oberhausen. . Folkwang-Professor Gareth Lubbe fasziniert mit exotischer Gesangs-Technik. Seine Studenten gestalteten den größten Teil der gefeierten Matinee.

Das Motto zur 198. Matinee des Künstlerfördervereins im Ebertbad konnte neugierig machen – und diese Neugier wurde in reichem Maße belohnt. Schon im Namen der Folkwang-„Universität der Künste“ wird das Spartenübergreifende zum Programm – und Prof. Gareth Lubbe, der mit Studierenden das Konzert bestritt, ist das beste Beispiel: Als Professor für Viola ist er gleichzeitig weltweit bekannt als Obertonsänger, eine Technik, die sich im Westen erst seit den 1960er Jahren etabliert, aber weit ältere Wurzeln in Zentralasien und Afrika hat.

Damit war auch die gedankliche Brücke geschlagen zum übergreifenden politischen Aspekt der Veranstaltung: Prof. Lubbe widmete sie ausdrücklich der Stiftung von Denis Goldberg, die mit dem „House of Hope“ nahe Kapstadt ein Kulturzentrum für Kinder und Jugendliche errichtet. Hierfür spendeten die beteiligten Musiker ihre Gagen.

Der heute 85-jährige Denis Goldberg, Mitstreiter von Nelson Mandela und Begründer der Stiftung, war übrigens kurz nach seiner Freilassung 1985, nach 22 Jahren als Inhaftierter des Apartheid-Regimes, zu Gast bei Amnesty-International in Oberhausen.

Mit federnder Kraft und atmender Gesanglichkeit

Zunächst ging es aber um kürzere, im Prinzip nicht fremdartige Brücken, um Werke unterschiedlichster Stilrichtungen in originaler und bearbeiteter Besetzung.

J. S. Bach auf dem Akkordeon hat ja schon länger nichts Befremdliches mehr, wenn aber das Cembalokonzert in c-moll so kammermusikalisch dezent und sensibel gestaltet wird wie von Djordje Davidovic und Bartosz Kolsut, glaubt man doch, ihn neu zu hören. Danach folgte improvisatorisch frei und expressiv zerklüftet Piazzollas „Adios Nonino“.

Das Lyrion Klaviertrio mit Oleh Kurochkin, Mathieu Joqué und Mariko Sudo spürte im Klaviertrio fis-moll dem genialen Einfallsreichtum Joseph Haydns mit federnder Kraft und atmender Gesanglichkeit nach, ähnlich inspiriert auch das Trio h-moll von Joaquin Turina mit seiner folkloristisch getönten, ausschwingenden Lyrik, eingebettet in impressionistische Harmonik.

Ein selten intensives Musikerlebnis

Faszinierend die Intensität, mit der das berühmte „Adagio“ von Samuel Barber in einer Bearbeitung für Viola-Ensemble wie aus dem Jenseits herabstieg und sich am Schluss darin verflüchtigte. Einen hinreißender Kontrast dazu bot die virtuos-raffinierte Wiedergabe einer von Ysaye für Violine bearbeiteten Etüde von Saint-Saens durch Oleh Kurochkin.

Im zweiten Teil gab es noch mehr des Unüblichen: Das heftig bejubelte Folkwang Jazz Ensemble (Jonas Grätzer, Jonathan Böbel, Luca Müller, Felix Walzer) bot zwei bekannte Titel in mitreißenden Improvisationen. Eingerahmt wurden diese Darbietungen von völlig ungewohnten Klängen: „Ubuntu“ bedeutet so viel wie „Menschlichkeit“, in der Sprache des deutschen Idealismus könnte man sagen: „Alle Menschen werden Brüder“. In der gleichnamigen Komposition von Gareth Lubbe sind afrikanische und europäische Elemente zu erkennen, überlagert von einem unwirklich schwebenden Obertongesang.

Der große Pablo Casals beendete alle Konzerte nach seinem Exil 1939 mit dem katalanischen Weihnachtslied „Gesang der Vögel“, einem „Lied des Friedens und der Hoffnung“. In der Bearbeitung von Gareth Lubbe mit Obertongesang klang es wie Musik von einem anderen Stern. Stehende Ovationen dankten für ein selten intensives Musikerlebnis.

>>> Der weiße Gefangene aus dem ANC-Untergrund

22 Jahre war Denis Goldberg nicht als Mäzen bekannt, sondern als Gefangener des Apartheid-Regimes. Der Kapstädter aus jüdischer Familie trat als junger Mann 1961 der Untergrund-Armee des Afrikanischen Nationalcongress, ANC, bei. 1963 wurde er verhaftet und 1964 zu lebenslanger Haft verurteilt. Während der 22 Jahre im Gefängnis erwarb der Ingenieur mehrere Universitätsabschlüsse. 1985 kam Denis Goldberg frei – auch weil Israel sich für ihn eingesetzt hatte. Im Londoner Exil wirkte er als Sprecher für den ANC.

Seit 2002 lebt Denis Goldberg wieder in Südafrika – und gründete in seiner Heimat Kapstadt die Stiftung für das „House of Hope“. Den Nelson Mandela nachfolgenden ANC-Regierungen und ihrer Korruption gegenüber äußerte er sich vehement kritisch.