Oberhausen. Die Neue Mitte in Oberhausen wächst und wächst. Nur bei der Lösung der Verkehrsprobleme gibt es kaum Fortschritte. Eine Analyse.
Autofahrer auf der Osterfelder oder der Essener Straße, aber auch auf der Konrad-Adenauer-Allee kennen es: Im Feierabendverkehr oder an Samstagen, erst recht vor Weihnachten, geht in der Neuen Mitte nichts mehr. Häufig reicht dann der Rückstau weit bis auf die A 42. Trotz dieser prekären Verkehrslage schreitet ihre Erweiterung munter voran. Gegen den Dauerstau wird dagegen nur zögerlich etwas getan.
Ursprünglich sollte die Verlängerung der Straßenbahnlinie 105 von Essen bis zum Centro Abhilfe schaffen. Aber eine Mehrheit der Wähler stimmte beim Bürgerentscheid 2015 bekanntlich dagegen.
Erst vier Jahre danach hat die Stadt vor kurzem einen neuen Generalplan für die Neue Mitte in Auftrag gegeben. Er wird erst 2023 vorliegen. Mit konkreten Projekten, die zur Entlastung beitragen, ist teilweise noch viel später zu rechnen.
Auto-Verkehrsanteil verringern
Dabei mahnten die beiden vorliegenden Verkehrsgutachten vom Düsseldorfer Büro Runge und vom Wülfrather Büro Keller zur Eile. Beide untersuchten die Folgen künftiger Erweiterungen.
Runge rechnete vor, dass sich das Verkehrsaufkommen auf der Osterfelder Straße im Jahre 2030 samstags auf bis zu 48.600 Fahrten erhöhen könnte. Heute sind es maximal 43.000 Fahrten.
Das Düsseldorfer Büro Runge untersuchte, wie es sich auswirkt, wenn in Zukunft der Sportartikel-Fachmarkt Decathlon im neuen Gewerbegebiet am Brammenring eröffnet. Das Büro Keller befasste sich mit dem jüngsten Ansiedlungswunsch, der Fitness-Dauermesse The Mirai zwischen Alte Walz und Essener Straße.
Sie sehen nur ein Ende der langen Staus, wenn es gelingt, wie im Centro mindestens zwei von zehn Besuchern ohne Pkw zu befördern. Dabei sind das keine ehrgeizigen Ziele. Stuttgart, Frankfurt und Hamburg peilen nur noch 25 Prozent Anteil für den Autoverkehr in der City an.
Wenn alles gut geht, könnte Decathlon im neuen Gewerbegebiet Brammenring 2021 eröffnen. Das würde vor allem samstags zum sprunghaften Verkehrsanstieg führen. Ein normaler Gewerbebetrieb würde dort, rechnete Runge vor, an einem Samstag zu ganzen 28 Fahrten mehr führen. Bei Decathlon aber wären es 2300. Den letzten Verkehrsschub hat die Osterfelder Straße 2018 mit der Ansiedlung des Möbeldiscounters Poco erlebt. Und der Übernächste steht schon in den Startlöchern: die Verlagerung von XXXL Rück.
70 Sekunden Wartezeit sind „mangelhaft“
Schon heute erzeugt der gesamte Brammenring an einem Spitzensamstag 14.400 Fahrten. Das Plus durch Decathlon allein, so der Gutachter, könnte die Osterfelder Straße aber verkraften.
Um die Probleme in den Griff zu kriegen, empfehlen die Düsseldorfer, bestimmte Ampelphasen zu verändern, meist ein paar Sekunden mehr für Linksabbieger, etwas weniger für Geradeausfahrer.
In Schulnoten ausgedrückt, ist der Verkehrsfluss für reine Geradeausfahrer heute auf Osterfelder und Essener Straße meist befriedigend, oft auch besser, liegt die Wartezeit auf „Grün“ bei 35 bis 50 Sekunden.
Der Abfluss von und der Zufluss in die Seitenstraßen sind das Problem. Da können es auch mal im Schnitt 70 Sekunden und mehr sein. Dieses „mangelhaft“ oder „ungenügend“ verhagelt der Neuen Mitte die Verkehrsbilanz.
Um das Warten beim Linksabbiegen aus dem Brammenring in die Osterfelder Straße zu verringern, würde es genügen, die dortige Geradeausspur auch für Linksabbieger freizugeben.
Damit Fußgänger die Linksabbieger nicht zusätzlich aufhalten, schlägt Runge den Bau einer Unterführung für sie vor. Als Hauptgrund für den Dauerstau auf der Osterfelder Straße hat der Gutachter den Osterfelder Tunnel ausgemacht. Vor dem Tunnel nach links in die Wittekindstraße, dafür steht nur eine Spur für zwei bis drei Pkw zur Verfügung, aus dem Tunnel nach links in die Arminstraße sogar nur eine Pkw-Länge.
Knackpunkt Tunnel Osterfeld
Ein oder zwei Linksabbieger mehr bewirken dort folglich schon, dass die Grüne Welle nicht klappt. Der Rückstau erstreckt sich oft bis in Höhe des Aquaparks.
Aber nach Auskunft der Deutschen Bahn AG ist mit einem verbreiterten Tunnel erst 2025 zu rechnen.
Ernüchtert stellte Runge denn auch fest, dass weder die zusätzliche Straßenbahn zum Centro gebaut wurde. Noch werde der Brammenring wenigstens mit Bussen angefahren.
Straßendreiecke sind belastet
Die Verkehrsprognose für Decathlon und die übrigen künftigen Ansiedlungen im Osten der Neuen Mitte wurde für jeden Knotenpunkt durchgeführt. Das ermittelte Verkehrsaufkommen bezieht sich auf die jeweiligen Spitzenstunden.
Und danach ist werktags zwischen 7 und 8 Uhr früh in der Bahnunterführung in Osterfeld in Fahrtrichtung Centro mit fast 100 Fahrten mehr zu rechnen, mit 16 statt wie heute 14 Fahrten pro Minute.
Zusammen mit den Autofahrern, die von der A 42 aus Richtung Bottrop dazu kommen, acht Fahrten pro Minute statt heute sieben, ergibt sich auf der Osterfelder Straße in Fahrtrichtung Süden vor der Autobahnausfahrt aus Richtung Kamp-Lintfort ein Aufkommen von 1191 statt 1045 Fahrten in der Spitzenstunde (oder von 20 statt 17 pro Minute), ein Zuwachs um 14 Prozent.
Da hier samstags der Berufsverkehr entfällt, sind es in der Spitzenstunde von 14 bis 15 Uhr im Tunnel neun statt acht Fahrten pro Minute, also vergleichsweise wenig.
Dagegen sind zur gleichen Zeit in Gegenrichtung, also aus Richtung Süden, schon 21 statt 19 Autos pro Minute unterwegs, um entweder in Richtung Osterfeld durch den Tunnel zu fahren oder davor auf die A 42 Richtung Kamp-Lintfort: ein Zuwachs um ebenfalls rund 14 Prozent.
Viel stärker sind die Zuwächse im Dreieck aus Essener und Osterfelder Straße, vor allem werktags von 7 bis 8 Uhr früh. Dann werden laut Prognose 50 Prozent mehr Autos von der Essener in die Osterfelder Straße fahren, 249 statt 166 in der Stunde.
Aus der östlichen Essener Straße nach rechts in die Osterfelder Straße werden dann 716 statt 480 Autos unterwegs sein, über 49 Prozent mehr oder zwölf statt heute acht pro Minute.
Der gemeinsame Verkehr auf der Essener Straße in Richtung Westen erhöht sich in der Spitzenstunde um über 23 Prozent von 1016 auf 1254 Fahrten.