Oberhausen. Oberhausener spielen das Musical „Hairspray“ im Sophie-Scholl-Gymnasium. Wer R&B aus den Sixties und Einsatz von heute mixt, erntet Beifall.
Baltimore, 1962: Kennedy lebt. Elvis rockt, Martin Luther King träumt und Rosa Parks ist, gemessen an der relativen Zeitspanne, gerade erst aus dem Bus bugsiert worden. Mancher Besucher und ganz sicher keiner der Darsteller des Musicals „Hairspray“ am Sterkrader Sophie-Scholl-Gymnasium war zu diesem Zeitpunkt geboren — und gleichwohl schaffen es die blutjungen Schauspieler von zwölf bis 20 Jahren, dem Zuschauer ein Gefühl von Gerechtigkeit und heiler Welt ins Herz zu singen und zu tanzen. Zweimal haben „Rhythm and Blues“-Fans jetzt noch die Chance, das Musical-Projekt vier verschiedener Schulen Oberhausens zu genießen.
Die Show vergeht daher ungefähr so schnell, wie derzeit das leckere Eis in der Waffel schmilzt. Doch zurück zur Geschichte: Tracy, klein, dick, aber mit Courage und Beharrlichkeit ausgestattet (Stichwort: Kommunistengöre), will im Baltimore von 1962 unbedingt Tänzerin in der „Corny Collins Show“ werden. Madeline Hartmann überzeugt in der Rolle der Tracy allerdings weniger mit Tanzeinlagen, als mit gefühlvoll und wunderbar gesungenen Songs, die ins Deutsche übersetzt keinen Deut weniger Charme versprühen als das englische Original.
Happy-End mit Gesellschaftskritik
Dass Tracy es am Ende natürlich zum Star schafft, versteht sich im Hollywood-Happy-End-Kino von selbst. Obwohl Original-Regisseur John Waters vor seinem Film „Hairspray“ (1988) eher für Ekel stand und als Grenzgänger des guten Geschmacks bei Kritikern galt, fasziniert das Musical bis heute, auch weil es Klischees bedient („Der Preis ist weiß“) und Rassisten direkt beim Namen nennt.
Beispiel gefällig? Tracys Widersacherin, Amber von Tussle (Greta Overmeier), will selbst Star der Tanzshow sein und mag sich partout nicht mit Schwarzen (für sie: „Neger“) oder Dicken anfreunden. Schlagfertig hält ihr Tracy den Spiegel vor, damit sind die Fronten gleich zu Beginn geklärt: „Amber, du hast Pickel auf der Seele.“
Musical für kleines Geld
„Hairspray“ in der deutschen Fassung von Jörn Ingersen (Dialoge ) und Heiko Wohlgemuth (Lieder) wird noch zweimal gespielt: Sonntag, 30. Juni, und Montag, 1. Juli, jeweils um 19 Uhr in der Aula des Sophie-Scholl-Gymnasiums an der Tirpitzstraße 41.
Der Einlass beginnt ab 18.30 Uhr — die Karte kostet 9 Euro pro Person und ist an der Abendkasse erhältlich. Achtung: Die hinteren Reihen haben weniger Beinfreiheit und sind steil.
Zu loben und zu erwähnen ist bei dem Stück der rund 80 beteiligten Schüler eigentlich niemand — aber halt! Das liegt vor allem daran, dass der Besucher sich kaum entscheiden mag, was nun mehr begeistert: Der helle und groovige 18 Frauen starke Chor, das Schauspieler-Ensemble mit „Metronom-Theater“-Flair oder etwa doch das Orchester unter Leitung von Sebastian Hartung; welches in zwölffacher Besetzung gerade bei den funkigen Nummern sogar „Motown“ in die Ohren träufelt. Musikleiter Sebastian Hartung (28) sieht’s ähnlich: „Manche haben vor dem Stück noch nie gesungen oder getanzt — was in sechs Monaten entstanden ist, ist schon Wahnsinn.“
Er und Regisseur Michel Hartwig sind die Macher der Shows: seit 2011 führen sie kreative Schüler jährlich zu Glanzleistungen. 2016 war es „Aida“, 2017 „Natürlich blond“ und im vergangenen Jahr das nachdenkliche Stück „Next to Normal“. Im Juli gehen die Gesangsbücher und Noten für „Haispray“ leider bereits zurück zum Urheber, denn die Rechte am Stück sind dann aufgebraucht. Doch die letzte Nummer bei „Hairspray“ kann man wörtlich nehmen: „You can’t stop the beat.“ Bravo — diese Show darf gerne ewig weitergehen.