Jürgen Schmidt fordert als neuer Beigeordneter im Rathaus Oberhausen eine bessere Planung für die Schulen und neue Ideen für mehr Kita-Plätze.
Seit Juli sind Sie als Schuldezernent für die Schulen hier verantwortlich. Die Baustellen und Probleme sind groß, die Wünsche an den Schulträger riesig. Was reizt Sie an der Aufgabe – einen Blumenpott kann man damit nicht gewinnen?
Schmidt: Nach einer langen Zeit in einem festen Aufgabengebiet ist es eine Herausforderung noch einmal etwas Neues zu machen. Ich bin ein Freund von Rotation. Und an dem Thema beste Bildung für Kinder und Jugendliche mitzuarbeiten, finde ich einfach spannend.
Stichwort Lehrermangel: Als Schulträger ist die Stadt nicht für das Personal zuständig, aber was kann und muss Oberhausen tun, um Lehrer hierhin zu locken?
Ein Lehrer entscheidet sich für eine Schule in Oberhausen, wenn das Team klasse ist, wenn er vielleicht ein tolles Schul-Programm vorfindet, an dem er mitwirken kann, aber auch, wenn die Gegebenheiten vor Ort gut sind. Natürlich geht’s auch um bauliche Geschichten, ganz banales Beispiel: Lehrertoiletten. Ich war an einer Schule, an der mittlerweile 90 Prozent des Kollegiums aus Frauen bestehen, die sich in der Pause zwei Toiletten teilen müssen. Oder woanders sind die WC-Anlagen sehr veraltet. Da müssen wir unsere Aufgaben erledigen. Vorschläge wie Kultur- oder Sportcards als Lockmittel für Lehrer finde ich überlegenswert, schwer tue ich mich mit Zuschüssen fürs Parken, weil das kein spezifisches Schulproblem ist, sondern die gesamte Stadtverwaltung beziehungsweise Stadtgesellschaft betrifft.
Ein heißt diskutiertes Thema in Oberhausen sind Schulformwechsler: Wenn die Schüler nach Klasse sechs von den Gymnasien runter müssen, wird der Platz an den Gesamtschulen eng. Im Jahrgang sieben fehlen also Schulplätze. Eine Arbeitsgruppe soll nun bis Ende des Jahres beschlussfähige Vorschläge machen. Wie weit sind Sie?
Die Schulaufsicht erwartet ja, das wir eine neue Schule bauen. Ich habe aber erstens eine große Skepsis aus rein finanziellen Gründen, ob das überhaupt leistbar ist. Zweitens zeigen die bisherigen Prüfergebnisse, dass eine neue Schule nicht durchgängig stabile Schülerzahlen hätte und nicht sicher in jedem Jahrgang ein differenziertes Angebot für alle Schüler vorhalten könnte. Der Arbeitskreis tagt jedenfalls und wird dem Rat verschiedene Varianten vorlegen, so dass für die Entscheider nachvollziehbar ist, was spricht für A oder B, was sind die Vor- und Nachteile.
Ein Vorschlag der Schulverwaltung lautete ja, die Plätze an Real- und Gesamtschulen auszuweiten und die an Gymnasien zu reduzieren. Das hat für viel Aufregung gesorgt. Wie stehen Sie dazu?
Also ich schätze die Schulleitungen alle so ein, dass ihnen das Wohl der Kinder am Herzen liegt. Das ein Schulleiter eines Gymnasiums nicht sagt ‘Ich habe hier gerade einen Neubau bekommen, jetzt soll da eine Gesamtschule draus werden’, ist nachvollziehbar. Wir müssen ja auch den Elternwillen berücksichtigen, der zählt am Ende laut Schulgesetz. Wenn die Eltern ihre Kinder am Gymnasium anmelden, dann muss man halt sehen, wie man deren Wünsche umgesetzt bekommt.
Hat die Stadt das Thema zu spät angepackt?
Ich finde es immer schwierig, aus der Not heraus zu reagieren. Frühzeitig Konzepte zu entwickeln und zielgerichtet zu planen ist dann nicht mehr möglich. Wir „verschlimmbessern“ und das löst bei Eltern oder Schulleitungen Ärger aus. Alle Beteiligten müssen zu einer besseren strategischen Planung kommen und auch mit einer Reserve planen. Damit nicht eine ganze Stadt in Schwierigkeiten kommt.
An den Schulen werden derzeit die Mittel aus dem Landesförderprogramm „Gute Schule 2020“ investiert. Das reicht aber nicht, um den Sanierungsstau zu beheben oder Raumnot zu lindern. Gibt es dafür Lösungen?
Uns belasten die Altschulden, mit denen erhebliche Zinsbelastungen verbunden sind, die man gut in solche Sachen stecken könnte. Wir brauchen Hilfe von Bund und Land und müssen dafür werben, weil die Ausgaben, die uns belasten, nicht alle hausgemacht sind. Die Hilfe kommt jetzt projekthaft durch Fördergelder wie bei „Gute Schule 2020“ oder beim Digitalpakt, aber das ist nicht ausreichend. Wir feiern einerseits die Förderprogramme ab, aber die produzieren ja auch laufende Kosten. Eine sichere Finanzierung wäre auf jeden Fall hilfreicher, als nur Förderung. Aber im Landtag sitzen einfach zu viele Entscheider, die nicht die gleichen Probleme haben wie eine Stadt wie Oberhausen.
Auf der anderen Seite muss eine Kommune aber auch soweit es geht die Hausaufgaben selber machen. Eine Möglichkeit: Wir geben bestimmte Standorte auf, die sich nicht mehr gut für den Schulbetrieb eignen, weil sie zum Beispiel alt sind, und nutzen Verkaufserlöse, um sie dann in Schulen zu investieren.
Ein Kriterium für die Familienfreundlichkeit einer Stadt ist die ausreichende Versorgung mit Betreuungsplätzen für Kleinkinder. Da hat Oberhausen noch Nachholbedarf, es fehlen Kita-Plätze. Warum läuft das so schleppend fragen sich Eltern?
Ein Grund ist, dass wir 2015 durch die Zuwanderung einen erheblichen Zuwachs an Kindern bekommen haben. Da kümmern sich viele zu Recht darum, dass diese Kinder in Kitas kommen, um dort Sprachkompetenz zu erwerben und Kontakte zu den Menschen im Stadtteil herzustellen. Die anderen Gründe sind finanzieller und struktureller Natur. Das Problem ist, dass wir in manchen Sozialräumen den Bedarf haben, zusätzliche Einrichtungen zu schaffen, es dort aber überhaupt keine Flächen gibt. In Lirich zum Beispiel brauchen wir dringend mehr Kita-Plätze, da gibt es aber weder die Fläche, um die Räume für den Offenen Ganztag der Grundschule an der Wunderstraße zu erweitern noch um KTEs zu bauen.
Das scheint ja fast aussichtslos, welche Lösungen gibt es?
Ich brauche eine schlagkräftige Truppe, die etwas zum Gelingen beiträgt. Bisher ist es so, dass alle, die eingebunden sind, also zum Beispiel Umwelt-, Planung- oder Immobilienverwaltung, erst mal aus ihrer Brille heraus auf das Problem gucken und Gegenargumente finden. Und so schaffen wir, zu beschreiben, warum es nicht geht. Dabei sollte doch das Ziel sein: Da ist Lirich und ich brauche an dem Punkt ein Angebot für 100/150 Kinder. Und dann sollten wir sagen: Was müssen wir tun, damit es geht.
Dazu kommen rechtliche Vorgaben: Der Landschaftsverband merkt beispielsweise an ‘Da fehlen aber noch einige Quadratmeter Außenfläche für die neue Kita’. Aber wenn ich doch weiß, daneben ist eine Parkanlage, dann kann ich mit den Kindern auch rausgehen. Was ich meine: Wir müssen irgendeinen Weg finden und uns bewegen, wir müssen außerdem die Bedarfe beschreiben und eine verbindliche Planung aufstellen. Da würde ich mir mehr Flexibilität und Zielorientierung aller Beteiligten wünschen und auch die Frage geklärt wissen, wer denn dann Träger der Einrichtungen wird.
Wie findet die Stadt Träger für neue Kindergärten?
Wir haben ja das Prinzip der Subsidiarität. Wenn wir eine KTE bauen wollen, dann werden erst die freien Träger vor Ort gefragt. Dann gucken wir selbst als Stadt, ob wir als Träger in Frage kommen oder wir bekommen Anfragen von vielen Trägern mit Referenzen aus anderen Städten. Ich weiß, dass die örtlichen Kita-Betreiber das nicht so gerne sehen. Wir haben aber nicht mehr die Wahlmöglichkeit, insbesondere, wenn es sich um anerkannte Anbieter handelt. Zum Beispiel haben wir jetzt die ehemalige Sportplatz-Fläche neben der Hauptschule St. Michael zu einem akzeptablen Preis an einen Investor verkauft, der wird dort eine KTE bauen und hat auch den Träger mitgebracht. Die Oberhausener Träger haben nicht gesagt ‘Ja, ich will da bauen’. Sollte die Stadt das Projekt deshalb sein lassen? Das geht nicht, die 150 Kinder, die den Platz benötigen, sind da. Das meine ich mit Flexibilität aller Beteiligten.
Trotzdem: Warum dauert der Kitaplatz-Ausbau so lange?
Wir müssen auch über Baustandards reden. Ich möchte keine Containerlösungen, aber für mich ist es ein Unterschied, ob ich ein Fertighaus baue oder Stein auf Stein. Dann sagen mir die Experten, ein Fertighaus hält 30 Jahre, Stein auf Stein 60 Jahre. Na ja, angesichts der Kinderentwicklung wäre uns damit doch super geholfen. Wenn so schneller gebaut werden könnte und vielleicht auch noch billiger, müssen wir darüber reden dürfen. Allerdings sollten die Qualität des Baukörpers, die Funktionalität und das Erscheinungsbild im Stadtgebiet stimmen, wenn das gegeben ist, sind Alternativen zu Stein auf Stein denkbar.
Baut die Stadt auch selbst Kindergärten oder setzen sie ganz auf das Investorenmodell?
Wir müssen erst die anderen fragen, aber wir sind bereit, das auch selbst zu machen, wir haben Budgets dafür im städtischen Haushalt vorgesehen. Natürlich geht das nur schrittweise, weil Dinge in der Abwicklung auch schwieriger sind, wenn wir es selbst machen.
Zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehört auch die Jugendhilfe. Die Zahl der Kinder, die in Obhut genommen werden, steigt auch in Oberhausen. Gleichzeitig wird von Ihnen erwartet, dass die Kosten gesenkt werden, um den städtischen Haushalt nicht zu belasten. Ist Sparen auf Kosten von Kindern überhaupt möglich?
Sparen ist auch in diesem Bereich möglich und wir sind da schon auf einem guten Weg. Man muss bei den Mitarbeitern für vernünftige Rahmenbedingungen sorgen, also Fallzahlen festlegen zum Beispiel. In Oberhausen kommen auf einen Jugendamtsmitarbeiter 35 Fälle. Zum anderen müssen Mitarbeiter so qualifiziert und unterstützt werden, dass sie eine zielorientierte Hilfe bieten. Das bedeutet auch darauf zu gucken, wann eine Hilfe beendet werden kann. Diese Endlos-Schleifen waren oft eine Ursache für die immens gestiegenen Kosten, die bereits gesunken sind. Wir zeigen, dass sie weiter sinken. Der Durchschnitt der Steigerungsraten bei den Jugendhilfekosten im Bundesgebiet liegt bei 5 Prozent pro Jahr, bei uns waren es zuletzt drei Prozent und es ist absehbar, dass sich das fortsetzt.
Als Beigeordneter für Integration – wie funktioniert die Eingliederung von Geflüchteten in Oberhausen?
Ich habe das Gefühl, dass wir, was eine strukturierte Vorgehensweise angeht, noch relativ an den Anfängen sind. Der erste Bedarf, also Unterkunft, Essen, Trinken, das ist gelungen, und jetzt ist der nächste Schritt fällig. Es geht darum, die Menschen als wesentlichen Teil der Gesellschaft zu integrieren und auch deutlich zu machen, dass wir sie brauchen. Stichwort Personal- und Fachkräftemangel: Ich bin da ehrlich gesagt ein bisschen ungeduldig, was die Grundlagen anbelangt. Wir müssen überregional dafür werben, dass diejenigen, die entscheiden und zulassen, ob Fachkräfte bei uns arbeiten dürfen, nicht riesige Hürden aufbauen. Da sollten wir die Köpfe zusammenstecken und gucken, ob das nicht anders geht.
Seit 1981 bei der Stadt tätig
Im Juli dieses Jahres hat der Rat der Stadt Oberhausen die Stadtspitze umgekrempelt. Auslöser für die Personal-Erneuerung im Verwaltungsvorstand des Rathauses war die Abwahl der Beigeordneten Elke Münich (SPD) Anfang Mai, die für Soziales, Schule, Familie, Jugend zuständig war. Nicht nur wurde die Stelle mit Jürgen Schmidt (SPD) neu besetzt, sein Verantwortungsbereich wurde auch neu zugeschnitten: Der 58-Jährige ist Beigeordneter für Familie, Schule, Integration und Sport.
Als Dezernent war Schmidt auch bisher Teil der Führungsriege im Rathaus. So war der diplomierte Verwaltungsfachwirt, der seit 1981 für die Stadtverwaltung Oberhausen arbeitet, für die Bereiche Immobilien, IT und Personal zuständig.
Haben sie eine Botschaft an die Bürger, damit die Integration gelingt?
Wenn man sieht, wie sich die Zahlen entwickeln bei Migranten auch mit Blick auf den Anteil bei den Geburten, dann werden wir gar nicht drumherum kommen, uns da sehr intensiv zu kümmern und die Menschen als wesentlichen, willkommenen Teil unserer Gesellschaft zu begreifen. Ich werbe mit persönlichen Erfahrungen. Wenn wir davon erzählen, was ganz selbstverständlich funktioniert, vermitteln wir das Gefühl: Wir kommen miteinander klar.