Oberhausen/Middlesbrough. Oberhausener Kulturdelegation war zu Besuch in der Partnerstadt. Der pro-europäische neue Bürgermeister macht Hoffnungen auf gemeinsame Projekte.

Die Bürger von Middlesbrough mögen mit großer Mehrheit für den Brexit und bei den Europawahlen auch für die radikalen „Brexiteers“ gestimmt haben. Doch ihre Stadtspitze sieht das entschieden anders. So konnte eine zehnköpfige Delegation aus dem Oberhausener Kulturdezernat unter der Leitung von Kulturdezernent Apostolos Tsalastras in der nordenglischen Partnerstadt vielfältige Formen kultureller Zusammenarbeit anbahnen.

Ein Banker und Philanthrop als parteiloser Bürgermeister

Begrüßt wurde die Gruppe von Bürgermeister Andy Preston, der am 2. Mai als parteiunabhängiger Kandidat mit 58 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister gewählt worden war – und damit in der jahrzehntelangen Labour-Hochburg doppelt so viele Stimmen geholt hatte wie Labour-Kandidat Mick Thompson. Andy Preston war selbst lange Mitglied der Labour-Partei, entfremdete sich aber von den lauen Europäern, als er sich vor dem Brexit-Referendum in der proeuropäischen „Britain Stronger in Europe“-Kampagne engagierte. Der 52-Jährige hat als Banker in London und New York Karriere gemacht und gründete 2011, wieder heimisch im Norden, die „Middlesbrough and Teesside Philanthropic Foundation“, um bei Unternehmen Mittel für wohltätige Zwecke einzuwerben. Im Gespräch mit Tsalastras sprach der Bürgermeister und Brexit-Gegner vom „vermeintlich bevorstehenden Brexit“. Die Städtepartnerschaft gewinne in einer solchen Situation weiter an Bedeutung.

Entschieden modern: Middlesbroughs Museum für Gegenwartskunst, kurz und zärtlich „Mima“ genannt.
Entschieden modern: Middlesbroughs Museum für Gegenwartskunst, kurz und zärtlich „Mima“ genannt. © Paul Hudson

Im Tandem besuchten die Oberhausener und ihre Gastgeber etliche Projekte und tauschten sich in ihren jeweiligen Fachgebieten aus. Volker Buchloh (Musikschule und Kulturbüro) lernte so die mit britischer Ironie benannten „Cobweb“ (Spinnweben)-Orchester kennen, in denen sich Laienmusiker treffen und gemeinschaftlich musizieren. Zudem sprach er mit Lorna Fulton, die das Programm in der frisch renovierten Town Hall verantwortet, traf in weiteren Terminen auf Ben Noble, Rebecca Johnson und Susan Robertson, mit denen er über verschiedene Aspekte der musikalischen Erziehung sprach.

Idee für gemeinsames Ausstellungsprojekt

Christine Vogt lernte als Direktorin der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen ihre Kollegin Laura Sillars vom Middlesbrough Institute of Modern Art kennen. „Mima“ eröffnete vor zwölf Jahren in Partnerschaft mit der Teesside University. Die Kollektion umfasst Werke vom schottischen Pop-Art-Erfinder Eduardo Paolozzi bis zu aktuellen Größen wie der stets provokanten Tracey Emin. Die im Vorjahr von Sheffield nach Middlesbrough gewechselte Laura Sillars machte Vogt gleich einen konkreten Vorschlag für ein gemeinsames Ausstellungsprojekt machte. In weiteren Gesprächen mit Vertretern des altehrwürdigen Dorman Museums und seinem Sammlungsbestand von naturhistorischen Schätzen bis zu Kunsthandwerk entstanden weitere Ideen für gemeinsame Aktivitäten. Diana Bengel von der Stadtbibliothek besuchte die prächtige Central Library mit ihren holzgetäfelten Lesesälen und Tonnengewölben und besprach dort die Möglichkeit von Praktika für Bibliotheksmitarbeiter.

Traditionsbewusst: die Anfang des 20. Jahrhunderts eröffnete Central Library mit ihrer noblen Innenausstattung.
Traditionsbewusst: die Anfang des 20. Jahrhunderts eröffnete Central Library mit ihrer noblen Innenausstattung. © Stinglehammer

Uwe Muth, der in Alt-Oberhausen Events und Kulturprojekte organisiert, traf auf seine englischen Kolleginnen und nahm einige Veranstaltungsideen mit, die auch in Oberhausen funktionieren können. Auf britischer Seite bestand höchstes Interesse daran, mehr über die Organisation von Weihnachtsmärkten zu erfahren. Erste Versuche hat es in Middlesbrough schon gegeben. Marc Grunenberg von der Jugendkunstschule traf Absprachen zu einem gemeinsamen Jugendkulturprojekt.

Holtappel-Fotos kehren zurück aus dem „Oberhausen Room“

Desbina Kallinikidou vom Büro für Interkultur verabredete mit ihrer Kollegin Julie Lewis einen Tausch: Middlesbrough überlässt bei der Umgestaltung des „Oberhausen Room“ im historischen Rathaus die älteren Fotos von Rudolf Holtappel, die jetzt dort zu sehen sind, den Oberhausenern gegen moderne Stadtansichten. Kulturdezernent Apostolos Tsalastras war hochzufrieden mit den Ergebnissen der Reise: „Das ist lebendige und dynamische Partnerschaft, die dem europäischen Geist verpflichtet ist.“