Oberhausen. Die neue Oberhausener Grünen-Spitze lässt sich vom Umfragehoch der Partei nicht blenden – bis zur Rats-/OB-Wahl 2020 kann noch viel passieren.

Die Grünen im Umfragehoch: Stärkste Kraft im Revier, Chance auf Oberbürgermeister-Posten, Ratsmehrheiten oder gar aufs Amt des Ministerpräsidenten von NRW?

Norbert Axt, seit Jahrzehnten bei den Grünen in Oberhausen aktiv, seit 2014 Ratsherr und nun seit Mai 2019 erstmals Co-Vorsitzender des hiesigen Grünen-Kreisverbandes, scheint dem Höhenflug seiner Partei – gut ein Jahr vor den NRW-Kommunal- und Oberbürgermeister-Wahlen – nicht ganz zu trauen.

Zu oft hat der 60-jährige Lehrer am Marxloher Gymnasium erlebt, wie die Grünen erst in Umfragen beliebter und beliebter wurden, dann aber kurz vor Wahlen durch Diskussionen um Fünf-Mark-pro-Liter-Benzinpreis, Fleischverbots-Tag in Kantinen oder chaotischen schulpolitischen Entscheidungen durch Schulministerin Sylvia Löhrmann die Ernte weder im Land noch im Bund einfahren konnten.

Ein Grüner als Oberbürgermeister von Oberhausen?

Ein Grüner als Oberbürgermeister von Oberhausen? Da ist Axt beim Besuch der Redaktion ganz vorsichtig: „Man weiß ja nicht, was bis zur Wahl passieren wird. Wenn wir allerdings noch die Stichwahl-Regelung in NRW hätten, hätten wir die Chance, in die Stichwahl zu kommen.“

Traditionell fliegen den Grünen in der einstigen Industrie- und Arbeiterstadt nicht die Herzen sehr vieler Wähler einfach so zu. Ihre Kernwählerschaft bringt hier gerade sechs bis acht Prozent auf die Waage, derzeit sitzen die Grünen nur mit fünf Parteimitgliedern im Rat. Axt geht aber davon aus, dass die Grünen künftig mehr Sitze im Rat erobern werden – „dann kann man die Arbeit auf mehr Schultern verteilen“. Genug Kandidaten für die 29 Wahlbezirke in der Stadt und für die Parteiliste brächten sie auf jeden Fall zusammen.

Die neuen Vorsitzenden der Oberhausener Grünen, Nobert Axt und Louisa Baumann, auf dem Saporishja-Platz in der Innenstadt.
Die neuen Vorsitzenden der Oberhausener Grünen, Nobert Axt und Louisa Baumann, auf dem Saporishja-Platz in der Innenstadt. © Funke FotoServices | Kerstin Bögeholz

Immerhin wollen die Grünen für 2020 überhaupt einen Oberbürgermeister-Kandidaten aufstellen – im Gegensatz zur OB-Wahl im Herbst 2015, als die Grünen (damals in der Ampelkoalition) den SPD-OB-Kandidaten Apostolos Tsalastras unterstützten. „Das war damals eine andere Situation und der SPD-Kandidat hat auch grüne Ziele vertreten.“

Die Grünen suchen eine Frau als Kandidatin

In erster Linie, um im Wahlkampf bei Veranstaltungen Gesicht zeigen zu können, wollen die Grünen mit einem eigenen Kandidaten werben – und treten gegen Amtsinhaber Daniel Schranz (CDU) an, 2015 klarer Sieger bei seiner zweiten Kandidatur ums höchste Amt der Stadt. Die Grünen suchen derzeit eine Frau als Kandidatin. „Dies ist bei den Grünen immer erste Wahl. Erst wenn man keine Frau gefunden hat, kann ein Mann zum Zuge kommen“, erläutert Axt. Nach seiner Einschätzung hat Schranz gute Chancen, wiedergewählt zu werden. „Er arbeitet gut, aber vieles von dem, was er eröffnet, stammt aus dem Dezernat von Sabine Lauxen (Grüne).“

Bisher hat sich jedenfalls noch keine Bürgerin zur Kandidatur bereiterklärt. Man sucht auch außerhalb von Oberhausen eine Frau, die sich im Ruhrgebiet auskennt. Damit ist der Kandidaten-Zug für Grünen-Ratsfraktionschef Andreas Blanke also noch nicht abgefahren – ihm sagt so mancher nach, Interesse auf die Wahlkampf-Tortur ums Amt des Stadtoberhaupts zu haben.

Grüne: Einschnitte ins Stoag-Busnetz ein Fehler

Grünen-Ratsherr und Parteivorsitzender Norbert Axt hat eingeräumt, dass die aus Spargründen vorgenommenen Einschnitte ins Stoag-Busnetz in der Vergangenheit ein Fehler waren. „Die damals zusammen mit der SPD getroffene Entscheidung war falsch. Wir hätten das Angebot an öffentlichen Nahverkehr in der Fläche erhalten sollen“, sagt Axt. Der Grüne unterstützt Initiativen, die ein Jahresticket für den Nahverkehr von einem Euro pro Tag fordern.

Axt hat den Eindruck, dass Diskussionen über den Klimawandel bisher nur geringe Verhaltensänderungen der Bürger bewirken. „Es gibt keine Flugscham. Die fliegen alle weiter in den Urlaub, die Flieger nach Malle sind voll. Denn die Flugpreise sind viel zu billig.“

Welchen Zuspruch die Grünen in den vergangenen Jahren erfahren, sieht man an der 23-jährigen Sozialarbeit-Studentin Louisa Baumann. Sie ist schon vor dem großen Hype um die Grünen, nämlich vor der Bundestagswahl 2017, in die Partei eingetreten. „Ich wollte mich politisch engagieren – wegen der entschiedenen Umweltpolitik der Grünen, aber auch, weil ich dem Rechtsruck in unserer Gesellschaft etwas entgegensetzen will.“

Schneller Aufstieg bei den Grünen

Baumann ist bereits nach einem Jahr als Beisitzerin im Oberhausener Grünen-Vorstand zur Vorsitzenden gewählt worden – ein zwar ehrenamtlicher unbezahlter Posten mit viel Arbeit, doch ein Zeichen, wie schnell man in diesen Zeiten bei den Grünen nach oben steigt. Will Louisa Baumann Berufspolitikerin werden, bei den guten Aussichten der Grünen auf Gestaltungschancen und den einen oder anderen Posten? „Das ist nicht mein Plan, aber man weiß ja nicht, was alles noch kommt.“

120 Mitglieder haben die Grünen mittlerweile, viele junge Leute strömen herbei – wegen Klimaschutz, Integration, Zuwanderung, Rechtsruck. Aber einfach ist der Umgang mit ihnen nicht. „Sie wollen oft gleich die große Politik machen und die Welt retten, hier vor Ort geht es aber kleinteilig zu“, meint Axt. Baumann schreckt dies nicht. „Politik bedeutet viele Diskussionen, viele Sitzungen, da hilft man der Welt nicht in einem Tag.“ Sie findet es schon spannend, im Lokalen vor Ort den Alltag von Menschen zu verbessern – Schritt für Schritt.