Oberhausen. Pioniere unter sich: Die St.-Antony-Hütte geht mit dem Chatbot „Antonia“ neue Wege in der Museumsführung – App funktioniert sogar auf dem Sofa.
„Guten Tag! Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Antonia.“ Über 250 Jahre ist sie alt. Als eine Institution bezeichnet sie sich selbst – und hat damit vollkommen recht. Denn Antonia, das ist die Verkörperung der „Wiege der Ruhrindustrie“ und begeistert ab sofort die Besucher der St.-Antony-Hütte Oberhausen mittels kostenloser Applikation (kurz: App) auf dem Smartphone oder Tablet. Das Pionierprojekt des LVR-Museums ergänzt seinen digitalen Museumsführer um einen Chatroboter – der auch vom heimischen Sofa aus prima funktioniert.
Zur Vorstellung von Antonia sind fast alle gekommen: die Geldgeber und Förderer von der Sparkasse, die Kuratoren um Hütten-Leiterin Kornelia Panek und Öffentlichkeitsarbeiterin Ingrid Trocka-Hülsken und der „Vater“ von Antonia, Entwickler Holger Simon von Pausanio. Der Software-Experte und Geschichtsprofessor streicht über sein Smartphone und deutet auf die erste Funktion der St.-Antony-App, die sechs Jahre alt ist. „Mon dieu!“ ertönt es aus dem Lautsprecher. „Das ist der digitale Hüttendirektor Gottlob Jacobi, den wir schon länger haben“, erklärt Holger Simon. Antonia, die nur zwei Klicks weiter chatten will, ist dafür brandneu.
Chatroboter Antonia plaudert über die Geschichte der St.-Antony-Hütte
Kornelia Panek kommt vor rund zwei Jahren auf die Idee, dem virtuellen Museumsführer, den ein Schauspieler auf Kamera-Kommando seit 2013 mimt, um einen Chatbot zu ergänzen. Beim Onlinekauf im Internet fragt sie sich: Wieso kein Frage-und-Antwort-Spiel fürs Museum anbieten? „Die technische Umsetzung mussten wir allerdings erst klären.“ Entwickler Holger Simon hebt den Daumen, doch das Geld fehlt – vorerst. Dank der großzügigen Hilfe des Fördervereins wird aus der Idee eine alte Dame, die jedem Besucher Rede und Antwort steht – egal, ob man im Museum oder zuhause sitzt. Beispiel gefällig?
„Was darf ich Ihnen erzählen?“, fragt Antonia, Comicfigur mit grauen Haaren und Brille, höflich. „Der Kokshochofen. Kommt sofort. Ich brauch da nur noch einen Moment….“ Und so erfährt der App-Nutzer alles, was Antonia über ihren alten Ofen weiß. Besser gesagt: All das Wissen der Kuratoren des Museums, sprudelt nur so aus der alten Dame heraus. Auf dem Bildschirm erscheinen Bilder und Texte wie aus dem wohl bekanntesten Nachrichtendienst „Whatsapp“ gewohnt. Insgesamt acht lange Geschichten hat Antonia derzeit zu ihrer eigenen Vergangenheit im Repertoire. Für Entwickler Holger Simon erst der Anfang.
Pionier seit 250 Jahren: Testgelände St. Antony
„Antonia wird ständig dazulernen, wenn die Kuratoren neue Geschichten schreiben. Zusätzlich wird sie von uns jährlich überprüft, denn die Oberflächen von Android und Apple ändern sich ständig.“ Viele Museen holen die digitale Entwicklung bezüglich „Augmented Reality“ (kurz: AR für erweiterte Realität) jetzt nach, die in der St.-Antony-Hütte bereits seit 2013 im Einsatz ist.
Kultur fürs Rheinland: Tausendsassa LVR
Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) arbeitet als Kommunalverband mit rund 19.000 Beschäftigten für die 9,7 Millionen Menschen im Rheinland. Mit seinen 41 Schulen, zehn Kliniken, 20 Museen und Kultureinrichtungen, drei heilpädagogischen Netzen, vier Jugendhilfeeinrichtungen und dem Landesjugendamt erfüllt er Aufgaben, die rheinlandweit wahrgenommen werden.
Der LVR ist Deutschlands größter Leistungsträger für Menschen mit Behinderungen und engagiert sich für Inklusion. 13 kreisfreie Städte und zwölf Kreise im Rheinland sowie die Städteregion Aachen sind Mitglied im LVR. Gewählte Mitglieder aus den rheinischen Kommunen gestalten in der Landschaftsversammlung die Arbeit des Verbandes.
Ähnliche Chatbots wie Antonia sind deutschlandweit aber noch sehr selten; und selbst für Software-Entwickler Holger Simon ist der Chatbot technisches Neuland. „So war es auch bei der AR-Einführung – wir testen einiges, was wir noch nie gemacht haben. Für moderne Wege hat man hier ein offenes Ohr.“
Antonia ist viel jünger, als ihr Aussehen es vermuten lässt
Die Schauplatzleiterin Kornelia Panek ist zurecht stolz auf Antonia – zumal sie es geschafft hat, die nötigen Mittel von 24.000 Euro zum großen Teil als Spenden aufzutreiben. „Wir haben mit der ersten Version der App gute Erfahrungen gemacht. Über die Erweiterung waren wir uns schnell einig und die Idee wurde auch schnell umgesetzt.“ Lediglich anderthalb Jahre vergehen bis zur fertigen Antonia.
Ein Charity-Event dient der Finanzierung, da die Herren von der Sparkasse selbst interessiert sind – womöglich, weil ein anderer Chatbot bald in der Bank helfen soll. Die „St.-Antony“-App wurde bisher über 500-mal heruntergeladen. Den echten Museumsführer solle Antonia jedoch keineswegs ersetzen, betont Kornelia Panek. Im Gegenteil. „Jeder kann unseren Schauspieler und die anderen Museumsführer buchen. Das können Familien sein oder Betriebe und Schulklassen. Wir freuen uns über jeden Besucher!“