Oberhausen. Frank Görlitz ist auf der Mülheimer Straße von einem betrunkenen Autofahrer angefahren worden. Bis heute kämpft er um eine Entschädigung.

Frank Görlitz wurde vor Jahren auf der Mülheimer Straße angefahren. Bis heute kämpft er um eine Entschädigung. Denn der Unfallverursacher ist mittellos. Und für die Versicherungen gilt der Fall als abgeschlossen. In Görlitz steigt die Wut hoch, wenn er an diesen Tag denkt.

Es war der 3. September 2015 gegen 5.30 Uhr. Der Oberhausener war auf dem Weg zur Arbeit, überquerte gerade zu Fuß die Mülheimer Straße, als er von einem Wagen angefahren wurde. „Ich flog in die Luft, prallte erst gegen die Windschutzscheibe und schlug gleich darauf hart auf die Fahrbahn auf.“ Der Unfallverursacher wollte sich aus dem Staub machen. Doch Görlitz hatte Glück im Unglück. Ein Zeuge nahm die Verfolgung auf, überholte den Wagen und zwang ihn zum Anhalten.

Mit Prellungen und Schürfwunden ins Krankenhaus

Während Görlitz mit schweren Prellungen und Schürfwunden an Kopf, Schulter und Hüfte ins Krankenhaus kam, nahm die Polizei die Ermittlungen auf – und staunte nicht schlecht. Der Unfallfahrer, ein damals 41-jähriger Mülheimer, hatte nicht nur über einen Promille Alkohol im Blut, er besaß auch keinen Führerschein. Der war ihm wegen ähnlicher Verkehrsdelikte bereits 2013 abgenommen worden. Dazu zählten: Fahrerflucht, Sachbeschädigung sowie „fahrlässige Trunkenheit im Verkehr“.

Görlitz war drei Wochen lang arbeitsunfähig. Im kleinen Finger der linken Hand hat er nach eigenen Angaben bis heute Schmerzen und Taubheitsgefühle. Er nahm sich einen Anwalt und zog im Strafverfahren als Nebenkläger vor das Amtsgericht Oberhausen. Das Urteil fiel eindeutig aus: Der Unfallfahrer aus Mülheim wurde „wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt“. Görlitz wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 1000 Euro zugesprochen. Alle Anwalts- und Prozesskosten sollte der Angeklagte übernehmen. Allein: Der gelernte Schlosser war und ist bis heute arbeits- und mittellos.

Gerichtsvollzieher kam mit leeren Händen und einer Rechnung zurück

„Als die erste vereinbarte Ratenzahlung ausblieb, erwirkten wir eine Zwangsvollstreckung“, erzählt Görlitz. Der Gerichtsvollzieher zog also los, nun die komplette Summe einzutreiben – kam aber mit leeren Händen zurück. Schlimmer noch: „Weil der nix zahlen konnte, musste ich auch noch den Einsatz des Gerichtsvollziehers berappen.“ Zwar hat Görlitz nun 30 Jahre lang Zeit, immer wieder erneut zu versuchen, bei dem Mülheimer an sein Geld zu kommen. „Doch jeder vergebliche Versuch des Gerichtsvollziehers geht erneut auf meine Rechnung.“ Die kann er zwar theoretisch und mit gutem Recht um jede weitere so anfallende Gerichtsvollzieher-Gebühr erhöhen. „Aber was nützt mir das?“

Verkehrsopferhilfe springt im Notfall ein

Der Verein Verkehrsopferhilfe e.V. (VOH) ist eine Einrichtung der deutschen Autohaftpflichtversicherer. Die VOH hilft Verkehrsopfern in der Funktion als Garantiefonds bei Unfällen in Deutschland, die durch nicht ermittelte oder nicht versicherte Kraftfahrzeuge verursacht werden oder in denen das Auto vorsätzlich als „Tatwaffe“ eingesetzt wird oder der Autohaftpflichtversicherer insolvent wird.

Außerdem hilft die VOH Verkehrsopfern bei Unfällen im Ausland, sie fungiert in diesen Fällen als Entschädigungsstelle.

Immerhin: Von der Kfz-Haftpflichtversicherung hatte Görlitz zumindest ein Schmerzensgeld in Höhe von 907 Euro erhalten. Das aber empfand er angesichts seines Folgeschadens an der linken Hand als nicht angemessen. In einem Zivilprozess gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung forderte er weitere 1500 Euro – und scheiterte, vor allem wohl, weil ihm ein aussagefähiges ärztliches Gutachten fehlte. „Ich hatte kein Geld, ums mir so etwas anfertigen zu lassen“, sagt der Mitarbeiter einer Oberhausener Gebäudereinigungsfirma. 904 Euro musste er an seinen eigenen Rechtsanwalt zahlen. Weil Görlitz aber auch noch die Gerichtskosten begleichen musste, lieh er sich bei seiner Vermieterin Geld. „Das stottere ich jetzt in Raten ab.“ Der Oberhausener fragt entnervt: „Wie kann es sein, dass ich als Unfallopfer draufzahle?“

Jedes siebte Auto ist ohne gültigen Versicherungsschutz unterwegs

Der Oberhausener Versicherungsexperte Ingo Aulbach klärt rund ums Thema auf: „Eine Haftpflichtversicherung ist europaweit gesetzlich vorgeschrieben.“

Ingo Aulbach ist Versicherungsexperte und Sprecher des Verbandes Deutscher Versicherungskaufleute im Kreis Oberhausen.
Ingo Aulbach ist Versicherungsexperte und Sprecher des Verbandes Deutscher Versicherungskaufleute im Kreis Oberhausen. © Carlo Blum

Generell gelte: Wer einen Unfall verursacht hat, sollte sich mit seiner Kfz-Haftpflichtversicherung in Verbindung setzen. „Die Versicherung schaltet ihre Rechtsabteilung ein, der Verursacher muss sich nicht einmal selbst einen Anwalt suchen.“ Die Versicherung prüft die Ansprüche und zahlt – in berechtigten Fällen – alle entstanden Kosten sowie ein Schmerzensgeld. „Sind die Forderungen aber ungerechtfertigt oder zu hoch, führt die Versicherung einen Abwehrprozess.“

Als Unfallopfer mache es generell Sinn, den Verursacher zu verklagen, den Halter des Fahrzeuges (falls abweichend) sowie die Kfz-Versicherung des Unfallgegners. Möglich sei aber auch eine Einigung ohne Prozess. „Das hängt vom Verhandlungsgeschick ab.“ Denn tatsächlich beinhalte ein Prozess ein gewisses Risiko: „Bei einer Teilschuld werden die Kosten anteilig berechnet.“ Wer vor Gericht verliere, müsse alles zahlen.

Statistisch gesehen sei allerdings in Deutschland fast jedes siebte Auto ohne einen gültigen Versicherungsschutz unterwegs. „Das liegt daran, dass viele Leute ihre Beiträge nicht bezahlen.“

Fakt sei aber: Selbst in solchen Fällen muss die Kfz-Haftpflichtversicherung in Vorkasse gehen. „Sie hat dann aber das Recht, sich die Kosten vom Verursacher zurückzuholen.“

Nicht gleich die Flinte ins Korn werfen sollte man auch, wenn man einen Unfall im Ausland hatte. „Ausländische Versicherungen arbeiten mit deutschen Kooperationsversicherungen zusammen, um eine rasche Schadensregulierung zu ermöglichen.“ Gegebenenfalls mache es auch Sinn, einen europaweit tätigen Rechtsanwalt einzuschalten. „Wer ganz sicher sein möchte, nicht draufzuzahlen, sollte eine Rechtsschutzversicherung abschließen“, rät Aulbach. Frank Görlitz empfiehlt er, sich an die Verkehrsopferhilfe zu wenden.