Oberhausen. Der Fachkräftemangel ist bei den Bäckern der Region angekommen. Nicht bei Horsthemke. Das Unternehmen lockt durch ganz besondere Praktika.
In einer Wiener Backstube einen Blick auf die traditionelle Rezeptur der Sachertorte erhaschen oder im „Food Court“ des berühmten Londoner Warenhauses „Harrods“ Kunden beraten: Das Familienunternehmen Horsthemke belohnt engagierte Auszubildende mit einem ganz besonderen Arbeitsplatz auf Zeit und geht so vorbeugend gegen den Fachkräftemangel in der Bäckerzunft vor.
Vorbeugend? Richtig, denn „die Bewerberzahlen im Bäckereiberuf in der Region sinken drastisch. Es gibt immense Nachwuchsprobleme“, sagt Rebecca Hof, Mobilitätsberaterin der Handwerkskammer Düsseldorf. Die Bäckerei Horsthemke verzeichnet hingegen steigendes Interesse in allen Ausbildungsbereichen: „Die Bewerberzahlen steigen in der Produktion, im Verkauf, bei den Bäckern und Konditoren solide an“, sagt Manuel Püttmann, Ausbildungsreferent bei Horsthemke. Mit Auslandspraktika will das Unternehmen engagierte Azubis binden.
Gute Arbeit wird belohnt
In den Genuss auf den besonderen Arbeitsplatz auf Zeit kam unter anderem die Auszubildende Tanja Kuss-Kempkes. Im zweiten Ausbildungsjahr ging es für die 23-Jährige nach London. Einen Monat arbeitete sie im „Food Court“, des weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Londoner Warenhauses „Harrods“. Eine aufregende Zeit: „Ich war am Anfang sehr nervös“, erinnert sie sich. „Das legte sich jedoch recht schnell, denn die Atmosphäre vor Ort war locker.“ Und rasch konnte sie ihre neuen Kollegen von ihrem Fachwissen überzeugen und in den Bereichen Verkauf und Beratung unterstützen.
Besonders beeindruckt hat die junge Frau, wie stolz die Londoner auf ihre Backwaren sind und mit welcher Geschicklichkeit sie Innovation und Tradition miteinander verbinden. Auch der Service-Gedanke steht bei ihnen ganz oben.
Die mittlerweile ausgelernte Lebensmittelfachverkäuferin schaut zufrieden auf die Zeit in London zurück: „London ist auf jeden Fall eine Reise wert“, schwärmt sie. Neben jeder Menge Input nimmt die 23-Jährige einen vollen Fremdsprachen-Wortschatz mit zurück nach Deutschland, denn gesprochen wurde in der Zeit selbstverständlich Englisch.
„Berufsbildung ohne Grenzen“
Ziel des Programms „Berufsbildung ohne Grenzen“ ist es, Auszubildenden eine berufliche Lernerfahrung im Ausland zu ermöglichen. Bei der Realisierung eines solchen Auslandspraktikums werden Unternehmen, Auszubildende und junge Fachkräfte von über 50 Mobilitätsberatern unterstützt. Die Berater und Ansprechpartner vor Ort können über die Webseite berufsbildung-ohne-grenzen.de abgerufen werden.
Initiiert wurde das Programm 2009 vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag sowie dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, finanziell gefördert wird es vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Neben Tanja Kuss-Kempkes konnten sich auch zwei weitere Auszubildende durch ihr hohes Engagement während der Lehre für ein Auslandspraktikum qualifizieren. Zwei Bäckerlehrlinge machten sich auf den Weg nach Wien, wo sie in Backstuben traditionsreiche Rezepte ausprobierten.
„Berufsbild ohne Grenzen“
Die Chance auf eine unvergessliche (Arbeits-)Zeit im Ausland konnte und kann die Bäckerei Horsthemke ihren Auszubildenden durch eine Kooperation mit der Handwerkskammer Düsseldorf bieten. 50 Mobilitätsberater unterstützen im Rahmen des Bundesprogramms „Berufsbild ohne Grenzen“ kleine und mittlere Unternehmen bei der Umsetzung von Auslandspraktika. Deutschlandweit planen sie zusammen mit den Azubis die Praktika, stehen während der Zeit im Ausland bei Fragen zur Seite und werten am Ende den gesamten Verlauf zusammen mit den Azubis aus. So war auch Tanja Kuss-Kempkes froh, dass sie von der Bewerbung bei Harrods bis hin zur Beantragung von Fördergeldern von Rebecca Hof unterstützt wurde. Über das EU-Programm „Erasmus+“ erhielt sie 1.000 Euro und eine Reisekostenpauschale. Die Unterkunft und die Reise waren somit abgedeckt. Die Freizeit wurde mit dem regulären Azubigehalt bestritten.
Manuel Püttmann sieht in der Kooperation viele Pluspunkte: „Wir können unsere Azubis durch ein Auslandspraktikum belohnen und auch motivieren. Vor Ort können sie ihre interkulturellen Kompetenzen ausbauen und neue Einflüsse mit nach Deutschland nehmen.“
Horsthemke erhält Auszeichnung
Für das besondere Engagement in der beruflichen Bildung wurde die Bäckerei Horsthemke nun ausgezeichnet. Bernd Redder, Geschäftsführer der Akademie der Handwerkskammer Düsseldorf, überreichte Sandra Heldt, Geschäftsführerin bei Horsthemke, die Auszeichnung für die Internationalisierung der Berufsausbildung. Und auch Tanja Kuss-Kempkes, die ihre Ausbildung übrigens als Innungsbeste abschloss, erhielt noch einen Bonus. Mit einem Weiterbildungsgutschein der Akademie kann sie ihr berufliches Wissen weiter vertiefen, wenn auch diesmal nicht in London.