Oberhausen. Erst diskutiert, dann getestet: Schüler des Sophie-Scholl-Gymnasiums können bald nach China reisen, weil die Lehrer vom Austausch überzeugt sind.
Einen Tag Anreise, über 9000 Kilometer Luftlinie, Reisestrapazen und Thrombosestrümpfe: Nichts hielt die Lehrer des Sophie-Scholl-Gymnasiums in Oberhausen-Sterkrade auf der Jagd nach einer Antwort auf diese Frage ab. „Sollen unsere Schüler auf eine chinesische Highschool gehen und können sie problemlos das Land bereisen?“, fragte das Lehrerteam um Schulleiter Holger Schmenk sich vor dem Abflug nach Quanzhou.
Auf dem Rückweg im Rucksack: die Entscheidung. Die ersten Schüler vom Sophie-Scholl-Gymnasium fliegen 2020 gen China und kurz darauf sollen die Chinesen das Gymnasium und Oberhausen besuchen. Sie alle erwartet dann eine ganz andere Welt.
„Hairspray“ und die Seidenstraße
Schüler spielen Musical: „Hairspray“ läuft vom 18. Juni bis zum 1. Juli (immer 19 Uhr) in der Aula des Sophie-Scholl-Gymnasiums. Mehr als 80 Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Oberhausener Schulen von 12 bis 21 Jahren sind beteiligt — gemeinsam interpretieren sie die Geschichte der übergewichtigen Tracy, die in den 1960er Jahren in Baltimore aufwächst und unbedingt in einer Tanzshow auftreten will. Karten kosten 9 Euro und können per Mail an hairsprayTickets@gmx.de reserviert werden.
Quanzhou besaß laut Wikipedia während der Yuan-Dynastie einen der bedeutendsten Häfen der Welt. Unter dem Namen Zaytoun wurde von dort Seide in den arabischen Raum exportiert und der Name der Stadt wurde im Arabischen zum Begriff für Seide mit Atlasbindung. Als „Satin“ gelangte der Begriff übers Spanische und Französische ins Deutsche.
„Man fühlt sich manchmal etwas hilflos“, sagt Holger Schmenk. Google und dessen Navigator-Dienst Maps funktioniert in Quanzhou nämlich nicht, weil die chinesische Regierung gerne und viel zensiert. Anderthalb Flugstunden von Hongkong entfernt sei die Verständigung oder das Schilderlesen ohne Chinesisch-Kenntnisse nahezu unmöglich, pflichtet ihm Kunstlehrerin Erna Mahmutagic (35) bei.
Trotzdem werden einige Schüler des „Sophie“ nächstes Jahr nach China fliegen und dort für ein paar Tage zur Schule gehen. „Weil der Ort so viel zu bieten hat“, schwärmt der Schulleiter von der chinesischen Millionen-Metropole, die gegenüber der Insel Taiwan liegt.
Du bist, was du lernst
Buddistische Tempel, Gastfreundschaft und die Kultur sei die Reise nach Fernost allein schon wert. Was China für das Lehrerteam aus dem fernen Deutschland dazu besonders macht und eine eindrückliche Erfahrung für Schüler aus Oberhausen sein könnte: Dass Leistung stets belohnt wird und Lernen alles, wirklich alles ist. In der Partnerschule Highschool No. 7 sind deshalb über 8000 Schüler und 500 Lehrer täglich darum bemüht, möglichst viel zu büffeln.
„Die Kinder sind von morgens um 6 Uhr bis spät in den Abend in der Schule. Und danach lernen sie selbstständig zu Hause bis 23 Uhr weiter — an sechs Tagen in der Woche“, zeigt Koordinatorin Frauke Fender (29) sich drei Wochen nach der Rückkehr tief beeindruckt über den chinesischen Lebensstil, der anscheinend aus Fleiß, Fleiß und Fleiß besteht.
Systemkritik finde selten statt, weiß ihr Chef Holger Schmenk. Nur in Ausnahmefällen wurde offen über Missstände geredet, das spielte auch bei den Plänen zum Austausch eine Rolle. „Deshalb wollten wir uns vorher ein Bild machen, ob unsere Schüler hier sicher und vernünftig leben können.“ Der Schulalltag indes sei zum Beispiel nur dosiert genießbar. „Keiner wird bis zum Abend in die Schule müssen“, erklärt Frauke Fender. „Aber die Gastfreundschaft, die Organisation: das war alles sehr beeindruckend.“
Lehrer erhalten auch Noten
In China sei der Lehrer ganz klar der Chef in der Klasse. 40 bis 50 Schüler lauschen, was der Pädagoge vorne erzählt. „Für uns eher Standard aus den 1950er und 1960er Jahren“, betont der Schulleiter.
Doch die schulischen Leistungen sind wichtig, gute Schüler werden sogar aus den ländlichen Provinzen abgeworben, Ruhmeshallen voll mit Bildern der besten Schüler sind normal. Und auch die Lehrer profitieren vom Fleißgedanken der Kaderschmiede, erzählt Holger Schmenk. „Die Schüler bewerten die Lehrer mehrfach. Wer gut abschneidet, bekommt mehr Zulagen und damit mehr Geld vom Staat.“