Oberhausen. Das Oberhausener Wahlergebnis fällt durch hohe Wählerwanderungen so erstaunlich anders als früher aus, dass selbst Parteikenner überrascht sind.

Ein paar Salzstangen, ein paar Gläser Wein – so spartanisch feiern die Oberhausener Grünen in ihrem Parteibüro am Saporishja-Platz ein Ergebnis, mit dem sie trotz der trendigen „Fridays-for-Future“-Stimmung, für die Erde mehr zu tun, nicht gerechnet haben: Sie erzielten bei der Europawahl in Oberhausen mit ihrer Kernkompetenz Umweltpolitik ein für sie stadtweit historisches Ergebnis – und übertreffen ihr bisher bestes Resultat bei der Europawahl 2004 von gut elf Prozent deutlich. „Unsere Arbeit für den Klimaschutz, die moderne Mobilität und eine tolerante Gesellschaft haben sich auszahlt“, werten die Grünen. Bestes Ergebnis: Holten mit 27,5 Prozent!

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Keine traditionellen Wahlpartys

Dagegen müssen die einst so großen Oberhausener Parteien, die SPD und die CDU, ihre Wunden lecken. Die Sozialdemokraten, vor fünf Jahren noch bei recht guten 40 Prozent gelandet, können nur noch unter 25 Prozent der Oberhausener Wähler von sich begeistern. Bisher herrschte bei den SPD-Mitgliedern in Oberhausen schon Grabesstimmung, wenn die 40 nicht vor dem Komma stand. Schließlich stellt die SPD wie selbstverständlich seit 55 Jahren die stärkste Fraktion im Oberhausener Rat. Jetzt ist sogar die 30 weg – zumindest bei der Europawahl.

Ahnungsvoll hatte die Partei erst gar nicht zur traditionellen Wahlparty ins Rathaus eingeladen; nur die Jusos entschlossen sich spontan, in der Oberhausener Parteizentrale gemeinsam zu trauern.

Verfolgten die Hochrechnungen für ganz Deutschland auf dem Fernseher: Die Oberhausener Christdemokraten trafen sich im Gartenhaus ihres Parteichefs Wilhelm Hausmann.
Verfolgten die Hochrechnungen für ganz Deutschland auf dem Fernseher: Die Oberhausener Christdemokraten trafen sich im Gartenhaus ihres Parteichefs Wilhelm Hausmann. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Aber auch die CDU lud vorausschauend nur einen kleinen Trupp in den Garten des CDU-Vorsitzenden Wilhelm Hausmann ein – sie kommt auch nur auf ein Mager-Ergebnis.

AfD festigt ihr Ergebnis

Die AfD wiederum taucht zwar in Oberhausen kommunalpolitisch nicht auf, sie kann hier aber offensichtlich auf eine ziemlich hohe Zahl an Wählern zählen. Diese Stammwählerschaft hat sich mit gut zwölf Prozent verfestigt – auf ein ähnliches Ergebnis kam die AfD auch bei der Bundestagswahl 2017.

Nur der allgemeine Deutschland-Trend?

SPD und CDU erklären sich ihr Abschneiden mit dem allgemeinen Deutschland-Trend – dies sei kein Ergebnis der Oberhausener Politik. Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Wolfgang Große Brömer muss die SPD aber in den AfD-Hochburgen mehr Präsenz zeigen. Nach der Bundestagswahl 2017 habe man dies nicht getan – obwohl die AfD schon damals in Wahlkreisen wie Lirich-Nord viele Stimmen holte. SPD-Chef Dirk Vöpel verlangt: „Ärmel hochkrempeln und ran an den Bürger. Früher haben wir Nicht-Wähler achselzuckend zur Kenntnis genommen. Das war ein großer Fehler.“ Die Nicht-Wähler von damals seien die AfD-Wähler von heute.

CDU-Chef Wilhelm Hausmann tröstet sich: „Wir haben nicht mehr verloren als die Union im Bund.“