Oberhausen. Elton John hauchte in Oberhausen bei seiner Abschiedstour ein wehmütiges „Goodbye“ ins Mikrofon. Doch als es um den Brexit ging, stieg sein Puls.
Aller Abschied fällt schwer! Elton Johns „Goodbye“ hätte schon nach sieben Minuten beendet sein können. Wie ein Grandseigneur des Rocks dankt der Brite jedem einzelnen Konzertbesucher für den Kauf der Eintrittskarte, zieht wehmütig das Mikrofon an seinen Mund und spricht von seiner letzten Nacht in Oberhausen.
Die 11.000 Fans in der ausverkauften König-Pilsener-Arena begreifen es richtig, sie sind längst schon auf die „Yellow Brick Road“ abgebogen. Seine Abschiedstournee zelebriert der 72-Jährige, wie er sein Leben gelebt hat. Er ist ein „Rocket Man“, dem einfach nicht der Treibstoff ausgehen möchte.
Elton John erscheint als Comic-Figur der Simpsons
Nun sitzt er da, bearbeitet die Tasten des Pianos als wäre noch lange nicht Schluss. Die Augen der Fans scheinen in der ersten Reihe zu glänzen, vielleicht liegt es auch an der mit feinen Glitzersteinchen dekorierten Knallbunt-Brille, die er während der Show noch zweimal wechseln wird. Sein schimmernder Frack hat sowieso Strahlkraft. Auf Markenzeichen verzichtet Reginald Kenneth Dwight, wie er gebürtig heißt, natürlich nicht.
Wieso auch? Die wilde Bildercollage zu „I‘m still standing“ wirkt wie ein Karriere-Abspann. Dort erscheint er noch einmal als Comicfigur bei den „Simpsons“ oder bei „South Park“. Ein Stück Popkultur, der man von der Rente abraten möchte. Doch er sagt nüchtern: „Es ist jetzt Zeit, ein anderes Leben zu leben!“
50 Jahre nach seinem Durchbruch ist Elton John aber nicht zum Sprücheklopfen nach Oberhausen gekommen. Mehr als zweieinhalb Konzertstunden ohne Pause, scheinen ihm fast nicht genug zu sein. Er hält maß und gerät zwischendurch eigentlich nur einmal ins Plaudern. Als er ungeschminkt über seine dunklen Kapitel spricht, über Alkohol und Drogen und die Leute, die ihm aus dem Sumpf halfen. Eine Hymne auf das Miteinander. Bevor er überleitet, weicht er kurz vom Protokoll ab: „Was ich noch sagen wollte: Fuck Brexit!“ Es bleibt der einzige Moment, an dem seine Stimme wütend klingt – und nicht nach britischem Titularadel.
Elton John rührt abermals mit „Candle in the Wind“
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Doch schnell ist er wieder Sir Elton! Auf der Bühne strahlt ein farblich pulsierender Regenbogen, das Videobild umschließen ihm bekannte Monumente. Die Logos aus seinen Musicals „Billy Elliot“ und „Aida“ wirken wie Bilderrahmen aus einer Karriere mit mehr als 350 Millionen verkauften Tonträgern, die man sich gerne an die Wohnzimmerwand hängen möchte.
Und Wohnzimmer-Erinnerungen kommen wieder hoch, als die Ikone die Ballade „Candle in the Wind“ anstimmt und mit dem beweglichen Piano majestätisch über die Bühne fährt. Es ist der Song, den er 1973 für Marilyn Monroe komponierte – und der 1997 zum Tod von Prinzessin Diana abermals rührte.
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Der Brite bringt aber auch die Arena in Schwung, lässt „Saturday Night’s alright for Fighting“ und „Benny and the Jets“ nicht aus. Tanzen erlaubt!
Elton John verabschiedet sich im Bademantel
Für ein akustisches Klanggewitter sorgen die grandiosen Musiker um ihn herum. Schlagerzeuger Nigel Olsson ist seit der ersten Stunde mit dabei. Brodelnden Applaus erhält auch der Perkussionist Ray Cooper.
Großes Kino! Das wird Fans von Elton John übrigens auch während der ausführlichen Abschiedstournee erhalten bleiben. Im Sommer kommt bringt ihn die mit Tim Rice und Hans Zimmer komponierte Filmmusik zur Neuverfilmung von „Der König der Löwen“ zurück in die Lichtspielhäuser. Auch der für Ende Mai angekündigte biografische Kinofilm „Rocketman“ über sein Leben dürfte die Elton-John-Festspiele noch weiter verstärken.
Zum Abschied erscheint er in Oberhausen im blauen Bademantel – und entschwindet schließlich in der College-Jacke mit einem Mini-Treppenlift winkend hinter die Bühne. Minutenlanger Applaus! Greller Abgang statt leiser Sohle – auch das passt zum Rocket Man.