Weniger kann mehr sein. Die WAZ bittet ihre Leser um Hinweise auf unnötige, unsinnige und den Verkehr gefährdende Schilder im Stadtgebiet.

„Welch ein Unsinn!” Eine WAZ-Leserin, die namentlich nicht genannt werden möchte, ärgert sich am Lesertelefon über die Flut an neuen Vorfahrt- und Vorfahrt-gewähren-Verkehrszeichen auf der Herzogstraße in Klosterhardt. „Die Situation ist doch eindeutig, an den Einmündungen sind die Bordsteine nur abgesenkt und nicht aufgehoben.”

Der Schilderwald an der Herzogstraße in Oberhausen. Foto: Gerd Wallhorn
Der Schilderwald an der Herzogstraße in Oberhausen. Foto: Gerd Wallhorn © WAZ FotoPool

20 Millionen Verkehrsschilder stehen dem ADAC zufolge an Deutschlands Straßen, im Durchschnitt alle 28 Meter eines. Hinzu kommen Wegweiser, Vorwegweiser, Schilder für Einkaufszentren, Herbergen und Parkleitsysteme. Nicht wenige Verkehrsteilnehmer verlieren im Schilderwald die Übersicht, was durchaus gefährlich werden kann. Zum einen überfordert die Informationsflut das Gehirn, zum anderen sinkt die Akzeptanz für die Verkehrsschilder.

Die Nachbarstadt Mülheim nimmt zurzeit an einem Modellprojekt des Verkehrsministeriums teil: „Simply City” soll die Mobilität in unseren Städten einfacher und sicherer machen. In der ersten Stufe werden überflüssige Schilder verhüllt, im zweiten abgebaut. Es geht vor allen Dingen um Gefahr-, Vorschrift- oder Richtzeichen, die etwas vorschreiben, was ohnehin gilt oder die keinen Sinn machen. Wie an der Herzogstraße.

„13 000 bis 14 000 Schilder gibt es in Oberhausen”, sagt Stadtsprecher Rainer Suhr. Schätzungsweise 200 000 Euro gibt die Stadt pro Jahr für die Pflege des Schilderwaldes aus. „Wir sind grundsätzlich bemüht”, so Suhr, „die Zahl der Schilder so gering wie möglich zu halten.” Im Arbeitskreis Verkehrssicherheit, dem auch Vertreter von Stoag und Polizei angehören, sei das Thema ein Dauerbrenner. „2008 haben wir im Zuge der Tempo-30-Zonen-Ausweisung rund 300 Schilder ausgemistet.”

Streng reglementiert sei auch die Werbung im öffentlichen Raum. „Schilder, die nicht berechtigt sind, werden von Amts wegen entfernt”, sagt Suhr. Das geschehe schnell und unbürokratisch, „um Nachahmereffekte nicht zu provozieren.” Erlaubt und für die Stadt äußerst lukrativ sind die offiziellen Werbetafeln, die die Firma Ströer überall in Oberhausen aufgestellt hat. 190 000 Euro kassiert die Stadt dafür jedes Jahr.

Und 7,50 Euro pro „Zuckerstange”, dem aktuellen Weihnachtsschmuck an den Straßenlaternen, der Oberhausen ein weihnachtliches Flair verleihen soll. Zu jedem der 278 „Krückstöcke”, so der Volksmund, gehört ein 70 mal 40 Zentimeter großes Schild, das den Namen des Sponsoren trägt – und die vermeintlich gute Tat in den Augen vieler Menschen ad absurdum führt, weil nicht der Schmuck, sondern die hässlichen Blechtafeln ins Auge fallen.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

legen Sie mit uns gemeinsam die Axt im Schilderwald dieser Stadt an und informieren Sie uns über unsinnige, unnötige und den Verkehr gefährdende Schilder im Stadtgebiet. Rufen Sie an unter 859 06 40, schicken Sie eine Mail an redaktion.oberhausen@waz.de, oder schreiben Sie uns: WAZ-Redaktion, Goebenstraße 57, 46045 Oberhausen. Wir werden Ihre Beispiele in der Zeitung vorstellen.

Bezirksregierung verfügt 16 Schilder

So kann es gehen: Weil ein Autofahrer, der von der A 2 kommend das Ortseingangsschild auf der Fernewaldstraße übersah und mit Tempo 100 geblitzt wurde, stehen nun im Oberhausener Norden fünf neue Ortseingangs-, fünf neue Ortsausgangs- und sechs Tempo-50-Schilder.

Der Autofahrer gab im Rechtsstreit mit der Stadt an, er habe das Schild an der Stadtgrenze nicht sehen können, weil ein Lkw es verdeckt habe. Am Ende mischte sich die Bezirksregierung ein und verfügte das Aufstellen neuer Schilder. Und zwar überall dort, wo Bebauung beginnt bzw. aufhört. Zwischendurch regeln Tempozeichen das Geschehen. Aus Sicht der Stadt hätte es gereicht, ein zusätzliches Schild auf der anderen Straßenseite aufzustellen.

Und das sagt Fahrlehrer Marc Scheuten:

„Da können Sie jeden fragen, der hier in Oberhausen unterwegs ist”, sagt Marc Scheuten, „es gibt viel zu viele Schilder.” Einer, der es wissen muss, denn Marc Scheuten ist seit vier Jahren Fahrlehrer in der Fahrschule Die „2”. Er kennt die Straßen dieser Stadt in- und auswendig. „Eine einzige Reizüberflutung”, so der 32-Jährige.

Er selbst kommt mit den vielen Straßen- und Privatschildern klar, aber seine Fahrschüler haben enorme Probleme, sich im Straßenverkehr zurechtzufinden. „Viele Anfänger wissen gar nicht, wo sie zuerst hinschauen sollen.” Besonders ärgerlich findet es Scheuten, dass einige Verkehrsschilder auch noch falsch aufgestellt werden. Ein Beispiel: Auf der Falkensteinstraße wird seit kurzem gebaut. Dazu ist eine einseitige Fahrbahnverengung notwendig. In beiden Richtungen wurde dort das Schild 208, dem Gegenverkehr Vorrang gewähren, aufgestellt. Eine der beiden Richtungen hätte aber das viereckige blaue Schild mit dem roten und dem weißen Pfeil benötigt: Vorrang vor dem Gegenverkehr. Wer fährt jetzt zuerst? „Das macht einen Fahranfänger doch irre”, sagt Scheuten.

Auch die privaten Schilder, die etwa den Weg ins Centro oder zu anderen signifikanten Orten der Stadt weisen sollen, seien oft irreführend. Gerade in der Centro-Gegend sei die Beschilderung sehr „verwirrend”, findet der Fahrlehrer. Selbst ein gestandener Autofahrer wie er weiß nicht immer, wo es langgeht.

Marc Scheuten ist sich nicht sicher, ob ein Projekt wie in Mülheim sinnvoll ist: „Es gibt Verkehrszeichen, die sind sehr wichtig. Die müssen da einfach stehen Aber auch welche, die tatsächlich überflüssig sind.” So sei es etwa bei einer Rechtskurve in einer Ortschaft, die kurzzeitig ein Tempolimit von 30 km/h vorschreibt, nicht unbedingt notwendig, nach der Kurve wieder ein Schild aufzustellen. Nur um dem Fahrer mitzuteilen: Hier darf ich wieder 50 fahren.