Oberhausen/Mülheim. Es fing so harmlos an: Beim ersten Sonnenbank-Besuch fühlte sich Inga Kegel rundum wohl. Doch dann wurde sie süchtig nach dem künstlichen Licht.

Nach den Sommerferien verlängern auch viele Oberhausener ihre Bräune durch einen Besuch im Solarium. Was sie nicht ahnen: Die Bestrahlung unter der Sonnenbank kann süchtig machen – und zu Hautkrebs führen. So wie bei Inga Kegel. Die Mülheimerin ist Patientin von Prof. Alexander Kreuter, Chefarzt der Dermatologie der Helios St.-Elisabeth-Klinik Oberhausen. Und sie hat einen langen Leidensweg hinter sich.

Dabei fing alles so harmlos an. Eine Freundin hatte ein Sonnenstudio eröffnet – und ihr zum Geburtstag eine Zehnerkarte geschenkt. Inga Kegel litt an Psoriasis-Arthritis, einer Schuppenflechte, die nicht nur die Haut befällt, sondern auch zu einer Entzündung der Gelenke und zu Augenproblemen führt. „Ich war damals übersäht von weißen Flecken und hatte teils starke Schmerzen“, erzählt die Mülheimerin. Deshalb habe sie zunächst auch gar keine Lust gehabt, ihr Geschenk einzulösen. Doch an einem kalten Wintertag tat sie es dann doch. „Dieses Licht war toll, die wohlige Wärme tat meinen Gelenken so gut“, erinnert sie sich. Die chronischen Schmerzen in ihrem Unterarm verbesserten sich, die Hautflecken verschwanden.

Sie wurde gleich in mehreren Sonnenstudios zur Stammkundin

Schnell wurde sie zur Stammkundin – in mehreren Sonnenstudios. Mit 65 Jahren lag die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin schließlich bis zu zweimal täglich auf der Sonnenbank. „Die Verbrennungen meiner Haut habe ich ignoriert, wenn andere mich darauf ansprachen, dachte ich nur: Die sind ja bloß neidisch auf deine schöne Bräune.“ Selbst als sie innerhalb von drei Jahren 3000 Tuben Brandsalbe verbraucht hatte, dachte sie nicht ans Aufhören.

Doch dann entdeckte sie diese „Unebenheiten an Stirn und Wange“. Die Diagnose weißer Hautkrebs traf sie wie ein Hammerschlag. „Und damit kam endlich der Wendepunkt.“ Hilfe fand sie bei Prof. Alexander Kreuter, Chefarzt der Dermatologie, Venerologie und Allergologie und Leiter des Hauttumorzentrums der Helios St.-Elisabeth-Klinik Oberhausen.

Viele Patientinnen kommen mit Verbrennungen aus den Solarien

„In der Dermatologie haben wir häufig mit Verbrennungen zu tun, die auf Solarien zurückzuführen sind“, berichtet der Dermatologe. Denn oft sei die Dosierung der Strahlung zu hoch eingestellt, es werde eine gefährliche Mischung aus UV-A- und UV-B-Licht eingesetzt oder Patienten trügen vor dem Sonnenbaden noch extra Körperöl auf, um die Bräunung zu intensivieren. „All das führt zu tiefgreifenden Hautschäden und erhöht nachweislich das Hautkrebsrisiko“, warnt Kreuter. Der Mediziner fordert nachdrücklich: „Solarien müssten in Deutschland genauso wie in den USA komplett verboten werden.“ Denn selbst bei den besten Geräten könnten die Betreiber nie einschätzen, mit welcher Strahlung sie ihre Kunden bombardieren.

Er erinnere sich noch gut an zwei junge Patientinnen: „Beide waren regelmäßig ins Solarium gegangen, beide sind an schwarzem Hautkrebs gestorben.“ Kreuter betont: Wer unter 35 Jahre alt sei und nur einmal im Monat unter die Sonnenbank gehe, verdoppele sein Risiko, später an einem Melanom zu erkranken.

Sie hat den weißen Hautkrebs und ihre Sucht besiegt

Inga Kegel hat den weißen Hautkrebs und die Sucht besiegt. Sie hat eine Verhaltenstherapie gemacht – und erfuhr dort, dass sie an Tanorexie litt, der sogenannten Solariensucht. „Ähnlich wie bei einer Magersucht ist die Selbstwahrnehmung dieser Patienten gestört“, erklärt Kreuter. „Viele Betroffene sehen sich als blass, obwohl ihre Haut bereits übermäßig gebräunt ist.“

Ähnliche Prozesse wie bei einer Alkoholsucht

Zwar fehlen noch Großstudien zur Tanorexie (Sonnenbank-Sucht). Aber die Deutsche Krebshilfe und die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP) starteten bereits 2013 eine permanente Aufklärungsaktion über „Hautkrebs durch UV-Strahlen“.

An der Universität von Texas untersuchten Forscher des Southwestern Medical Centers aber die Zusammenhänge zwischen regelmäßigen Solariumbesuchen und Suchtmechanismen. Dabei wurden im Gehirn ähnliche Prozesse nachgewiesen wie bei einer Alkohol- oder Zigarettensucht.

Laut Prof. Alexander Kreuter (Chefarzt der Dermatologie) ist die Anzahl der Hautkrebspatienten in der Helios St.-Elisabeth-Klinik Oberhausen in den Jahren 2007 bis 2017 um bis zu 90 Prozent gestiegen.

Inga Kegels Haut leidet noch immer unter den Folgeschäden. Alle drei Monate wird sie daher mit einer speziellen, genau dosierbaren, medizinischen Lichttherapie, Massagen und Bewegungstherapie behandelt. „Meine Haut ist extrem dünn und empfindlich“, sagt sie.

Um jungen Leuten ein ähnliches Schicksal zu ersparen, möchte sie in Schulen über ihre Sonnenbank-Sucht erzählen. „Zwar ist der Besuch von Solarien heute für junge Menschen unter 18 Jahren verboten, aber leider habe ich selbst erlebt, dass sich etliche Betreiber nicht daran halten.“ Schulen, die Kontakt zu ihr aufnehmen möchten, können dies unter der Rufnummer: 0208-43919475.