Oberhausen. . Appell für ein demokratisches und soziales Europa auf dem Ebertplatz in Oberhausen. Verdi-Sekretär Christoph Schmitz findet deutliche Worte.
Ein Fahnenmeer in Rot und Weiß und ein klarer Appell an ein soziales und demokratisches Europa: Beim traditionellen Aufzug zum 1. Mai zogen in diesem Jahr etwa 400 Menschen vom Altmarkt zum Ebertplatz, wo anschließend die große Kundgebung stattfand. Nach Schätzungen der Polizei kamen dort am Ende etwa 1000 Menschen zusammen, um sich unter dem Motto „Europa. Jetzt aber richtig!“ für ein vereintes Europa stark zu machen, aber auch um ein deutliches Zeichen gegen Rechts zu setzen.
Gegen 10.30 Uhr setzte sich der Demonstrationszug am Altmarkt in
Bewegung, zog vorbei am DGB-Gewerkschaftshaus, passierte Hauptbahnhof und Finanzamt, um schließlich wenige Minuten nach 11 Uhr am Ebertplatz einzutreffen, wo viele Menschen sich bereits vor der Bühne versammelt hatten. Der DGB-Stadtverbandsvorsitzende Thomas Schicktanz eröffnete die Kundgebung dann auch mit einem großen Dank für das Engagement der Gewerkschafter und übergab das Mikro für ein Grußwort von Oberbürgermeister Daniel Schranz.
„Bekenntnis zur Gemeinschaft statt zur Spaltung“
Der rief abermals zur Teilnahme an der Europawahl auf, um für eine demokratische Union zu stimmen, die von rechtspopulistischen Kräften bedroht werde und zitierte die Losung der britischen Bergarbeiterbewegung „United we stand, divided we fall“ (dt. Vereint stehen wir, getrennt fallen wir). Die Herausforderungen der Zukunft seien nur gemeinsam zu lösen, unterstrich er und wertete die rege Teilnahme an der Kundgebung als klares „Bekenntnis zur Gemeinschaft statt zur Spaltung“.
Verdi-Bundesvorstandssekretär Christoph Schmitz hielt im Anschluss die Hauptrede und betonte wie auch sein Vorredner die Bedeutung Europas als Friedensprojekt, das derzeit allerdings durch Kräfte bedroht werde, die auf Nationalismus und Fremdenhass setzten, richtete aber auch den Blick auf soziale Fragen in Region und Land: „Doch gerade das Ruhrgebiet hat hautnah erlebt, dass Menschen aus dem Ausland Hilfe und Bereicherung sind und wie Integration funktioniert“, sagte er.
Missstände in Deutschland sind Politikversagen
Mit Blick auf die Entwicklungen in Deutschland warnte Schmitz vor der Politik der Neuen Rechten, die Zuwanderer und Flüchtlinge fälschlicherweise für die sozialen Missstände im Land verantwortlich mache. „Das ist eine Folge von Politikversagen quer durch alle Parteien, die in den letzten Jahren mitregiert haben.“
Trotz Aufschwung und wachsender Beschäftigung würden die Wohlstandsgewinne im Land ungleich verteilt, so Schmitz weiter. Jeder Sechste sei in Deutschland von Armut bedroht. Das seien 13 Millionen Menschen, davon 2,5 Millionen Kinder.
Die Konsequenz aus der Hartz-IV-Politik, weniger auskömmlicher Jobs und drohender Altersarmut lasse sich „kaum irgendwo besser beobachten als in Oberhausen“, konstatierte Schmitz. Hier sei es der Politik in der Vergangenheit nicht gelungen, den Strukturwandel abzufedern.
Anhebung der Mindestlöhne auf 12 Euro
Die Bundesregierung forderte er dazu auf, mehr gegen die soziale Spaltung der Gesellschaft zu tun, auch wenn die große Koalition mit dem neuen sozialen Arbeitsmarkt und der geplanten Grundrente bereits erste wichtige Akzente gesetzt habe.
Zwar lobte er ebenso die Erfolge der Gewerkschaften IG Metall und Verdi bei den ersten Tarifrunden in diesem Jahr, doch würden heute immer mehr
Unternehmen aus der Tarifbindung aussteigen. „Wir werden aber nicht hinnehmen, dass der Tarifschutz immer weiter durchlöchert wird.“ Er forderte eine Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro und mit Blick auf die Gesundheits- und Pflegeberufe einen Flächentarifvertrag in der Altenpflege, „damit wir eine Aufwertung der Pflegeberufe hinbekommen.“
Zur finanziellen Situation der Kommunen sagte Schmitz, dass es höchste Zeit sei, dass der Bund einen Entschuldungsfonds für die Kommunen einrichte, um ihre Altschulden abzubauen, so wie es auch der Rat der Stadt Oberhausen bereits gefordert hatte.
Europaflaggen auf dem Ebertplatz
Die Orientierung am Gemeinwohl und die Bedeutung eines stabilen Gemeinwesens bildeten dann auch die inhaltliche Klammer, die alle drei Redner immer wieder auf die bevorstehende Europawahl zurückbrachten. Schmitz: „Es geht um ein Europa, das Ungleichheit in den Ländern und unter den Ländern mindert und damit eine Politik für den Zusammenhalt der Gesellschaften macht.“
So mischten sich dann auf dem gefüllten und von Informationsständen gesäumten Ebertplatz auch einige Europaflaggen und -pullover unter das Meer des Gewerkschafts-Rots, das von Verdi, DGB und IG Metall dominiert wurde. Kaum vorzustellen, dass jemand der Kundgebungs-Teilnehmer am 26. Mai nicht sein Kreuzchen macht.