Oberhausen. Hunderte kamen zur Betriebsversammlung, 240 Stellen werden am Katholischen Klinikum gestrichen. Die Reaktionen der Mitarbeiter sind gespalten.

So voll waren die Kirchenbänke wohl schon lange nicht mehr. Die Heidekirche an der Osterfelder Hertastraße ist am Donnerstag Schauplatz einer entscheidenden Betriebsversammlung des Katholischen Klinikums Oberhausen (KKO).

Mehrere Hundert Mitarbeiter sind vor oder nach ihrer Schicht gekommen, um zu hören, was ihre neue Geschäftsleitung und der Betriebsrat zu sagen haben. Und vor allem, um zu erfahren, welche Sparmaßnahmen womöglich ihre eigenen Jobs in den drei Krankenhäusern St. Clemens-, St. Marien- und St. Josef-Hospital kosten wird.

Als die Uhr zehn schlägt, sind die Seitenstraßen längst zugeparkt. Vor der Kirche tummeln sich Krankenschwestern, Pflegekräfte, Techniker oder Büropersonal in Grüppchen. Eine junge Nachtschwester Mitte 20 aus dem St.-Clemens bringt die Stimmung auf den Punkt: „Ich habe keine Ahnung, was uns erwartet!“ Zwischen dem nervösen Smartphone-Kontrollblick und der Zigarette ergänzt sie mit mehr Hoffnung als Gewissheit in der Stimme: „Ich glaube aber, dass wir im St.-Clemens gut aufgestellt sind.“

Die Gerüchteküche im Katholischen Klinikum KKO brodelt

Glaube gehört dazu, schließlich weiß niemand, was die Führung gleich mitteilt. „Die Heidekirche haben die ja nur ausgewählt, weil keine Tomaten, sondern höchstens Hostien fliegen“, sagt ein Techniker in Arbeitskleidung scherzhaft. Galgenhumor? Auf einem Pkw-Anhänger auf dem Vorplatz steht: „Bindung macht stark.“

Das St.-Josef-Hospital an der Mülheimer Straße, einer der drei Krankenhaus-Standorte des Katholischen Klinikums Oberhausen (KKO), wird im Rahmen der Sanierung geschlossen. Die Psychiatrie zieht ins Osterfelder St.-Marien-Hospital um, die Neurologie ins Sterkrader St.-Clemens-Hospital.
Das St.-Josef-Hospital an der Mülheimer Straße, einer der drei Krankenhaus-Standorte des Katholischen Klinikums Oberhausen (KKO), wird im Rahmen der Sanierung geschlossen. Die Psychiatrie zieht ins Osterfelder St.-Marien-Hospital um, die Neurologie ins Sterkrader St.-Clemens-Hospital. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Doch die Gerüchteküche brodele intern in jedem Krankenhaus, erzählt eine ältere Dame um die 60. Egal was passiert: Sie sei zu alt für etwas Neues. Realistisch betrachtet wisse allerdings jeder ihrer Kollegen, was auf sie zukomme: „Das Personal ist immer der größte Posten – wo will man sonst sparen?“

Um Punkt 10.30 Uhr schließt sich die Kirchenpforte. „Nur für KKO-Mitglieder!“, heißt es vor dieser großen Tür schroff. Anderthalb Stunden später verlassen die ersten Menschen die Kirche wieder. Eine junge Frau mit schwarzen Haaren, Ende 20, stapft energisch die Treppenstufen hinab. „Die Reden da nur um den heißen Brei – ich verstehe das gar nicht.“

Eine weitere Frau, ähnlich alt, nur blond, folgt ihr. „Nee, finde ich nicht“, widerspricht sie ihrer Bekannten direkt. „240 Leute sollen ihren Job verlieren und unser St.-Josef machen sie in fünf bis sechs Monaten dicht.“

An der frischen Luft lassen viele KKO-Mitarbeiter Dampf ab

Manche wirken daher stark aufgewühlt, manche dagegen erstaunlich aufgeräumt, als sie nach draußen gehen. Aber der Ärger muss vielerorts erstmal raus: „Pfui“, „eine Schande“ oder „ein Desaster“ sind die ersten Reaktionen. Denn nun ist klar: Einige unter ihnen werden arbeitslos. Ein Herr in schwarzer Jeans und Karohemd, Ende 30, hält die Politik und die Stadt für die Situation verantwortlich.

Es sei pervers sich Menschen zu entledigen, nur weil die Zahlen nicht stimmten. Das Gesundheitssystem sei zudem auf Produktivität statt Qualität ausgelegt – und trotzdem leiste sich Deutschland eine der teuersten Krankenversorgungen der Welt. „Ich hoffe, dass dadurch die Richtigen gehen – die, die es sich bei uns seit Jahren viel zu bequem gemacht haben und nicht die, die ihre Arbeit gerne und gut machen!“

Ältere Krankenhausmitarbeiter erheben schwere Vorwürfe. So erzählt eine Frau Ende 50 von unmöglichen Zuständen; auch in Vorzeigekrankenhäusern wie „ihrem“ St. Clemens. „Ich arbeite seit 40 Jahren als Schwester, aber heutzutage ist es wichtiger, dass die Daten im Computer stehen, als dass der Patient gewaschen wird.“

Lage auf dem Pflegearbeitsmarkt

Im vergangenen Jahr waren laut Bundesagentur für Arbeit in Deutschland 1,6 Millionen Pflegekräfte in der Kranken- und Altenpflege sozialversicherungspflichtig beschäftigt und die Branche wächst. Die Pflegeberufe sind weiter eine Frauendomäne, denn ein Großteil (80/20) der Beschäftigten ist weiblich. Die Arbeitslosigkeit in der Kranken- und Altenpflege ist daher rückläufig.

Demgegenüber suchen vor allem Krankenhäuser verstärkt nach Fachkräften, obschon es bei den Hilfskräften mehr Arbeitslose als offene Stellen gibt. Bei gelernten Krankenpflegern besteht aber generell (mit Ausnahme von drei Bundesländern) eine Mangelsituation in Deutschland.

Von „scheiß Fallzahlen“ und „falschen Anreizen“ sprechen viele andere, deren Job immer mehr zur Leistungsüberforderung führe. Eine junge Frau aus dem St. Josef beschönigt ihre Gemütslage nicht – mit schiefem Lächeln und zusammengekniffenen Lippen presst sie nur ein „beschissen“ heraus.

Kein gutes Haar bleibt an der alten Geschäftsführung

Doch nicht alle sehen die Veränderungen ganz und gar negativ. Angesprochen auf die Kündigungen entgegnet ein Herr trocken: „War klar, dass nicht alle bleiben können – endlich passiert mal was.“ Danach folgt eine volle Breitseite: Die alte Geschäftsführung habe das KKO gegen die Wand gefahren, obwohl bei der Fusion der drei Krankenhäuser 2011 klar gewesen sei, dass modernisiert werden musste. „Die neuen Geschäftsführer haben in vier Wochen bereits mehr mit uns geredet, als der alte Vorstand in sieben Jahren – es kann also nur besser werden.“