Oberhausen. 800 Unterschriften haben die Schulpflegschaften von zwei Realschulen gesammelt: Sie protestieren damit gegen eine Regelung des Schulgesetzes.

An den Oberbürgermeister von Oberhausen, den Schuldezernenten und die Bezirksregierung ist der Protest adressiert. Die Petition heißt „Kein Paragraf 132 c an Realschulen“. Was so formaljuristisch klingt, bedeutet in der Praxis: Die Unterzeichner der Petition wehren sich dagegen, dass seit dem neuen Schuljahr an den drei lokalen Realschulen ab der Klasse sieben Hauptschulabschlüsse möglich sind.

Appell an Schulaufsicht und Schulträger

Organisiert hat den Protest Beatrice Milewski, Schulpflegschaftsvorsitzende der Anne-Frank-Realschule. Unterstützt wird sie von der Schulpflegschaft der Theodor-Heuss-Realschule. 800 Unterschriften hat Beatrice Milewski nach eigenen Angaben gesammelt, um noch einmal an die Schulaufsicht in Düsseldorf und den Schulträger vor Ort zu appellieren, die neue Regelung in Oberhausen auszusetzen. Bei der kommt der Paragraf 132 c des NRW-Schulgesetzes zur Anwendung.

Bezirksregierung hat genehmigt

Dieser erlaubt Kommunen unter bestimmten Bedingungen befristet die Einrichtung von Hauptschulbildungsgängen an Realschulen. Der Oberhausener Rat hat die Umsetzung des Paragrafen 132 c für alle drei Realschulen Ende 2018 beschlossen, die Bezirksregierung hat im Mai dieses Jahres die Genehmigung erteilt – befristet bis Ende Juli 2022. Folge: Realschüler, die nach der Erprobungsstufe eigentlich die Schule verlassen müssten wegen zu schlechter Noten, können jetzt an den Realschulen bleiben und dort einen Hauptschulabschluss innerhalb der Realschulklassen machen.

Der Paragraf 132 c des NRW-Schulgesetzes

Unter der Überschrift „Sicherung von Schullaufbahnen“ steht im Paragraf 132 c des Schulgesetzes:

1. Der Schulträger einer Realschule kann dort einen Bildungsgang ab Klasse 7 einrichten, der zu den Abschlüssen der Hauptschule (§ 14 Absatz 4) führt, insbesondere wenn eine öffentliche Hauptschule in der Gemeinde oder im Gebiet des Schulträgers im Sinne des § 78 Absatz 8 nicht vorhanden ist.

2. Schülerinnen und Schüler in dem Bildungsgang gemäß Absatz 1 werden im Klassenverband mit Schülerinnen und Schülern des Bildungsgangs gemäß § 15 Absatz 1 [mit Realschülern, Anm. d. Red.] unterrichtet; hierbei sind Formen innerer und äußerer Differenzierung möglich.

Übergangslösung

Das Ganze soll eine Übergangslösung sein, um die Schulplatzsituation in Oberhausen insgesamt zu entlasten. Gibt es im Jahrgang fünf noch ausreichend Plätze an allen Schulformen, so stellt sich die Situation beim Übergang von Klasse sechs in Klasse sieben anders dar. Für die Schüler, die von Gymnasien und Realschulen nach der Erprobungsstufe abgehen müssen, fehlen ab Jahrgang sieben Plätze an den vier Gesamtschulen – und Hauptschulen gibt es in Oberhausen nicht mehr.

Sorgen der Eltern

Von Anfang haben sich Elternschaft und auch Schulleitungen und Lehrer gegen die Umsetzung des Paragrafen 132 c gewehrt. Der Protest war zuletzt leiser geworden, wird aber mit der Petition der Eltern und dem Schreiben an Schuldezernent Jürgen Schmidt wieder deutlich. „Wir sehen die Bildung unserer Kinder gefährdet“, schreibt die Schulpflegschaftsvorsitzende an Jürgen Schmidt. Und im Text zur Unterschriftensammlung lautet die Frage: „Verlieren unsere Realschulen dann auch ihre Wertigkeit?“ Die Sorge der Eltern: Auf Kosten des „Hauptschulzweigs“ fällt Unterricht aus, weil es ohnehin schon nicht genügend Lehrer gibt und häufig Unterricht ausfalle. Oder das Unterrichtsniveau werde gesenkt.

Schuldezernent Jürgen Schmidt.
Schuldezernent Jürgen Schmidt. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Deshalb bitten Beatrice Milewski und ihre Mitstreiter die Verantwortlichen darum, die Lösung zu überdenken. Die Argumentation: Es handele sich nur um wenige Schüler – an der Anne-Frank-Realschule sind es sechs –, die nun als Hauptschüler dort unterrichtet werden. Diese wenigen Schüler könnte man doch auch an einer der Gesamtschulen beschulen und dafür Schulformwechsler vom Gymnasium an die Realschulen wechseln lassen. Außerdem sei die Schulküche an der Anne-Frank, die für den Unterricht von Hauptschülern notwendig ist, in einem schlechten Zustand. Aufwändig umgebaut wurde diese in der Tat in den Ferien nicht – wie ursprünglich mal geplant.

Schuldezernent hat Verständnis

Im Gespräch mit der Redaktion äußert Schuldezernent Jürgen Schmidt Verständnis für die Eltern, gleichzeitig bittet er die Beteiligten darum, zu relativieren. Angesichts von sechs Hauptschülern an der Anne-Frank-Realschule „kann ich mir nicht vorstellen, dass dadurch ein Schulprogramm deutlich beeinflusst oder die Abläufe verändert werden“, so Schmidt. Prinzipiell könne er den Ärger nachvollziehen, der sich auch aus Planungsversäumnissen der Stadt ergebe. Aber an der Umsetzung des Paragrafen 132 c führe kein Weg vorbei.