Oberhausen. . In der Oberhausener Wohnung einer siebenköpfigen Familie herrschen unhaltbare Zustände. Mieterschützer spricht vom Geschäft mit der Wohnungsnot.
Seit sechs Jahren lebt Suzana Tair (34) mit ihren sechs Kindern in dem Osterfelder Sechs-Familien-Haus Vestische Straße 20. Dabei spottet das Haus jeder Beschreibung. Die Haustür steht tagsüber offen. Ihre Wohnungstür schließt nicht. Der Abstieg zum Keller im Treppenhaus ist zugemauert. Und in Tairs Wohnung fallen die Tapeten von den feuchten Wänden. Dahinter steht der Schimmel.
„Aber ich bekomme keine andere Wohnung“, sagt die alleinerziehende Mutter. Die Familie lebt von Sozialhilfe. „Wer will schon eine Mutter mit sechs Kindern?“, fragt sie. Dabei will sie unbedingt raus aus diesem Haus, fürchtet um die Gesundheit ihrer Sprösslinge.
Fließendes Wasser in der Küche hat sie schon lange nicht mehr. Wenn man den Hahn öffnet, drohen Überschwemmungen, da wohl die Abwasserleitung verstopft ist. Frisches Wasser holt sie sich deshalb aus dem Bad. Dort klappt die Spüle der Toilette nicht mehr. Man muss ins Spülgehäuse greifen, um den Mechanismus zu betätigen.
Seitdem ihr Ex-Mann die Wohnungstür einmal eingetreten hat, lässt sie sich nicht mehr verschließen. Suzana Tair verbarrikadiert sich nachts mit Hilfe von Brettern, die sie auf dem Boden verkeilt. In der Tür zum Kinderzimmer fehlt die Glasscheibe. Ein Vorhang ersetzt sie. Und im Wohnzimmer, wo es auch offene Steckdosen-Löcher gibt, ist eine Scheibe des Fensters notdürftig mit Klebeband geflickt.
An der Grenze zur Schrottimmobilie
Die Redaktion bat Peter Heß vom Mieterschutzbund, sich dort mal anzuschauen. Für Heß befindet sich das Haus an der Grenze zur Schrottimmobilie. Mindestens eine erhebliche Mietminderung sei hier angesagt, erklärt er.
Allerdings hat Suzana Tair auf die Schnelle ihre Unterlagen nicht zur Hand. Dass der Keller mit den Absperrungen der Gas- und Wasserleitungen nicht mehr zugänglich ist, hält Heß für skandalös. „Ein erhebliches Sicherheitsrisiko“, sagt er. Nach Angaben der Mieterin ist der Keller wegen der Ratten, von denen sich die Bewohner belästigt fühlen, zugemauert worden. „Aber das kann ja erst nach dem letzten Ablesen der Gasuhr geschehen sein“, sagt Peter Heß. Sonst hätte es beanstandet werden müssen.
Immens hohe Heizkosten
680 Euro ohne Heizkosten zahlt das Jobcenter monatlich für diese Wohnung an die Vermieterin. Zwar kennt Tair die Handy-Nummer dieser Frau. Aber telefonisch erreichbar ist sie nicht. Sie muss abwarten, bis sie sie mal auf der Straße trifft. An den Zuständen in Haus und Wohnung aber ändere sich ohnehin nichts, berichtet sie.
Peter Heß nimmt vor allem an den enormen Heizkosten Anstoß. Tair lüftet viel, damit es in der Wohnung nicht nach Schimmel riecht. Auf 400 Euro monatlich beläuft sich die monatliche Abschlagszahlung dafür nach ihren Angaben. Kein Wunder, denn der Heizkörper im Wohnzimmer lässt sich gar nicht regulieren. Folglich wird bei laufender Heizung gelüftet.
Peter Heß ist schleierhaft, wie die Osterfelderin mit sieben Personen an eine viel zu kleine Drei-Zimmer-Wohnung von 75 Quadratmetern Größe gekommen ist. Das Vier-Bett-Zimmer bei ihr wirkt wie eine Notunterkunft. „Ihr stehen mindestens vier Zimmer und 100 Quadratmeter zu.“
Ob die Zustände ausreichen, um das Haus für unbewohnbar zu erklären, kann der Mieterschützer nicht sagen. Er kennt die Kriterien dafür im Einzelnen nicht. „Der zugemauerte Keller ist auf jeden Fall ein Grund, sofort einzuschreiten.“
Für die Redaktion war die Vermieterin trotz mehrmaliger Versuche für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Mieterschützer: Jobcenter kontrolliert zu wenig
Peter Heß vom Mieterschutzbund will im Fall der Wohnung von Suzana Tair ohne nähere Kenntnis der Hintergründe den Stab über das Jobcenter nicht brechen. Dort sei das Personal knapp und in ständigem Wechsel, die Aufgaben dagegen sehr vielfältig. „Es wird nur noch kontrolliert, ob die zulässigen Obergrenzen und Gesamtbeträge eingehalten werden“, sagt er.
Solange Mieter sich gegenüber allen Beteiligten, vor allem gegenüber den Behörden, nicht schriftlich äußern würden, sei es zudem leicht, ihre Probleme zu ignorieren.
Ratenzahlungen für Heizkosten
Löblich sei aber, dass die Energieversorgung Oberhausen AG (EVO) es eingerichtet hätte, dass Suzana Tair die hohen aufgelaufenen Heizkosten nachträglich in Raten abbezahlen kann. „Sonst wäre ihr das Gas längst abgestellt“, sagt er.
Der Mieterschützer bezweifelt stark, ob es für die Mieter an der Vestischen Straße 20 überhaupt eine Abrechnung ihrer Vermieterin über die Nebenkosten gibt. Das aber wäre für das Jobcenter eigentlich ein Grund, die Vorauszahlungen einzustellen.
Geschäfte mit der Wohnungsnot
„Wenn wir nicht so einen Wohnraummangel hätten, könnten nicht solche Geschäfte mit der Wohnungsnot gemacht werden“, sagt Heß. Solchen Vermietern gehöre eigentlich das Recht entzogen, Wohnungen zu vermieten. Zum Glück handele es sich um einen Ausnahmefall.