Oberhausen. Die Buchhandlung in Schmachtendorf feiert am 27. Juli ihr zehnjähriges Bestehen. Lars Baumann hat mit Sinn für Qualität seine „Nische“ gefunden.
„Buchhandel würde ich immer wieder machen“, sagt Lars Baumann voller Überzeugung. Diesem Buchhändler ist nicht bange vor Leserschwund – und vor der vielzitierten Online-Konkurrenz schon gar nicht. Vor zehn Jahren wagte der heute 51-Jährige den Sprung in die Selbstständigkeit, erwarb die insolvente „Schmachtendorfer Buchhandlung“. Für die „Zweitbuch“-Handlung steht in dieser Woche also ein Jubiläum an: 150 persönliche Einladungen verschickte Baumann an Stammkunden und Kollegen, um allen „Danke“ zu sagen.
Geehrt mit dem Deutschen Buchhandlungspreis
Und eine stolze Neuigkeit kann er seinen Gästen auch verkünden: Die „Zweitbuch“-Handlung, hat der Chef gerade erfahren, zählt als „ausgezeichneter Ort der Kultur“ zu den Geehrten des Deutschen Buchhandlungspreises. Kulturstaatsministerin Monika Grütters wird am 2. Oktober in Rostock auch das „Zweitbuch“-Engagement mit einem – je nach Kategorie – vier- oder fünfstelligen Betrag prämieren.
Draußen staubt die Baustelle. Zwar lässt die Sparkasse ihre Immobilie an der Schmachtendorfer Straße 155 gerade aufwendig herrichten – doch drinnen in der Buchhandlung mit dem Understatement-Namen herrscht das gediegene Flair geradezu britischer Gelassenheit: Das gilt für den großen Tisch mit Neuerscheinungen, für die Leseecke mit elegant gestreiften Polstern plus weißer Kamineinfassung. „Ich will mein Geschäft nicht überfrachten“, betont Lars Baumann. 2500 stets präsente Titel verteilen sich geradezu anmutig in dieser Wohnzimmer-Atmosphäre.
Langes Training bei einem „echten Spezialisten“
Die vor zehn Jahren übernommene Buchhandlung war allerdings auf ganz andere Weise „nostalgisch“: Nicht wegen ausdrucksvoller Literatenporträts von Joseph Conrad bis Jack Kerouac – sondern wegen einer völlig unzeitgemäßen technischen Ausstattung. Diese „buchhändlerische Steinzeit“ ohne Homepage und Online-Recherche, nennt Baumann „ein bisschen drollig – aber sehr leichtsinnig“.
Der gebürtige Duisburger hatte seine eigene Findigkeit als „Bücherdetektiv“ 19 Jahre bei einem „echten Spezialisten“ trainieren können: bei einer der wenigen Universitätsbuchhandlungen, spezialisiert auf Fachliteratur aus dem Ausland.
Als sich ihm in Schmachtendorf die Chance bot, „das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen“, war die wichtigste Frage für den gelernten Kaufmann: „Wo möchte ich meine Nische finden?“ Der Aufstieg der Filialisten wie Thalia und Baedeker war 2009 offensichtlich – das immer mehr von Bestsellern monopolisierte Angebot auch. Doch kleinere Verlage werden von den Buchhandelsketten durchweg ignoriert.
Delikate Offerten würzen Bestseller-Kost
Lars Baumann wollte als erklärter „Literaturfreund“ gegensteuern: „Wir würzen das Bestseller-Angebot“ – und zwar mit den delikaten Offerten aus Häusern namens Cass, Lilienfeld oder Mandelbaum. Die Hand des Buchhändlers weist auf den Tisch der Neuerscheinungen, greift zwischen Titeln so bekannter Verlage wie Rowohlt und Diogenes („die schätzen wir total“) zu einem Ariadne-Band: „Tolle Wirtschaftskrimis!“
Bei der Stammkundschaft – in Schmachtendorf und darüber hinaus – kommt dieses Faible für die vernachlässigten Kleinen gut an. „Es hat mir viele Leser gewonnen“. Bei „Zweitbuch“ gibt’s in erster Linie Belletristik statt Sachbücher oder Ratgeber. Und auch dank seiner Ehefrau, die als Verlagsvertreterin jährlich über 400 Buchhandlungen besucht, kennt Lars Baumann die Trends der Branche ganz genau. „Wir wollen keine Verflachung“. Stolz verweist er auf seine „entferntesten“ Stammkunden: Sie reisen mehrmals jährlich zum Bücher-Großeinkauf aus Schweden und Finnland nach Schmachtendorf.
Vor fünf Jahren ist „Zweitbuch“ aus der Dudelerstraße in sein heutiges Domizil umgezogen, in eine für Baumann deutlich ansprechendere Umgebung aus Fachgeschäften – und noch etwas näher an die Gesamtschule. So habe er schon „viele Schüler durchs Abi begleitet“ und freute sich, dass sich einige für die Tipps zum guten Buch bedankten. „Man ist ja nicht nur Händler.“
Lesungen sind fast immer ausverkauft
Im Umzugsjahr 2014 fand „Zweitbuch“ große Resonanz mit seiner „Lieblingsbuch“-Fotogalerie: Sie zeigte Leser aller Generationen – und einen Hund – mit ihrer Lieblingslektüre. Im bald elften Jahr will der „Zweitbuch“-Händler noch größer durchstarten: Das Team an der Schmachtendorfer Straße 155 soll sich bis zum Herbst auf drei Buchhändler und zwei Aushilfen vergrößern. „Wir haben viele Pläne in der Schublade“, sagt Lars Baumann. Vor allem möchte er das Programm der Lesungen ausweiten. Räumt man den großen Tisch beiseite, bietet das Wohnzimmer-Ambiente Platz für 30 Gäste. Und, fast logisch bei diesem Flair und dem Händchen fürs gute Buch: „Wir waren bisher fast immer ausverkauft.“