Oberhausen. . Die App „Too good to go“ hilft, gegen die Verschwendung von Lebensmitteln vorzugehen. In Oberhausen kann man sie aber erst spärlich nutzen.
Wisch und weg – so ungefähr könnte man das Prinzip der App „Too good to go“ (Deutsch: „Zu schade zum Wegwerfen“) in knappen Worten erklären. Wisch, weil man mit dem Finger einmal fix über das Display seines Smartphones wischt, bevor man – weg – mit den vom Tag übrig gebliebenen Produkten den Laden verlassen kann. Aber fangen wir am Anfang an.
Zuerst war da das dänische Start-up „Too good to go“, das 2017 durch seinen Auftritt in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ deutschlandweit bekannt wurde. Das Ziel der Macher ist es, gegen die Lebensmittelverschwendung anzugehen. In unzähligen Restaurants, Supermärkten oder Hotels ist am Ende des Tages noch so viel Essen übrig, dass es oftmals in der Tonne landet. In der App kann man sehen, wo übrig gebliebene Lebensmittel zu einem kleinen Preis abzustauben sind.
So funktioniert „Too good to go“
Über den Playstore (Android) oder den iOS-Appstore (iPhone) ist die kostenlose App „To good to go“ schnell auf das Smartphone heruntergeladen. In der Standortsuche gibt man seinen Ort ein. Für Oberhausen werden zwei Filialen des Reformhauses Kaubisch und die Nordsee-Filialen im Centro angezeigt, insgesamt gerade einmal vier Betriebe. Wenige Kilometer weiter gibt es weitere Angebote die strenggenommen schon zu den Stadtgebieten von Duisburg, Mülheim und Essen zählen, etwa die Real-Märkte Heifeskamp und Berliner Straße, die Rewe-Märkte Corzillius und Meyer oder das Restaurant Königtum.
Im Vergleich zu anderen Städten, etwa Bochum oder Essen, ist das Oberhausener Angebot aber ziemlich mau. Dabei können sich Betriebe mit wenigen Klicks direkt über die Homepage von „Too good to go“ anmelden. „Too good to go“ arbeitet selbst daran, neue Partner zu gewinnen. Doch, sagt Unternehmenssprecherin Franziska Lienert: „Wir können leider nicht überall gleichzeitig sein – auch wenn wir das gern wären.“
Die Nachfrage der Verbraucher ist hoch
Auf der Verbraucherseite sei die Nachfrage allerdings da: Etwa 450 Kunden hätten in Oberhausen bereits 600 Lebensmittel gerettet, so das Start-up. Täglich kann der Verbraucher auf seinem Smartphone nachschauen, wie viele Portionen für den heutigen Tag noch vergünstigt abzuholen sind und zu welchem Preis. Der variiert zwischen 2,50 und 4,50 Euro. Indem man sich im Vorfeld über die App ein „Ticket“ für eines der Pakete bucht, reserviert man es sozusagen für sich.
Die Bezahlung läuft bargeldlos über die App, etwa per Kreditkartenzahlung, Überweisung oder der Online-Bezahlmethode PayPal. In einem angegebenen Zeitraum kann man sein Paket dann unter Vorzeigen des Tickets in der Filiale abholen. Dann heißt es: Mit dem Finger einmal über das digitale Ticket wischen und fertig ist die Lebensmittelrettung.
Das bekommt man für sein Geld
Die Angebote unterscheiden sich je nach Unternehmen, Nachfrage und Ort. In manchen Filialen können sich die „Too good to go“-Nutzer ihre Reste-Boxen selbst zusammenstellen. In der Regel jedoch ist die braune Papiertüte mit dem blauen Logo bereits fertig gepackt und eine wahre „Wundertüte“ für den Abholer.
Beim Real-Markt Heifeskamp etwa gibt es Obst und Gemüse, „das vielleicht nicht mehr perfekt aussieht und deshalb aussortiert wurde, aber immer noch lecker ist“. Bei Nordsee im Centro Marktplatz können zum Beispiel „Alaska-Seelachsfilet mit Kartoffeln oder Schollenfilet mit Gemüse übrig bleiben“. Nordsee weist außerdem darauf hin, bei der Abholung einen Beutel mitzubringen, um noch mehr unnötigen Müll zu vermeiden.
Im Reformhaus Kaubisch gibt es länger haltbare Ware
Im Reformhaus Kaubisch in der Lothringer Straße 6 (eine weitere Filiale, die sich ebenfalls an „Too good to go“ beteiligt, gibt es in der Marktstraße 133) ist es ein wenig anders. Denn hier werden überwiegend keine Produkte mit einem kurzen Mindesthaltbarkeitsdatum angeboten. Stattdessen etwa Gewürze, Tees, Kosmetikprodukte, Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel, Speiseöle oder Müslis. Doch auch die haben ein Haltbarkeitsdatum und können danach nicht mehr verkauft werden.
„Für uns ist das kein monetäres Geschäft“, sagt Debora Meli von der Geschäftsleitung. Denn: Zwar muss man 3,90 Euro für ein Kaubisch-Paket mit einem Originalwert von 8 Euro zahlen, doch nur etwa ein Viertel davon behält das Reformhaus, die übrigen drei Viertel gehen an die Organisation „Too good to go“. „Wir haben Wege gesucht, um nichts wegschmeißen zu müssen“, erklärt Meli. „Aber natürlich ist das auch ein bisschen Marketing. So kommen wir an einen anderen Kundenstamm.“ Und der sei sehr zufrieden, heißt es. Die zwei Pakete, die täglich über die App angeboten werden, würden täglich gebucht und abgeholt: wisch und weg.
Es gibt viele Ansätze gegen das Verschwenden von Lebensmitteln – legale und illegale
Das Mitnehmen weggeworfener Lebensmittel aus Abfallbehältern, meist auf dem Gelände von Supermärkten, wird Containern genannt. In Deutschland ist das verboten. Anfang des Jahres wurden deshalb sogar zwei junge Frauen in Bayern wegen Diebstahls verurteilt.
Die Partei Linke hat am 9. April im Bundestag einen Antrag gestellt, das Containern von der Strafverfolgung auszunehmen. Sie schlägt vor, Abfälle als „herrenlose Sachen“ zu definieren. Eine Entscheidung steht aus.
Das Start-up „Too good to go“ versucht hingegen, eine digitale Lösung für die vertrackte Situation zu sein. „Damit es gar nicht erst zum Containern kommen muss“, sagt Unternehmenssprecherin Franziska Lienert. Es brauche ein Umdenken in der Gesellschaft. Sie müsse dafür sensibilisiert werden, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum eines Lebensmittels nicht gleich das Verfallsdatum ist. Viele Lebensmittel sind noch lange genießbar, auch wenn das auf der Verpackung aufgedruckte Datum bereits überschritten ist.
Im Herbst 2017 öffnete deshalb in Berlin der erste Rettermarkt für Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bereits abgelaufen, aber die dennoch gut sind. Diese zu verkaufen, ist in Deutschland nämlich legal.
>>>> Rezepte fürs Reste-Essen
Unter dem Stichwort „Zu gut für die Tonne“ gibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft online Hilfe beim Verwerten von Resten. Eine kostenlose App ist ebenfalls erhältlich.
Viele Prominente, darunter Sterneköche wie Sarah Wiener oder Johann Lafer haben hier simple Rezepte mit wenig Zutaten zusammengetragen – manchmal auch als kreative, neue Varianten. Regelmäßig kommen neue Rezepte hinzu, inzwischen sind es um die 550.
Dazu gibt Tipps zum Einkauf, zur richtigen Aufbewahrung und Verwertung von Lebensmitteln sowie ein Lebensmittellexikon.