Oberhausen. . Versteckt und unweit der Rotlichtmeile in Oberhausen hat Oliver Grote (48) ein kleines Hostel geschaffen. Wie das Projekt sein Leben veränderte.

Wer über die Oberhausener Friedenstraße läuft, bewegt sich durch ein Viertel, das gewiss nicht zu den angesehensten der Stadt zählt. Auf der parallel zur Rotlichtmeile verlaufenden Straße reiht sich ein schmales Häuschen an das nächste – und auch jenes mit der Nummer 85 ist auf den ersten Blick so unauffällig, dass man beinahe daran vorbeigeht. Doch hinter dessen Eingangstür verbirgt sich seit über drei Jahren schon ein „Projekt“, das beweist: Die Gegend südwestlich der Marktstraße ist stellenweise besser und vielseitiger als ihr Ruf.

„Projekt“, so sagt es Oliver Grote. Ihm gehört dieses schmale, alte Haus, in dem für viele Jahre seine 92-jährige Oma gelebt hat, ehe sie ins Altenheim zog. Grote trägt eine blaue Baseballcap, ein weißes Shirt und bunte Sportschuhe, als er breit grinsend die Tür öffnet.

Lange habe er nicht gewusst, was er mit dem Haus seiner Großmutter anfangen soll, erzählt der 48-Jährige. „Es ist nun mal sehr alt und war bescheiden geschnitten, die Räume teils viel zu klein. Hier und da mussten wir sogar Schimmel beseitigen“, erinnert er sich. Hinzu komme die kritische Gegend, wie er selbst sagt. „Abends, gerade am Wochenende, ist hier oft Rambazamba.“ Gleich mit den ersten Mietern machte er denn auch schlechte Erfahrungen.

Der Umbau dauerte zwei Jahre

Vermieter Oliver Grote (48).
Vermieter Oliver Grote (48). © Kerstin Bögeholz

Damit sich diese indes nicht wiederholten, wollte Grote etwas verändern. Bestärkt durch Freunde reifte der Entschluss, dass das Haus eigentlich mehr hergibt, besonders der Eingangsbereich mit der alten, steilen Holztreppe und den bunten Ornamentfliesen. Also entschied er, „das ganze Haus neu zu denken“. Bis auf die Außenwände müsse nichts so wie bleiben, wie es einmal war. Das war das Credo.

Im Jahr 2013 machte sich Grote schließlich daran, das Haus seiner Oma umzugestalten. Am Ende sollten drei vollwertige Appartements stehen – wenn auch auf engstem Raum. Das Gros der Arbeiten erledigte er allein, unterstützt und motiviert von Freunden. „Die haben mir schon damals gesagt: Oliver, das wird der Renner, wenn’s fertig ist.“ Seit 2016 nun, nach rund zwei Jahren Umbauzeit, betreibt er in der Friedenstraße sein eigenes, kleines Hostel: „Schacht 85“.

Die drei Appartements sind zwischen 25 und 55 Quadratmeter groß, haben eine Mini-Bar, WLAN, Fernsehen und eine kleine Küchenzeile. Gäste im Erdgeschoss dürfen sich gar über eine eigene Terrasse samt Garten freuen. Im Treppenhaus hat Grote ein gedrungenes, aber komplettes Frühstücksbuffet installiert. Diese Finesse sowie der Charme des alten Gebäudes kommen bei Gästen gut an, regelmäßig ist Grote ausgebucht.

Gäste kommen aus aller Welt

„Die meisten unserer Besucher finden uns über Booking.com und Airbnb“, erklärt der stolze Gastgeber. Seit er bei den gängigen Online-Portalen

Den engen Raum perfekt ausgenutzt: Die Frühstücksecke in der 1. Etage des „Schacht 85“.
Den engen Raum perfekt ausgenutzt: Die Frühstücksecke in der 1. Etage des „Schacht 85“. © Kerstin Bögeholz

angemeldet ist und das Hostel betreibt, hat sich sein Leben rasant verändert. Rund 30 Jahre lang hatte der 48-Jährige zuvor als Beleuchtungs- und Beschallungstechniker gearbeitet. „Von dort kannte ich vor allem Sätze wie ‚Mach mal lauter!’, ‚Mach mal leiser!’. Aber wann kriegt man schon mal ein Lob?“, fragt er – und fügt hinzu: „Hier im Hostel bekomme ich tatsächlich viel positives Feedback. Das macht schon Spaß.“

Fast alle seine Gäste seien locker und entspannt, schließlich kämen die meisten aus erfreulichen Gründen nach Oberhausen – etwa für ein Konzert, einen Besuch im Musical oder zum Shoppen im Centro. Rund 30 Prozent von ihnen seien deutsch, knapp 20 aus den Niederlanden, die restlichen 50 „aus aller Welt“, fasst Grote zusammen. „So kommt es dann“, erzählt er weiter, „dass man immer mal wieder ziemlich verrückte Dinge erlebt.“

Ein bekanntes Fitness-Model aus Kanada habe er bereits beheimatet, ebenso wie die norwegische „U21“ der Damen im Unterwasser-Rugby. „Jeden Morgen Frühstück für 15 hungrige Mäuler, das war schon eine Herausforderung“, lacht er.

Fast ein Auto geschenkt bekommen

„Und einmal hätte ich sogar fast ein Auto geschenkt bekommen“ – zum Dank dafür, dass er mitten in der Nacht eine iranische Familie aufgenommen und versorgt hatte, deren Wagen in Duisburg liegen geblieben war. „Weil die Familie schon am nächsten Tag mit einem Ersatzfahrzeug weitergereist ist, hat mir der Vater einfach Schlüssel und Papiere für sein altes Auto da gelassen.“ Annehmen wollte Grote das Geschenk indes nicht, irgendwann sei es von einem Londoner Abschleppdienst abgeholt worden.

Immer wieder gilt es in seinem neuen Job also, auf besondere Umstände zu reagieren. Und immer wieder klappt das auch, zur großen Freude auf beiden Seiten. Das erste Jahr nach der Eröffnung habe er noch „alles alleine gerockt“, erzählt Grote, doch dann habe er gemerkt: „Auf Dauer ist das einfach zu anstrengend. Da mussten helfende Hände her.“ Inzwischen beschäftigt er drei Mitarbeiter und arbeitet selbst nur noch 40 Stunden die Woche. Auch weit nach ihrer Abreise bleiben viele seiner Airbnb-Gäste mit ihm in Kontakt – ein Zeichen dafür, dass sie Oberhausen auch dank „Schacht 85“ in guter Erinnerung behalten haben.

>>> Info: Serie erzählt von Begegnungen und Projekten

Über das Internet-Portal „Airbnb“ können Menschen ihre Privatunterkünfte zur Übernachtung an Gäste vermieten. Seit der Gründung des Portals im Jahr 2008 erfreut sich Airbnb weltweit großer Beliebtheit.

Dabei entstehen auch völlig neue Beziehungen zwischen Vermietern und ihren Gästen, die oftmals aus anderen Landern kommen. In unserer Serie erzählen wir Geschichten über Begegnungen und Wohnungs-Projekte, stellen das Zwischenmenschliche von Airbnb in den Fokus.

Mittlerweile gibt es über 100 Airbnb-Unterkünfte in Oberhausen. Neben Privatunterkünften, sind es aber auch immer mehr gewerbliche Vermieter, die ihre Ferienwohnungen dort anbieten.