Oberhausen. Zu viele kleine Kinder sprechen nicht genug Deutsch, um in der Schule gut mitzumachen. Oberhausen fordert, die Sprachförderung zu intensivieren.

Wenn zum Ende dieser Woche wieder über 7000 Oberhausener Kinder die Grundschulen entern, sind dabei auch über 43 Prozent junge Menschen aus Zuwanderer-Familien. Zählt man sogar alle Oberhausener unter 15 Jahren, kommt die Hälfte bereits aus Familien, die vor einer, zwei oder drei Generationen nach Deutschland eingewandert sind.

Über den Erfolg ihres schulischen und beruflichen Lebens entscheidet ihre deutsche Sprachkompetenz – doch genau daran hapert es nach der neuesten städtischen Statistik. 30 Prozent der im vergangenen Jahr eingeschulten 1838 Kinder benötigen sprachlichen Förderbedarf – damit redeten immerhin über 550 Kinder schlecht, kaum oder nur radebrechend Deutsch. Betroffen sind nicht nur Kinder aus Migrantenfamilien, sondern auch aus meist sozial schwachen und armen deutschsprachigen Familien. Mehrere Pisa-Studien zeigten auf, dass ein enger Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Sprachfähigkeit besteht.

Unterschiede zwischen Norden und Süden

Die Unterschiede zwischen dem Norden Oberhausens sowie der Mitte und dem Süden sind deutlich: Im Marienviertel-West, in Rothebusch, Sterkrade-Mitte und Lirich-Süd ist für über 37 Prozent der Kinder Deutsch eher wie eine Fremdsprache, im Norden sind es mit 25 Prozent deutlich weniger.

Die mangelhafte Deutschkenntnis kennen die Fachleute der Stadt so genau, weil bei der Schuleingangsuntersuchung und beim Anmeldegespräch an der Grundschule die Sprachfähigkeit besonders in den Blick genommen wird – um Deutsch-Nachhilfe rechtzeitig zu erteilen. Schon 2011 schrieben die Statistiker in ihrem Bildungsbericht: „In der wissenschaftlichen Diskussion ist man sich darüber einig, dass die Sprache Schlüssel zu einer erfolgreichen Bildungsbiographie ist.“

Je länger der Kita-Besuch, desto besser die Sprache

Verschiedene Studien zeigen auf, dass der Kindergartenbesuch einen positiven Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten von Kindern hat. Das ist nach Angaben des Bildungsberichtes 2011 auch in Oberhausen festzustellen: Zwei Drittel der Kinder, die weniger als zwölf Monate oder gar nicht eine Kita besucht haben, müssen zur Deutschförderung. Dagegen zeigen nur ein Drittel bis ein Viertel der Kinder Sprachdefizite, die mehr als zwei Jahre in einer Kita waren.

Zum Glück haben lediglich 1,1 Prozent der Schulanfänger in Oberhausen keine Kita besucht, nur weitere 1,3 Prozent weniger als zwölf Monate. Damals war aber auch festzustellen: Die Dauer des Kindergartenbesuchs von Kindern mit Migrationshintergrund lag fast fünf Monate niedriger als bei den deutschen Kindern.

Je eher man die Sprache fördert, desto größer der Erfolg: Deshalb wird in NRW seit 2007 bereits zwei Jahre vor der Einschulung die Sprachfähigkeit bewertet, danach ein Jahr vor der Einschulung bei der Grundschulanmeldung sowie direkt bei der Schuleingangsuntersuchung. Bei Defiziten erhält das Kind in der Kita zwei Jahre lang Deutsch-Förderung; sieht es mit der Sprache bei der Schulanmeldung immer noch schlecht aus, ist sogar ein vorschulischer Sprachkurs verpflichtend.

Grundschulen bemühen sich

In Oberhausen haben mehr als die Hälfte der 87 Kindertagesstätten zusätzliche besonders ausgebildete Kräfte erhalten und nennen sich deshalb „Sprach-Kitas“. Sie sollen die Nicht-Muttersprachler intensiv fördern – und sind vor allem in den Stadtvierteln mit einem hohen Anteil von Zuwandererkindern zu finden.

Dennoch mühen sich Grundschullehrer gerade in den ersten Klassen mit vielen schlecht Deutsch sprechenden Kindern ab. An der Landwehrschule etwa ist das Mobiliar oft ausgeschildert. „Der Tisch“ oder „Das Regal“ soll den Kindern helfen, den richtigen Artikel zu nutzen. Briefe an die Eltern werden besonders sprachsensibel formuliert, erklärt Konrektorin Tammy Rohde. Kurze Sätze, wichtige Dinge fett markiert, teils auch mit Farben hinterlegt.

Dezernent wünscht sich mehr Personal

Nicht nur CDU-Bundestagsfraktionsvize Carsten Linnemann findet, dass die bisherige Sprachförderung vor dem Schulstart der Kinder in Deutschland nicht ausreicht. Der neue Schuldezernent Jürgen Schmidt will die Sprachsituation an den Grundschulen genau in den Blick nehmen und plädiert für mehr Personal in den Schulen. Nicht nur das Land sei da in der Pflicht, sondern auch die Stadt Oberhausen – etwa beim Marketing. Die Stadt müsse Rahmenbedingungen so attraktiv gestalten, dass Lehrkräfte nicht nur gern nach Oberhausen kommen, sondern auch bleiben wollen.

Anteil der Kinder, deren Deutschkenntnisse gefördert werden müssen, nach Oberhausener Stadtteilen.
Anteil der Kinder, deren Deutschkenntnisse gefördert werden müssen, nach Oberhausener Stadtteilen. © funkegrafik nrw | Miriam Fischer

Entgegen der allgemeinen Meinung von Bürgern empfehlen Sprachexperten wie das Berliner Zentrum für allgemeine Sprachwissenschaften, dass Zuwanderer zunächst mit ihren Kindern in ihrer Herkunftssprache sprechen. Denn wenn Eltern selbst Deutsch nur schlecht beherrschen, übernehmen Kinder die grammatikalischen Fehler. Nach dieser These hilft es, wenn die Kinder erst ihre Muttersprache gut beherrschen, um dann richtig deutsch zu lernen – in der Kita oder in der Schule. Nach der Oberhausener Familienbefragung 2017 spricht man in 41 Prozent der Zuwandererfamilien eine andere Sprache als Deutsch, 2005 waren es sogar fast die Hälfte. 45 Prozent unterhielten sich 2017 nur auf deutsch, 14 Prozent überwiegend deutsch – insgesamt immerhin 51 Prozent.

Das Problem: In Stadtbezirken mit sehr vielen Kindern aus Familien mit einer anderen Muttersprache läuft der Spracherwerb nicht mehr so problemlos wie früher ab. Der Anteil der sechs- bis neunjährigen Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund beträgt in Tackenberg-Ost, Osterfeld-Mitte, Marienviertel-West, Lirich-Süd und in der Innenstadt zwischen 65 und 80 Prozent.