Die Bilanz der Oberhausener Kokobe kann sich nach nur fünf Jahren sehen lassen: 580 Menschen mit geistiger Behinderung nehmen die Angebote der Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsstelle an der Marktstraße 13 in Anspruch – vier Mal soviel wie noch zur Gründung.

Kokobe hilft ihnen, selbstbestimmt wohnen und die häufig stationäre Unterbringung verlassen zu können.

Der Erfolg ist da und die Träger der Einrichtung – Caritas, Lebenshilfe und Alsbachtal – feierten das Jubiläum am Freitagmittag gebührend. Allerdings nicht ohne massive Kritik an der vom Land aufgedrängten Dezentralisierung und der Faustformel „ambulant vor stationär” zu äußern. Das Problem formuliert Caritasdirektor Werner Groß-Mühlenbruch so: „Man redet politisch den stationären Bedarf runter und macht Druck, Plätze abzubauen.” Von 45 baute die Caritas daher sieben ab. Gleichzeitig stellte der Landesverband Rheinland – der den Bedarf in den Kommunen bestimmt – fest, dass Oberhausen etwa zwölf zusätzliche Plätze benötigt.

Diese bringt nun ein „großer Träger aus Mönchengladbach hierhin”, wie auch der Vorsitzende der Lebenshilfe Jürgen Fischer bestätigt. Die Konkurrenz dank Dezentralisierung führt zu Spannungen mit dem LVR – „wo findet die kontinuierliche Bedarfsplanung statt?”, wirft Groß-Mühlenbruch diesem vor. Dabei haben sich gerade die Oberhausener Träger in Sachen Kokobe ganz nach Auflage des Landesverbands vernetzt, wie auch LVR-Mann Reiner Limbach lobt: „Es ist ein Leuchtturm-Projekt.” Besonders die Zentralität der Kokobe – mitten in der Stadt – zeige, dass man die Integration von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft ernst nehme.

Mit 105 000 Euro im Jahr finanziert der Verband die Personalkosten für die Einrichtung. Die drei Träger haben in fünf Jahren je 50 000 Euro für Miete und Sachkosten beigesteuert. Zu den Mitarbeitern zählt auch Stephanie Franken, Sozialarbeiterin und seit fünf Jahren eine von vier Halbtagskräften, die in der Kokobe beraten. „Das Hauptproblem der Menschen ist, dass ihnen die Umwelt zu wenig zutraut”, sagt die 43-Jährige, sei es beim eigenständigen Wohnen, in der Wahl der Partner oder selbst bei der Elternschaft.

Zum Behinderten wird man gemacht, das fängt mit dem (notwendigen) Antrag an. Manchmal, deutet Franken an, haben Eltern auch finanzielle Gründe, warum sie den Menschen nicht loslassen wollen. „Wir fragen die Klienten daher als erstes, wie sie leben wollen”, beschreibt Franken den Wechsel in der Sicht auf Behinderungen. Das rosarote Schloss am Meer – wie es eine Dame sich gewünscht hat – konnte sie zwar nicht erfüllen, „aber sie bekam wenigstens ein rosa gestrichenes Zimmer mit einem Bild vom Meer.”

Kommentar

Es wurde Zeit für den Blickwechsel auf Menschen mit Behinderung: Sie wollen selbstbestimmt leben. Es ist kein leichter Schritt, sich gegen vorurteilsbehaftete Widerstände aus der Gesellschaft und der eigenen Familie zu behaupten. Die Kokobe leistet hier wichtige integrative Pionierarbeit. Sie ist aber auch ein Leuchtturm für die Kooperation von Wohlfahrtsverbänden, die sich leider noch häufig als Konkurrenten verstehen. Das klamme Oberhausen braucht jedoch soziale Einrichtungen, die harmonieren. Dass das Land über den Kommunalverband LVR die Konkurrenzsituation auf dem Markt sozialer Einrichtungen verschärft, ist kontraproduktiv. Dezentralisierung schön und gut – die Bündelung von Kräften täte Oberhausen aber besser.