Oberhausen. Mit der Straßenbahn von Essen zum Centro – eine Nahverkehrs-Vision, die einfach nicht ruhen will. Das Projekt ist längst noch nicht vom Tisch.
Die Verlängerung der Straßenbahnline 105 genießt bei Stadt und Stoag hohe Priorität. Es werde geprüft, „ob und wie man die Verlängerung mit deutlich geringeren Kosten und ohne aufgeständerte Trasse hinbekommt“, erklärte Oberbürgermeister Daniel Schranz auf Anfrage unserer Zeitung. Beim Ratsbürgerentscheid im März 2015 habe die Mehrheit der Bürger gegen die Linie in ihrer damals geplanten Trassenführung gestimmt. „Diesem Votum fühle ich mich auch über die zweijährige Bindungsfrist hinaus verpflichtet“, ergänzt Schranz. Dies dürfe aber „kein Denkverbot bedeuten“. Es gelte, preisgünstigere Trassen zu prüfen. Das sieht auch Stoag-Chef Werner Overkamp so.
Immer wieder taucht sie in Gesprächen und Statements mit Politikern und Planern beiläufig auf: Die Verlängerung der Straßenbahnlinie 105 von Essen nach Oberhausen, mit 57 Prozent der Stimmen abgelehnt im Ratsbürgerentscheid 2015, gleichwohl stets virulent, wenn es um Visionen für den Oberhausener Nahverkehr der Zukunft geht.
Centro und Berliner Platz durchs Gleis verbunden
Auf Seite 62 des Nahverkehrsplans 2017 der Stadt Oberhausen sind Pro und Contra im Detail aufgeführt: Würde die Straßenbahnlinie 105, die bislang in Essen-Frintrop an der Haltestelle „Unterstraße“ endet, bis zum Centro verlängert, könnten auch publikumsträchtige Freizeit-Attraktionen wie Gasometer, Marina/Sealife und Aquapark für Besucher aus der Nachbarstadt viel besser mit dem öffentlichen Nahverkehr erreicht werden. In Gegenrichtung könnten die Oberhausener mit der Tram recht bequem in den Essener Westen und zum Berliner Platz gelangen.
Allerdings erwarten die Verkehrsplaner nach wie vor einen „hohen Aufwand durch den Trassenbau“, wie es im Nahverkehrsplan heißt. Zudem belaste die Ablehnung des damals auf immense 80 Millionen Euro taxierten Projekts beim Ratsbürgerentscheid vom 8. März 2015 das Vorhaben atmosphärisch. Der Nahverkehrsplan empfiehlt gleichwohl die Realisierung des Projekts, noch vor einer Verlängerung der Straßenbahnlinie 112 vom Sterkrader Neumarkt bis Schmachtendorf.
Bindungsfrist ist ausgelaufen
Die „Bindungsfrist“ des Ratsbürgerentscheids beträgt zwei Jahre, ist also bereits seit März 2017 ausgelaufen. Geprüft werden nun Alternativen zum teuren, aufgeständerten Streckenverlauf über das Brammenring-Gelände. Im Nahverkehrsplan 2017 ist eine Karte zu sehen, auf der zum Beispiel auch eine Route entlang der Essener Straße bis zur ÖPNV-Trasse skizziert ist - eine Variante, die deutlich preisgünstiger ausfallen würde als die Brammenring-Route.
Auf Nachfrage unterstreicht auch Stoag-Chef Werner Overkamp die Bedeutung der Linie 105: „Wir bedauern, dass sie Verlängerung der Linie 105 nicht realisiert worden ist. Die Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zur Förderung großer Bauvorhaben im städtischen Nahverkehr wurden noch einmal erhöht. Es stehen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung, um ein solches Infrastrukturprojekt mit hoher verkehrlicher Bedeutung bis zu 90 Prozent zu fördern.“
Das Vorhaben ist also nicht vom Tisch, was in Zeiten einer verschärften Klimaschutzdebatte und einer sich zuspitzenden Verkehrssituation am Centro auch verwunderlich wäre. Doch wann und wo genau die Straßenbahn aus Essen zur Neuen Mitte fährt, ist nach wie vor ungeklärt. Oberbürgermeister Schranz verweist auch auf die im Mai 2019 vom Rat beschlossene Erstellung des Masterplans Neue Mitte 4.0. Ein zentraler Bestandteil sei dabei ein übergeordnetes Verkehrskonzept, um der Weiterentwicklung von Centro und Stahlwerksgelände und den Verkehrsbelastungen Rechnung zu tragen. Ziel der Planung sei es, die Verkehrserschließung möglichst umweltgerecht und innovativ weiterzuentwickeln. Der Oberbürgermeister: „Deshalb werden in diesem Rahmen auch alternative Streckenvarianten für die Linie 105 geprüft.“