Oberhausen. Sie gelten als der Mühlstein am Hals der SPD, die Hartz-Reformen unter Gerhard Schröder. Die SPD Osterfeld diskutierte jetzt über ihre Ablösung.
Mit einem Fünf-Punkte-Programm will die SPD die 15 Jahre alten, umstrittenen Hartz-IV-Reformen ablösen. Der Ortsverein Osterfeld hatte am Mittwoch zur Diskussion darüber eingeladen.
Als Referenten standen im Gemeindezentrum der Apostelkirche an der Dorstener Straße die Duisburger SPD-Landtagsabgeordnete Sarah Phillip und DGB-Regionsgeschäftsführer Dieter Hillebrand, bereit. Rund 25 Personen hörten zu.
Sarah Phillip stellte die Reform der Reform vor: So will die SPD den Bezug des Arbeitslosengeldes von 24 auf 33 Monate ausdehnen und für Arbeitslose, die eine Fortbildung machen, weiter verlängern oder aufstocken. Dieter Hillebrand sah viel Übereinstimmung mit den Forderungen des DGB. „Das heutige System hält eher von Fortbildung ab.“ Der Hartz-IV-Absturz lasse sich dadurch bislang nicht aufhalten.
Bürgergeld statt Hartz IV?
Nach den weiteren Vorstellungen der Bundes-SPD wird das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) durch ein Bürgergeld ersetzt, auf das Ersparnisse oder Vermögen zunächst nicht angerechnet werden. Auch sollen Bestrafungen für Fehlverhalten von Beziehern weitgehend abgeschafft werden. „Das größte Dilemma an Hartz IV ist die Gleichbehandlung von Älteren und Jüngeren“, betonte Sarah Phillip.
Das gehört alles zu den Hartz-Reformen
Die umstrittenen Hartz-Reformen wurden unter der rot-grünen Bundesregierung in den Jahren 2002 und 2003 umgesetzt. Dazu gehören: Erleichterung der Zeitarbeit (Hartz I), Einrichtung von Mini-Jobs, Ich-AGs und Jobcenter (Hartz II), Umgestaltung der Bundesanstalt für Arbeit zur Bundesagentur für Arbeit (Hartz III), Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bei verkürzter Bezugsdauer von Arbeitslosengeld (Hartz IV).
Befürworter der Reformen führen den deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit, die Zunahme der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der deutschen Exporte sowie die Gesundung der öffentlichen Haushalte darauf zurück.
Gegner kritisieren die Entstehung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft auf dem Arbeitsmarkt mit einer dauerhaft von Transferleistungen abhängigen Bevölkerungsschicht sowie die Bestrafung von Arbeitslosen. Für sie rütteln die Reformen an den Fundamenten des Sozialstaates. Sie führen auch den Aufstieg von AfD und Linkspartei darauf zurück.
Einig war sich die Versammlung, dass Sanktionen gegen Hartz IV-Bezieher eingestellt werden sollen. „Wer vom Existenzminimum lebt, dem sollte man nicht noch etwas wegkürzen“, sagte Oberhausens Juso-Vorsitzender Gianni Virgallita. Es gab aber auch eine Stimme, die für diesen Fall den massenhaften Missbrauch durch Zuwanderer vorhersagte. Andere Redner plädierten dafür, das Thema Flüchtlinge damit nicht zu vermengen. „Wir hätten die Probleme unseres Hartz-IV-Systems auch ohne die Flüchtlinge“, sagte DGB-Mann Hillebrand.
Die SPD will außerdem öffentliche Aufträge nur noch an Firmen vergeben, die Tariflöhne bezahlen. „Das verstößt aber gegen europäisches Recht“, warf ein Zuhörer ein. „Dann muss eben auf europäischer Ebene darüber verhandelt werden“, erwiderte Sarah Phillip.
Mindestlohn auf zwölf Euro
Gleichzeitig soll der Mindestlohn auf zwölf Euro angehoben werden. Die Duisburgerin erinnerte daran, dass die Horrorszenarien, wie stark die Arbeitslosigkeit durch einen Mindestlohn ansteigen würde, nicht eingetreten sind. Jetzt sei es Zeit, ihn deutlich über das Existenzminimum anzuheben. Thorsten Kamps, Vorsitzender des Ortsvereins, forderte, dabei auch an die derzeit schlechte Bezahlung von Leiharbeitern zu denken.
Einfache Kindergrundsicherung statt Kindergeld
Zahlreiche Unterstützungszahlungen von Bund und Ländern für Kinder wie das Kindergeld sollen als Kindergrundsicherung einfacher verwaltet werden. Das soll, so Sarah Phillips, dazu führen, dass Kinder unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern auch kostspieligeren Freizeitbeschäftigungen nachgehen können. „Jedes fünfte Kind ist heute von Armut betroffen“, erklärte sie. Helga Grothe, Vize-Vorsitzende des Ortsvereins, wusste zu berichten, wie verwirrend die verschiedenen Bezugsquellen für die Betroffenen seien und wie diskriminierend, diese Hilfen in Anspruch zu nehmen.
SPD will Recht auf Teilzeitarbeit durchsetzen
Nach Vorstellung der SPD sollen flexiblere Formen der Arbeit gestärkt werden, so durch ein Recht auf Teilzeitarbeit. Da war die Rede von Lebens-Arbeitszeit-Konten. Aber der DGB-Vertreter gab zu bedenken, wie sie beim Wechsel des Arbeitsplatzes mitgenommen werden könnten. Das ginge nur über eine krisenfeste öffentliche Ausgleichskasse.
Ein junger Mann forderte ein Recht darauf, als Arbeitnehmer auch einmal nicht telefonisch erreichbar sein zu dürfen. Und SPD-Ratsfraktionschef Wolfgang Große Brömer gab zu bedenken, wie schwer es in der Stadtverwaltung sei, für das Arbeiten von zu Hause aus (Home Office) eine Regelung zu treffen.
Rentenbeiträge auch von kleinen Selbstständigen
Kleine Selbstständige sollen überdies leichter gesetzlich rentenversichert werden. „Am Ende ihres Lebens steht für viele von ihnen der Bezug von Sozialhilfe“, warnte Hillebrand.