricht sitzen. Wird das bemerkt, informieren sie in der Regel die Polizei. Wiederholungstäter droht als Strafe der Ausschluss von Sportfesten oder Klassenfahrten. Manche werden sogar für Wochen vom Unterricht ausgeschlossen. Ob das hilft?
„Der Teufel aus der Flasche“
Wer Drogen nimmt, hat oft ein geringes Selbstbewusstsein
Ab Januar bietet die Krav Maga Kampfkunstschule in der Weierstraße 96 einen Kurs für Kinder und Jugendliche. Einfach das Online-Formular auf der Webseite kravmaga-ob.de ausfüllen und anmelden. Erwachsene können hier ebenfalls ein Probetraining vereinbaren.
In Brandenburg geht man seit 2008 neue Wege in Sachen Alkoholprävention: Beim Projekt „Lieber schlau als blau“ erhalten Schüler in zwei Stunden im Unterricht eine vorgegebene Menge Alkohol (zwei bis maximal vier Bier oder Sekt) und notieren ihre Eindrücke. So sollen sie selbst ihr Rauschverhalten spiegeln und nach dem Versuch in drei Unterrichtsstunden zusammen auswerten.
Fürs klassische Nachsitzen jedenfalls fehle den Lehrern oft die Zeit. Außerdem, sagen die beiden Lehrerinnen, bezweifeln sie die Wirksamkeit bei ständig auffälligen Schülern. An der HBG baut man deshalb auf erprobte Stücke wie die „Alkohölle“. Das Theaterschauspiel soll am Donnerstag zwei Stunden über den „Teufel aus der Flasche“ aufklären.
Seit der Premiere 2005 hat das Ensemble mehr als 1.200 Auftritte hingelegt. Das sei im vergangenen Jahr gut angekommen, betonen die Suchtbeauftragten. Ob das Schüler tatsächlich abhält, zur Flasche zu greifen oder Joints zu rauchen, ist schwer messbar. Die Statistik der Drogentoten jedoch zeigt: Den Versuch ist allemal wert.