Essen ist im Bus nicht erlaubt: Weil aber eine Familie wegen Zuckerwatte nicht aussteigen wollte, stand die Linie 90 still. Die meisten Fahrgäste haben aber trotzdem Verständnis für die Stoag.

Eigentlich ist die Sache doch so klar wie Zitronenbrause: Mit der vollen Schale Currywurst, Pommes-Mayo und Co. auf der Hand, steigt man nicht in den Bus. Und die durchgeschüttelte Cola lässt man besser ungeöffnet. Auch zur Weihnachtszeit. Darauf weisen schon die bunten Piktogramme an den Bussen und Haltestellen der Stoag hin.

Eine junge Familie störte dies am Sonntagabend auf ihrem Weg vom Centro nach Sterkrade offenbar wenig: Mit Zuckerwatte in der Hand stieg sie in die Linie 90 und setzte sich nach hinten. „Die Busfahrerin kam daraufhin und bat darum, die Watte entweder einzupacken oder den Bus zu verlassen”, wie WAZ-Leser Norbert B. beobachtete. Ihr Chef dulde die Zuckerwatte nicht, erklärte sie. Doch die Familie weigerte sich. Nach Rücksprache mit der Leitstelle stellte die Fahrerin den Motor ab und forderte noch einmal auf, die Watte einzupacken oder sie müsse leider die Polizei verständigen. Vergeblich.

Eine Viertelstunde gestanden

„So standen wir eine Viertelstunde auf der Trasse”, ärgert sich Norbert B. über die Sturheit. Hinter ihnen stauten sich allmählich die nachkommenden Busse. Die Anschlüsse hatten er und die übrigen Passagiere damit verpasst. Von der Polizei fehlte jede Spur und erledigt hatte sich die Sache schließlich naturgemäß – die wolkige Süßigkeit war im Kreis der Familie bewältigt worden.

„Geben Sie Gas, wir sind spät dran”, habe man der Fahrerin noch zugerufen und gedroht, man wolle sich über sie beschweren. Auch am Bahnhof Sterkrade, wo die Passagiere ausstiegen, trafen die angekündigten Freunde und Helfer nicht ein. „Man hat sie regelrecht im Regen stehen lassen”, stellt sich Norbert B. auf die Seite der Stoag-Dame, dabei habe sie nur freundlich getan, wozu der Arbeitgeber sie verpflichtet hatte. „Nach dem Ärger wird sie wohl künftig weggucken”, vermutet er.

„Die Fahrerin hat sich richtig verhalten”, bestätigt Sabine Müller, Pressesprecherin der Stadwerke Oberhausen (Stoag). „Sie hat den Fahrgästen Alternativen aufgezeigt und die Leitstelle informiert.” Eis, Pommes Frites, Zuckerwatte und offene Getränke dürfen nicht in den Bus mitgenommen werden, betont Müller. Das Verbot mache Sinn, „um das Fahrzeug, aber auch die Passagiere zu schützen.” Allerdings: Eine Meldung an die Polizei sei, nach Erkenntnis der Pressesprecherin, nicht gegangen.

Nicht höchste Priorität

Auch bei der Polizei kenne man den konkreten Vorfall nicht, sagt Pressesprecher Axel Deitermann. Generell sei die Durchsetzung des Verbots auch Sache der Stoag. „Eine rechtliche Unterstützung gehört sicherlich zu unseren Aufgaben, von der Wichtigkeit hätte ein solcher Einsatz aber sicherlich nicht die höchste Priorität.” Im Klartext: Zunächst würden die Beamten schwerwiegendere Einsätze bearbeiten, kämen aber anschließend auch, wenn es um den Verzehr von Zuckerwatte, Pommes und Co. in Bussen und Bahnen geht.

Schlimmes zu befürchten hätten die „Übeltäter” bei einem solchen Einsatz aber höchstwahrscheinlich nicht. Ein Bußgeld oder andere Sanktionen wären laut Deitermann nicht fällig. „Wenn dann müsste die Stoag Anzeige erstatten und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das in so einem Fall tut.”

Verständnis für die Stoag

Die meisten Fahrgäste haben Verständnis dafür, dass die Stoag das Essen und Trinken in ihren Fahrzeugen verbietet. „Ich will ja auch nicht, dass irgendjemand in meinen Auto isst”, sagt Regina Gördes. Sie hatte zudem bereits das Problem, dass ein anderer Fahrgast mit seinem Eis ihre Jacke bekleckert hat. „Daher finde ich das Verbot gut.” Auch Jugendliche begrüßen das Vorgehen der Stoag. Cihan (15), Sahin (15) und Savi (17) sind der Meinung, die Busfahrerin habe sich richtig verhalten. Essen im Bus sei „unzivilisiert”. Thomas Haller dagegen appelliert an das Fingerspitzengefühl der Fahrer. „Wer gerade den letzten Bissen seiner Bratwurst in der Hand hat, sollte mitfahren dürfen.”

PRO & CONTRA

Pro: Wer immer mal wieder Kaugummis von seinen Klamotten gebügelt hat oder sich zuhause vorwerfen lassen muss, in vollem Ornat im Rathaus-Grill in der Currysauce gebadet zu haben, der fährt regelmäßig Bus und Bahn. Der Lolli zwischen Zahnspangen ist doch nicht das Problem, aber Zuckerwatte in den Haaren finde ich uncool, und auf Zehenspitzen durch leere Fast-Food-Tüten zu tippeln ist auch alles andere als affengeil. In den eigenen vier Wänden mögen schlechte Tischmanieren ja in sein, im Bus sind sie zum K. . . Wenn etwa nach Kirmesbesuch und Busfahrt die Jacke wie eine Menükarte aussieht, dann ist „Essen auf Rädern” gründlich missverstanden worden. Nulldiät im Bus! (Micheal Schmitz)

Contra: Himmlisch wolkig-weiche Zuckerwatte, knackig-rote Paradiesäpfel, gebrannte Macadamianüsse, Pommes frites mit richtig dick Mayo: Wie gemütlich, wenn man das im Bus verputzen darf. Fensterkino pur. Die Landschaft rauscht vorbei, die Nüsse wandern in den Bauch. Und widme ich meine ganze Konzentration meinem krümmeligen Morgen-Croissant, brauche ich mich um Schuppen in der Haarpracht meines Vordermannes nicht zu scheren. Und der Pommes-Duft überlagert den des oftmals fehlenden Deos bei Fahrgästen angenehm. Und fährt der Busfahrer so sanft an, dass keine Sauce aus der Schale spritzt, kippt auch keine Seniorin um, die sich nicht schnell genug setzen konnte. (Andrea Micke)