Oberhausen. Arndt Wiebus hat seine Buchhandlung vor 40 Jahren übernommen. Ein Vorteil des Ladens für den heutigen Buchmarkt: „Wir sind klein und beweglich.“

Nach 13 Jahren in einer derart wissensanregenden Umgebung sollte selbst ein Kater mit einem akademischen Titel angesprochen werden: Dr. Kobo Melone also, der sich so gerne als Blickfang im Schaufenster der Buchhandlung Wiebus räkelt, hat es mit seiner Wahlheimat an der Steinbrinkstraße 249 bestens getroffen – und mit ihrer Atmosphäre lässiger Belesenheit.

Er ist als junger Spund hier ‘rein marschiert“, erzählt Arndt Wiebus. Vielleicht so unbefangen und selbstbewusst wie der junge Buchhändler und studierte Philosoph, der vor 40 Jahren das Geschäft in diesem stolzen Jugendstilhaus übernommen hatte. „Dieser Maschinenraum“, sagt der Jubilar an seinem Schreibtisch zwischen den Regalwänden voller antiquarischer Werke, „ist seit 1960 unverändert“.

Im „Maschinenraum“: Arndt Wiebus am Schreibtisch zwischen einem Teil des antiquarischen Bestandes. Die druckfrischen Bücher sind sichtlich „luftiger“ präsentiert.
Im „Maschinenraum“: Arndt Wiebus am Schreibtisch zwischen einem Teil des antiquarischen Bestandes. Die druckfrischen Bücher sind sichtlich „luftiger“ präsentiert. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Sein Vorgänger allerdings – „ein Buchhändler von altem Schrot und Korn“ – hatte das Geschäft nahe dem Großen Markt in Sterkrade noch streng katholisch auf Linie gehalten. Arndt Wiebus hatte zuvor nur kurz in den Lehrerberuf geschnuppert und an der Gesamtschule eher Bildungsunlust festgestellt: „Da haben sich die Fünftklässler mit Bleistiften beworfen.“ Wer dagegen eine Buchhandlung betritt, will wirklich lesen – die Frage ist nur, was. In Sterkrade war der Wechsel vor 40 Jahren ein radikaler: „Das Gotteslob“, erzählt Arndt Wiebus, „wich der ,Autobiographie einer sexuell emanzipierten Kommunistin’ von Alexandra Kollontai“, der russischen Revolutionärin.

Vier Buchläden, drei Kinos und eine blühende Jugendkultur

Was sich rückblickend so amüsant und anekdotenreich erzählen lässt, räumt Arndt Wiebus ein, war „ein schwieriger Start“. Und es brauchte Beharrlichkeit, um sich durchzusetzen. Vier Buchläden hatte der Stadtteil damals zu bieten, dazu drei Kinos und eine blühende Jugendkultur. „Im Kaiserhof spielten die Small Faces – und die Stadt war voll mit arbeitenden Menschen.“

Pretty in Mint: Am Haus Steinbrinkstraße 249 kommt dank des Sterkrader Fassadenprogramms das Jugendstil-Dekor wieder zu schönster Geltung.
Pretty in Mint: Am Haus Steinbrinkstraße 249 kommt dank des Sterkrader Fassadenprogramms das Jugendstil-Dekor wieder zu schönster Geltung. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Den Wandel von einem quasi-klerikalen „Vorzimmer des Himmels“ zu einer Buchhandlung, deren Inhaber damals „schon aufklärerisch daherkommen wollte“, markierte die Lesung eines besonderen Gastes: Walter Kempowski war dank seiner großen Familienchronik „Tadellöser & Wolff“ fast so bekannt wie Günter Grass und Heinrich Böll, der übrigens schon in den ‘50er Jahren in Sterkrade gelesen hatte.

„Fähig zu zügellosen Arbeitszeiten“

Lesungen mit ihrem „kaum nachweisbaren Effekt“ auf die Kauflust der Kundschaft betrachtet Arndt Wiebus heute als Liebhaberei, die – wenn’s um den eigenen Laden geht – stundenlanges Aus- und Umräumen erfordert. Da ist ein Büchertisch fürs Literaturhaus schneller bestückt. Doch da weder er noch sein älterer Sohn Tilman, geboren im ersten Jahr der Buchhandlung Wiebus, „Reichtümer erwerben wollen“, scheint ihm um die Zukunft nicht bange zu sein: „Wir sind klein und beweglich – und fähig zu zügellosen Arbeitszeiten.“

Die mittelgroßen Buchhandlungen mit mehreren Angestellten sieht er derzeit in der schwierigsten Situation zwischen den Konzernfilialen mit ihren Bestsellerstapeln und dem Online-Business. Arndt Wiebus verweist auf den Wagenbach-Verlag, dessen Chefin Susanne Schüssler erkannt habe: Die Zahl jener Buchhändler, die noch die schön gestalteten roten Wagenbach-Bände mit dem Faible für alles Italienische verkaufen, habe sich auch im stürmischen letzten Jahrzehnt kaum verringert: „Das sind Buchhändler, die selber noch lesen.“ Arndt Wiebus ergänzt: „Und zwar nicht nur Bilanzen.“