OBERHAUSEN. Anna Polke, Schauspielerin am Theater, erfüllt sich mit Stiftung einen „Herzenswunsch“. Stipendien sollen das Werk Sigmar Polkes erschließen.
Sigmars Kunst lässt sich in kein Raster pressen“, sagt Anna Polke – stutzt kurz und muss herzlich lachen: Schließlich waren penibel gemalte Rasterpunkte ein Markenzeichen in vielen Gemälden ihres Vaters. Die Tochter von Sigmar Polke (1941 bis 2010), der mit Gerhard Richter einst unter dem Motto „Leben mit Pop“ den Kapitalistischen Realismus erfunden hatte, tritt nun auch als Stifterin auf. Die Anna Polke Stiftung der Schauspielerin am Theater Oberhausen will Anregungen geben und mit Stipendien ermöglichen, Werk und Wirkung von Sigmar Polkes Kunst genauer zu erforschen.
Gute Erinnerungen an das New Yorker MoMA
Die 54-Jährige hat sich damit „einen Herzenswunsch“ erfüllt – und erzählt von der großen Retrospektive „Alibis: Sigmar Polke 1963 – 2010“ im Museum of Modern Art, dem berühmten MoMA an New Yorks 5th Avenue: „Da waren so viele begeisterte Menschen, ältere und ganz viele junge“. Der stets experimentier- und humorvolle Sigmar Polke habe in seiner Kunst noch viel mitzuteilen.
Und es sei keineswegs so, dass – trotz des berühmten Namens – schon alles erforscht wäre. „Sigmars Werk ist so komplex“, sagt Anna Polke, „da ist noch viel möglich“. Auch die umfassende Biografie ist noch nicht geschrieben. Die Stiftung jedenfalls mit Büro in der Kölner Altstadt („Vater wohnte um die Ecke“) und einem „tollen Team“, so die Stifterin, aus fünf jungen Kunsthistorikerinnen, sei startklar. „Wir haben schon viel gesammelt: Briefe und Fotos, auch Filme.“ Mit guten Wünschen zum Einstand gab’s für die neue Stiftung auch besondere Kataloge, längst vergriffen, und Ausstellungs-Ansichten. Im März will die Anna Polke Stiftung die ersten beiden Forschungsstipendien, dotiert mit 5000 Euro, offiziell ausschreiben.
„Wir sind sehr gespannt, was da kommt“, sagt Anna Polke. „Bisher hatten wir schon viel positiven Zuspruch.“ Sie sieht ihre Gründung als neutrale Instanz, „denn ich habe ja nicht vor, etwas zu schreiben“. Aber zur Kamera wird sie greifen: Denn neben Symposien und eigenen Publikationen liegt der Stifterin auch sehr an jenem „Oral History“-Projekt, für das sie schon selbst Interviews geführt hat. Familie und Freunde, Weggefährten und Schüler Sigmar Polkes will sie in ähnlicher Form als Zeitzeugen befragen, wie es die Robert-Rauschenberg-Foundation bereits für das Umfeld des US-Pop-Artisten geleistet hat.
Ironische Distanz zum Kunstbetrieb
Sigmar Polke selbst hat lieber seine Kunst für sich sprechen lassen. Er gab nur ein einziges ausführliches Interview – und zwar der Kunsthistorikerin Beatrice „Bice“ Curiger. Die Schweizerin, heute Direktorin der „Fondation Vincent van Gogh“ in Arles, leitete 2011 die Biennale in Venedig. Anna Polke gewann die 70-Jährige für das Kuratorium ihrer Stiftung.
Eine gewaltige Aufgabe allerdings bleibt vorerst unberührt: Ein Werkverzeichnis bedeutet eine Mammutwerk, wenn es einem Künstler gilt wie Sigmar Polke, der über 50 Jahrzehnten höchst produktiv und in vielen Metiers gearbeitet hat, vom Gemälde über Druckgrafik bis zum Kirchenfenster im Zürcher Großmünster, und der obendrein seit den 1960ern an etliche große Museen und Privatsammler verkauft hat.
„Das ist eine Aufgabe des Nachlasses“, betont Anna Polke, „der stelle ich mich nicht“. Denn „The Estate“ (wie es im internationalen Kunstbetrieb heißt) einerseits und ihre Stiftung andererseits seien zwar „keine Konkurrenz“, aber doch zwei Welten. Und zum Kunstbetrieb, weiß die Tochter, die jetzt auch die langen Briefe ihres Vaters an sie „wiederentdeckt“ hat, hielt Sigmar Polke ironische Distanz.
Wer sonst hätte schon zu Lebzeiten große Ausstellungen „Wir Kleinbürger“ oder „Die drei Lügen der Malerei“ genannt?
>>>>>> Die jungen Jahre der alten Meister
Eine bedeutende Ausstellung mit Werken von Sigmar Polke kündigt sich fürs Frühjahr in Stuttgart an: In der Staatsgalerie versammelt Star-Kurator Götz Adriani unter dem Titel „Die jungen Jahre der alten Meister“ vom 12. April bis 11. August Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Sigmar Polke und Gerhard Richter. „Rund 80 bis 100 frühe Hauptwerke“, so die Ankündigung, werden die spektakulären ‘60er Jahre in den Blick nehmen.
Anna Polke empfiehlt in Reviernähe das Mönchengladbacher Museum Abteiberg: Es hat jene Bilder erworben, für die Sigmar Polke den Großen Preis der Biennale von Venedig erhielt.