Oberhausen. Natürlich gab es beim Festakt für die Hundertjährige viel Lob. Doch in die Begeisterung über die VHS mischten sich auch nachdenkliche Töne.
Drei silberne Riesen-Luftballon-Zahlen „100“ hängen auf der Bühne im Kesselhaus des Zentrums Altenberg, Gitarrist Alexx Marrone macht ein kleines Chor-Training zum Garfunkel-Song „Mrs. Robinson“ mit der Festgemeinde und die Herner Moderatorin Anja Balzer nimmt das wenig aufregende Image der Hundertjährigen aufs Korn.
Mehr als drei Stunden lang dauert am Freitag der offizielle Teil der zweitägigen Feiern zum hundertjährigen Geburtstag der Oberhausener Volkshochschule. Unter den 300 geladenen Gästen befinden sich auch die Alt-Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond und Klaus Wehling. An diesem Samstag startet für alle von 12.30 bis 19 Uhr das riesige Familienfest im Bert-Brecht-Haus mit Programm auf allen sechs Etagen – kostenlos.
Wenn sie als Grundstein für ihre Moderationsarbeit die Bildung in der Volkshochschule nennt, erzählt Balzer, dann würden „die jungen Hipster mich anschauen, als ob ich mich zu einem unappetitlichen Körpergebrechen bekenne“. Nun ja, auch egal. „Der Mangel an Coolness macht ja gerade den Charme der Volkshochschule aus. Hier treffen sich in wenig instagrammable ausgestalteten Zweckbauten mit Neonlicht Menschen, die was sein wollen, und nicht diejenigen, die nur scheinen wollen.“
Im Vergleich zu 2011 bietet die Oberhausener Volksschule heute rund 70 Prozent mehr Unterrichtseinheiten an, hat sich mit Stadtbücherei und Lernzentrum zum zentralen Bildungs- und Gesellschaftsort in der Innenstadt gemausert.
VHS-Leiterin ermahnt die Landesregierung
VHS-Leiterin Gesa Reisz nutzt den Geburtstag zur Mahnung ans Land, die Weiterbildung von Erwachsenen stärker zu fördern: Gut 100 Millionen Euro stehen im Landesetat für alle Weiterbildungsträger parat, dagegen 18 Milliarden Euro für die Schulen. „Es gibt doch noch so viele Lernjahre nach der Schulzeit und dafür so wenig Geld; wir warten da auf einen Aufschrei.“ Für sie ist die Volkshochschule ein sozialer und solidarischer Ort der Begegnung in Zeiten, in denen Kirchen, Gewerkschaften und Vereine immer weniger Bindungskraft entfalten.
Familienfest am Samstag
Auf sechs Etagen im Bert-Brecht-Haus und auf dem Saporishja-Platz zeigt die Volkshochschule am Samstag, 21. September, allen kostenlos, was sie auf die Beine stellen kann: Hüpfburgen, Kinderschminken, Sprachspiele, Grundbildung-Quiz, Einbürgerungstest, Sütterlin, Kalligraphie und Künstlerisches.
Um 18 Uhr starten Nito Torres und Constance Jung mit einem Rudelsingen. Es gibt auch eine Wellness-Oase, einen Heißluftballon, eine Modenshow mit selbstgenähter Mode.
Kulturdezernent Apostolos Tsalastras erinnert an die Gründungsidee, die heute aktueller sei denn je. „Damals gab es eine extrem gespaltene Gesellschaft in Arbeiterschaft und Bürgertum, diese Spaltung sollten die Volkshochschulen mit für jedermann zugänglicher Bildung überwinden. Auch heute ist unsere Gesellschaft wieder mehrfach gespalten.“ Die Stadt achte daher darauf, dass Weiterbildung kein Luxus wird, sondern für alle finanzierbar bleibt.
Sorge über politische Spaltung
Gerade die politische Spaltung besorgt den Beigeordneten. „In Parlamenten befinden sich jetzt autoritäre National-Extremisten. Deshalb sind Angebote der VHS so wichtig, die zeigen, wie Demokratie funktioniert. In der Demokratie ist der Kompromiss die Regel, in autoritären Systemen die Kompromisslosigkeit.“
Auch Bürgermeisterin Elia Albrecht-Mainz lobt die VHS als Treff der politischen Debatte, als zeitlose Institution, die sich stetig gewandelt und aktuelle Themen aufgegriffen hat. „Die VHS macht Menschen fähiger.“ Oder wie es ein früherer Dezernent mal formulierte: „Es reicht schon, dass Oberhausen arm ist, wir müssen nicht auch noch blöd sein.“