Oberhausen. In der Zwischenkriegszeit veränderte sich die Warenwelt des Alltags rasant. Das LVR-Industriemuseum zeigt dies in einer neuen Ausstellung.

Der Fön in der heutigen „Revolverform“ mutet an, als käme er aus den 70er-Jahren, ist aber tatsächlich eine Entwicklung aus den 20ern. Und der elegante Wohnzimmerschrank, 1936 gefertigt in den Deutschen Werkstätten in Dresden-Hellerau, nimmt in Funktionalität und Formensprache so manches Ikea-Möbel von heute vorweg.

Welche Innovationskraft im Industriedesign der Zwischenkriegszeit steckt und welch prägenden Einfluss das Staatliche Bauhaus auf die moderne Warenwelt hatte, zeigt das LVR-Museum jetzt im Peter-Behrens-Bau in der Ausstellung „nützlich & schön – Produktdesign von 1920 bis 1940“.

500 Exponate aus der Alltagswelt

Projektleiter Michael Gaigalat und sein Team haben in knapp acht Monaten 500 Exponate industriell gefertigter Alltagsgegenstände zusammengestellt, welche die damals neuen sachlichen Formen des Bauhaus’ aufgreifen. Aber es geht nicht allein um Optik, sondern auch um den Stoff, der die Formen trägt.

Durch Druck und Hitze entsteht in zwei Minuten ein Aschenbecher aus Bakelit, demonstriert von Volker Toebe an einer Original-Presse.
Durch Druck und Hitze entsteht in zwei Minuten ein Aschenbecher aus Bakelit, demonstriert von Volker Toebe an einer Original-Presse. © Michael Dahlke

In den 20ern werden neue Materialien wie PVC, Plexiglas und Nylon entdeckt – und Kunststoffe wie Bakelit (Phenoplast) oder der von Krupp beworbene rostfreie Nirosta-Stahl erleben in dieser Zeit ihren Durchbruch. „Die Zwischenkriegszeit war eine Zeit des Umbruchs, geprägt von Rationalisierung, hoher Geschwindigkeit, neuen Konsummöglichkeiten, neuen Freiheiten, neuer Freizeit“, sagt Michael Gaigalat. „Die Idee des Bauhaus’ bestand darin, mit Industriedesign den Lebensstandard für alle zu heben, in dem man moderne Produktionsmittel einsetzte.“

Kern der Ausstellung bilden deshalb auch die fünf Stationen im Mittelgang. Sie nehmen Materialien und Werkstoffe in den Blick – von Kunstfasern bis hin zu Aluminium. Links und rechts davon zeigen zwei Schaufenstersituationen eben jene Alltagsbereiche (Wohnen, Arbeiten, Haushalten, Reisen, Vergnügen), in welche die innovativen Produkte vorgedrungen sind.

Dabei ist neben profanen Alu-Töpfen von WMF, Kunststoff-Besteck und

Auch die städtische Industrie ging mit der Zeit: Press-Glas-Geschirr der Oberhausener Glasfabrik.
Auch die städtische Industrie ging mit der Zeit: Press-Glas-Geschirr der Oberhausener Glasfabrik. © Michael Dahlke

Pumps mit Acrylabsätzen auch der weltbekannte vom Gropius-Gefährten Marcel Breuer 1925 entworfene Stahlrohrsessel „Wassily“ im Original zu bestaunen. Nicht nur im Vermächtnis der zahlreichen Krupp’schen Exponate (z.B. der Olympia-Fackelhalter von 1936) spiegeln sich hier Bezüge zu Rhein und Ruhr. Auch Oberhausen ist mit seinem zeittypischen Pressglas-Geschirr der Oberhausener Glasfabrik vertreten.

Stücke zum Anfassen

Wie leicht sich so ein wuchtiger Aluträger anfühlt, oder welchen eigentümlichen Geruch mancher Kunststoff der damaligen Zeit entwickelt, kann man in einem separaten Bereich erleben.

Am Ende staunt man nicht schlecht, wie viel Bauhaus noch heute in unserem Alltag steckt.

>>>>INFO: Die Ausstellung läuft bis Februar 2020

Das LVR-Industriemuseum Oberhausen zeigt die Ausstellung „nützlich & schön – Produktdesign von 1920 bis 1940“ vom 19. Mai 2019 bis zum 23. Februar 2020 im Peter-Behrens-Bau an der Essener Straße. „Nützlich & schön“ ist Teil des Bauhaus-Jubiläums in NRW. „100 jahre Bauhaus im Westen“ ist ein Projekt des NRW-Ministeriums für Kultur und Wissenschaft und der Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe.