Walsumermark. Wenn Bauern früher eine bessere Ernte erzielen wollten, streuten sie Kalk auf ihre sandigen Felder. Wo sie ihn fanden, zeigte eine Exkursion.
Wer das Waldgebiet Ravenhorst südlich der Autobahn-Anschlussstelle Dinslaken-Süd und der Hünenbergstraße auf der Westseite der Autobahn durchstreift, stößt auf eine hügelige Landschaft mit tiefen Senken. Dort haben sich am Sonntagvormittag Aktive des Vereins Faro und interessierte Bürger getroffen – insgesamt rund 20 Personen. Sie ergründeten dort die Ursachen für diese Höhen und Senken. Es handelt sich um Mergelgruben.
„Wir haben es ja hier in der Umgebung mit einer sandigen Heidelandschaft zu tun“, erklärte Faro-Vorsitzender Udo Peters. Auf solchem Untergrund würden Pflanzen nicht gut gedeihen. Mergel aber sind kalk- und tonhaltige Böden. In alten Zeiten, etwa im elften Jahrhundert, hätten die Bauern ihn unter ihre Äcker gegraben und damit deren Ertragskraft gesteigert.
Mehrere Meter tiefe Senken
Vereinsgeschäftsführer Albert Karschti, von Hause aus Bergbauingenieur, erläuterte den Teilnehmern die Zusammenhänge anhand von Zeichnungen, Luftbildern und Karten. Die mehrere Meter tiefen Senken erklären sich dadurch, dass der Abraum einfach neben den Gräben aufgeschüttet wurde. Offenbar trat der kalkhaltige Boden bereits an der Oberfläche aus, so dass immer tiefer danach gegraben wurde.
Das so geformte Gelände hat eine Ausdehnung von 500 mal 200 Metern. Bis zu zehn Meter mächtig sind dort die mergelhaltigen Schichten. Sie bilden Kalkinseln. Bei den grabenähnlichen Senken könnte es sich aber auch um eingebrochene Gruben handeln. Sie hinterlassen trichter- oder kesselförmige Vertiefungen. Dann müssten sich im Untergrund senkrechte Einstiegsschächte finden lassen. „Diese frühe Form des Bergbaus fand ja in der Tiefe des jeweiligen Grundwassers ihre Grenze“, erklärte Karschti. Erst die Dampfmaschine habe es ja möglich gemacht, tiefer zu graben und das nachsickernde Wasser abzupumpen.
An Leitern in die Grube gestiegen
Für die Ausbeutung des Mergels war das noch nicht nötig. Man ist einfach mit Leitern in die Grube geklettert, hat das Erdreich mit dem Spaten abgestochen, in Körbe gefüllt und mit Seilen an die Oberfläche gezogen. Noch im 19. Jahrhundert jedenfalls hätten Hiesfelder Bauern dort nach Kalk gehackt.
Freunde der Archäologie in Oberhausen
FARO steht für Freunde der Archäologie im Raum Oberhausen. Der Verein wurde 2010 gegründet. Er hat nach Angaben des Vorsitzenden Udo Peters zur Zeit 36 Mitglieder.
Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, auf die Bedeutung der Archäologie in der Region aufmerksam zu machen. Seit dem vergangenen Jahr verfügt der Verein in der ehemaligen Hauptschule St. Michael im Knappenviertel über einen Raum. Die Internetseite des Vereins findet sich unter faro-ev.de. Kontakt per Mail an: info@faro-ev.de
Seit wann diese frühe Form des Bergbaus dort üblich war, das könnten Archäologen nur durch Grabungen feststellen. „Die Gegend hier ist ja etwa seit dem 11. Jahrhundert besiedelt“, erklärte Udo Peters. Dafür bedürfe es aber einer behördlichen Genehmigung. Probebohrungen im Untergrund würden erste Erkenntnisse bringen. Funde im Untergrund, wie Eimer oder Werkzeuge, könnten konkrete Anhaltspunkte für das Alter des Kalkabbaus liefern.
Spuren des Zweiten Weltkriegs
Bevor Albert Karschti mit Interessierten in die Senken hinabstieg, um ihnen dort weitere Besonderheiten zu erläutern, ging es um ein anderes, etwas moderneres Phänomen für Bodenverwerfungen: um Bombentrichter aus dem Zweiten Weltkrieg. Anhand einer Luftaufnahme des Gebiets verdeutlichte er, wie weit sie hier verbreitet sind. „Man macht sie heute sichtbar, indem man die Oberfläche bei Überfliegungen mittels Laserstrahl abtastet.“ Damit könne wie bei einer Röntgenaufnahme das grüne Kleid der Landschaft durchdrungen werden.
Bombentrichter sind am einigermaßen gleichmäßigen Bodenauswurf erkennbar. „Die meisten Bomben hatten ja einen Zünder, der erst beim Aufschlag auf den Boden die Explosion ausgelöst hat“, sagt Udo Peters. Solche Explosionen könnten im Waldgebiet an der Autobahn A3 zusätzlich den Effekt gehabt haben, einige der Hinterlassenschaften der Kalkgewinnung an die Oberfläche zu befördern. Das alles muss dort aber noch erforscht werden.
Äcker waren schnell ausgemergelt
Sollten die Hiesfelder Bauern ihre Felder allein mit Kalk verbessert haben, dürften sie nicht lange Freude an höheren Ernteerträgen gehabt haben. Denn dann fehlte es an anderen Nährstoffen wie Phosphaten und Nitraten, die in Kompost und Mist enthalten sind. Einseitig gekalkte Böden waren nach wenigen Ernten ausgemergelt, sprich ausgezehrt.