Oberhausen. . Mehr als nur ein Gebrauchtwarenverkauf auf 1500 Quadratmetern: Der „Fairkauf“ gibt jungen Menschen eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt.
Bunte Ballons, Girlanden überall, die Geburtstagstorte fällt keineswegs zu üppig aus – und dann eine ganze Festwoche zum Jubiläum. Nun gut, mit 15 kann man schließlich schon in größeren Dimensionen denken. Das dachten sich die Betreiber der Kurbel aber bereits, als sie von einer überschaubar dimensionierten Garage an der Hasenstraße mit ihrem Angebot in die Oberhausener Innenstadt zogen und das größte soziale Kaufhaus der Stadt gründeten. Seither gehört das Sozialkaufhaus „Fairkauf“ zu den Ladengeschäften auf der Marktstraße mit Bestand. Und erweist sich daneben als Leuchtturmprojekt, welches jungen Menschen einen Weg in die Arbeitswelt ermöglicht.
So wie bei Verkaufs-Azubi Justin Schmitt (21). Der ist in der Jubiläumswoche sichtlich in Feierstimmung, doch angesichts der Tatsache, dass er bald gehen muss, mischt sich auch ein bisschen Wehmut dazu. Er erzählt indes eine Erfolgsgeschichte, von denen das Kaufhaus so einige schreiben kann: Nach einmal Probearbeiten bei Edeka, kam er so gut an, dass er bald als Verkäufer im Markt an der Mellinghofer Straße anfangen darf. „Ich freue mich darüber total, will hier aber eigentlich gar nicht weg. Man ist zu einer kleinen Familie geworden“, sagt Justin über seine Ausbildungsstätte, mit der er durchweg zufrieden ist.
Gebrauchtwaren auf 1500 Quadratmetern
Denn im Fairkauf gibt es auf 1500 Quadratmetern über zwei Etagen nicht nur gebrauchte und wieder aufbereitete Möbel, Elektrogeräte, Bilder, Bücher und Deko-Artikel zu günstigen Preisen für jedermann zu erwerben, das Sozialkaufhaus ist vielmehr ein veritabler Ausbildungsbetrieb. Durch den Warenverkauf werden Integrationsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt für Jugendliche finanziert. Als „außerbetriebliche Einrichtung“, wie es offiziell heißt, ermöglicht der Fairkauf in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter damit eine anerkannte Berufsausbildung im kaufmännischen Bereich, gerade für all diejenigen, die Schwierigkeiten auf dem klassischen Wege im deutschen Ausbildungssystem haben.
„Unser Ziel ist es jungen Menschen, Menschen mit Behinderung und Langzeitarbeitslosen eine Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen“, sagt Frank Janßen von der Kurbel. „Das versuchen wir über eine Arbeit zu erreichen, die sinnerfüllend ist, und eine Perspektive bietet. Und das ist in dieser Form einzigartig in Oberhausen.“
Derzeit 21 junge Menschen in der Ausbildung
21 Auszubildende zwischen 18 und 27 Jahren lassen sich derzeit im Bereich Verkauf und Einzelhandel ausbilden. „Besonders viele alleinerziehende Mütter absolvieren eine Teil-Zeit-Ausbildung bei uns“, weiß Ausbildungsleiterin Sophie Kaspers. 30 Stunden arbeiten diese in der Woche, können ihre Ausbildung aber ebenso nach drei Jahren abschließen. „Wir haben eine Flexibilität, die andere Ausbildungsbetriebe nicht unbedingt haben.“ Das sei laut Sophie Kaspers auch nötig, zumal viele junge Leute aufgenommen würden, die ein schwieriges Sozialverhalten zeigen und besonderen Betreuungsbedarf mit sich bringen. „Wir haben Jugendliche bei uns, die haben Jahre lang nicht die Schule besucht und kennen keinen geregelten Tagesablauf“, so Kaspers. Deshalb gehören auch Pädagogen zum knapp zwanzigköpfigen Mitarbeiterstab im Sozialkaufhaus.
Ausbildungsbetrieb seit 2011
Das Sozialkaufhaus Fairkauf ist eine hundertprozentige gemeinnützige Tochter der Kurbel (Kath. Jugendwerk Oberhausen). Seit 2011 bietet die Einrichtung jungen Menschen eine Ausbildung zum Verkäufer*in im Einzelhandel. 2013 kam die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann/frau hinzu.
In Zusammenarbeit mit dem Jobcenter wird die Ausbildung als „Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE)“ durchgeführt. Zur Ausbildung gehören neben der Arbeit in dem Gebrauchtwarenkaufhaus auch weitere Betriebspraktika.
Vermittlungsquoten von 70 Prozent
Für die „Kurbel“ hat sich das Angebot zum Erfolgsmodell entwickelt. „Wir haben heute Vermittlungsquoten von über 70 Prozent“, berichtet Frank Janßen. Die meisten Jugendlichen finden Jobs in Oberhausen oder in den Nachbarstädten Mülheim und Duisburg. „Wir wussten damals nicht, ob sich das Angebot trägt“, blickt Kurbel-Geschäftsführer Ulrich Klein zurück. Vor 15 Jahren folgte man Beispielen aus Freiburg und Hannover, die über den Gebrauchtmöbelverkauf versuchten, Menschen in prekären Lebenssituationen zu helfen. Das Modell wurde kopiert und erweitert und bewährte sich schließlich in einer Zeit unterschiedlichster und ständig wechselnder Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung in Deutschland. Aktuell finanziert sich die Einrichtung nahezu selbst. „Jeder Cent der hier verdient wird, wird wieder in die Ausbildung investiert“, so Ulrich Klein. „Wir zahlen sogar drauf.“ Mittlerweile habe man ein Limit erreicht, wo an weitere Expansion mit Blick auf die kommenden Jahre nicht mehr zu denken sei. „Vor allem der Mietpreis drückt schon sehr stark auf die Kosten“, gibt Klein offen zu. Derzeit befinde man sich in Gesprächen mit den Vermietern.