OBERHAUSEN. . Die Film-Trailer der klassischen Hollywood-Ära waren ein Spielfeld der Exzentrik. Meisterregisseure priesen ihre Werke noch höchstpersönlich an.

Fröhliche Wissenschaft. Der Schweizer Vinzenz Hediger ist eine Eminenz des Kino-Trailers, hatte mit „Verführung zum Film“ schon als 30-Jähriger 2001 eine erste Analyse des „Submediums“ Trailer vorgelegt – und dafür eine Filmschau von 1461 dieser Film-Appetizer ausgebreitet. Entsprechend stolz kündigte Cassie Blake in der Lichtburg den Professor von der Frankfurter Goethe-Universität an.

„Das machtvollste Werkzeug der Filmwerbung“, so Hediger in seiner mit Bonmots gespickten Rede vor der noch leeren Leinwand, ist den Kurzfilmtagen und ihrem Kuratoren-Duo aus LA, Cassie Blake und Mark Toscano, erstmals einen Programm-Schwerpunkt wert. Es dürfte – gleich nach dem Kinder- und Jugendkino – der zugänglichste und amüsanteste Programm-Brocken dieser Festival-Tage sein.

Trailer kennt schließlich jeder, der zumindest gelegentlich ein Kino besucht. „Ein Trailer muss besser sein als der Film.“ Trailer-Enthusiast Hediger meint: rasanter geschnitten, mit höherer Pointen-Dichte. „Wer Hollywood stoppen will, müsste nur die Trailer verbieten.“ Aber wer wollte das wollen – angesichts jener superben Blütenlese in acht Vorstellungen, deren erste sich auf die klassischen Jahrzehnte der Hollywood-Studios von „Citizen Kane“ (1941) bis zu „Pink Flamingos“ (1972) kaprizierte.

James Stewart (Mi.) überführte die Gentlemen-Mörder in „Rope“. Der väterliche Hollywood-Star sprach in etlichen Trailern zu seinem Publikum direkt in die Kamera.
James Stewart (Mi.) überführte die Gentlemen-Mörder in „Rope“. Der väterliche Hollywood-Star sprach in etlichen Trailern zu seinem Publikum direkt in die Kamera. © dpa Picture-Alliance / United Archives

In den frühen Jahren haben Regie-Granden wie Orson Welles, Al­fred Hitchcock und Cecil B. DeMille ihre Werke noch gerne höchstpersönlich vorgestellt und traten selbst vor die Kamera – oder auch nicht. Das junge Radio-Genie Orson Welles war für den „Citizen Kane“-Trailer nur als salbungsvoll-ironische Stimme zu vernehmen. Erzmonumentalist DeMille führt etwas onkelhaft durch die Zirkus-Attraktionen seiner „Greatest Show on Earth“ – und gönnt sich für diesen Trailer, 1952 hatte man noch Zeit, monumentale sechs Minuten.

Hitchcock schließlich gestaltet seine Trailer als Fingerübungen in britischer Ironie. Seine aus einem holzgetäfelten Studierzimmer vorgetragene Ankündigung für „Die Vögel“ war eine Parodie auf die pompösen Cecil B. DeMille-Trailer, erklärte Kenner Hediger quasi im Abspann. Doch was sollte wohl ein Publikum anno 1963, das diesen sadistisch manierierten Öko-Thriller ja noch nicht kannte, anfangen mit Geplauder über „unsere gefiederten Freunde“? Und der Meister des Suspense setzt dazu an, ein Grillhähnchen zu tranchieren.

Für den Trailer als Spielfeld der Regie-Exzentrik hatten die Kuratoren noch einige schöne Beispiele in petto. John Waters zeigte für „Pink Flamingos“, seinen trashigen Geniestreich mit Divine, der Drag Queen im Hitch-Format, kein einziges Filmbild – sondern nur die verstörten bis verzückten Gesichter seines Testpublikums.

Die Falschen vom Kino fernhalten

Für „Rope“ drehte Hitchcock 1948 sogar ein Mini-Prequel seines Thrillers, der vorgab, ohne einen einzigen Schnitt gefilmt worden zu sein. Und heute? „Zeitgenössische Trailer fassen die Handlung zusammen“, so die eigentlich banale Erkenntnis Vinzenz Hedigers. Doch warum geben Studios in zwei Minuten soviel preis von der „kommenden Attraktion“, wie es früher hieß? „Um die falschen Leute vom Kino fernzuhalten“: Wer mit dem angepriesenen Genre nichts anfangen kann, so der Filmwissenschaftler, der sollte gar nicht erst schlechte Mundpropaganda verbreiten.

>>> IM FILM WEGGEKÜRZT, IM TRAILER ZU SEHEN

Heutige Trailer pflegen selten die frühere Exzentrik – bieten aber manchmal kleine Überraschungen. Weil die Zweiminüter von eigenen Regieteams montiert werden, sind so auch Szenen zu sehen, die beim Langfilm auf den Boden des Schneidetischs fielen.

Bei „Bohemian Rhapsody“ etwa hatte Queen-Gitarrist Brian May jene Szene beanstandet, in der er sein Instrument mit dem Geigenbogen traktiert: Sowas habe er nie getan. In Bryan Singers Film ist die Szene folgsam entfernt – in einigen Trailer-Fassungen aber weiter zu sehen.

In der Lichtburg sind die Trailer-Staffeln 4 bis 8 bis Montag zu erleben, darunter am Samstag um 10.30 Uhr auch „Trailer für Kinder“ ab acht Jahren.