Oberhausen. . Verwaltungsdirektor Hennemann sieht durch den Intendanten „Regeln verletzt“. Auch Dezernent Tsalastras nennt Rassismusklausel „schwer umsetzbar“.

Für „Schaffen“, die jüngste Premiere von Technocandy im Theater Oberhausen, benötigte der Kritiker unserer Zeitung nur eine halbe Spalte: gut gemeint, doch amateurhaft gespielt. Leider sorgt das freie Trio mit der fest zum Ensemble zählenden Schauspielerin Banaf­she Hourmazdi auch dafür, dass sich ihre Abrechnung mit fremdbestimmter Arbeit im wirklichen Theaterleben wiederholt. Auch diese reale Farce kann man nur so benoten: eventuell gut gemeint, aber grottenschlecht gespielt.

Da will eine freie Truppe – und mit ihr Oberhausens Intendant Florian Fiedler – eine Vertragsklausel durchdrücken, die sicher furchtbar politisch korrekt klingt, die aber für Juristen gar nicht „justiziabel“, also anwendbar ist: Sollte einem der drei Technocandy-Akteure am Theater Oberhausen in irgendeiner Form Rassismus widerfahren, so die Klausel, wäre das Theater verpflichtet, seine Mitarbeiter in Workshops oder Seminaren zu belehren.

„Das kann nicht sein“, sagt Jürgen Hennemann. Der langjährige Verwaltungsdirektor des Theaters hat diese Klausel denn auch nicht unterschrieben: „Sie strotzt vor unbestimmten Rechtsbegriffen.“ Er habe mit vier Juristen in der Sache gesprochen. Einmütiges Echo: „Eine solche Klausel benachteiligt einen Partner unangemessen“ – nämlich das Theater. Der freie Vertragspartner könnte jederzeit „die Rassismus-Karte ziehen“, wie Hennemann sagt. Die Drei müssten ihre Produktion dann weder vollenden noch aufführen.

Zuständigkeiten eindeutig abgegrenzt

Er habe sich „fast geschämt“, so der Verwaltungsdirektor, dass er auch noch den Justiziar des Deutschen Bühnenvereins, Landesverband Mitte, um seine Einschätzung gebeten habe. Kein deutsches Schauspielhaus hatte bisher eine solche Klausel abgezeichnet. Sollte mit dem kleineren, aber namhaften Theater Oberhausen ein Exempel versucht werden? „Ganz klar“, bestätigt Hennemann. Er zeigt sich empört, dass der Intendant im Interview mit dem Deutschlandfunk für „Kompressor – das Kulturmagazin“ in der Vorwoche für diese Klausel gestritten hatte: „Da kritisiert ein Betriebsleiter einen anderen Betriebsleiter – und es werden Regeln verletzt.“

Aus Hennemanns Erfahrung seien die Zuständigkeiten im Theater aber „eindeutig abgegrenzt“. Deshalb gebe es standardisierte Verträge und die Musterverträge des Bühnenvereins. „Wie sollte man sonst disponieren können?“ Das Technocandy-Trio könne aber unbesorgt sein. „Ohne Rechtspflicht“, so der Verwaltungsdirektor, „zahlen wir die Gage“.

Auch Kulturdezernent und Kämmerer Apostolos Tsalastras hält die Rassismus-Klausel „für schwer umsetzbar“. Ihr fehle im Konfliktfall die „neutrale Bewertung“. Gegen Rassismus einzutreten nennt Tsalastras – kein Jurist, sondern diplomierter Volkswirt – „innere Angelegenheit des Theaters: Dafür brauche ich keine Verträge.“ Und deswegen gebe es den Vertrag mit der strittigen Klausel auch nicht.

Das Theater sieht der Erste Beigeordnete durch den Konflikt noch nicht beschädigt: „Ich habe in meiner Zuständigkeit als Dezernent schon mehrere Intendanten gesehen. Da gibt es immer mal Reibereien mit der Verwaltung. Das ist so.“ Mit Interviews im Kultursender und in der taz ziehe dieser Zwist „völlig unnötige Kreise“. Es sei schon „ein bisschen schräg“, so Tsalastras, dass ausgerechnet das Theater als jener Ort in Oberhausen, der sich so vehement gegen Rassismus und für die Freiheit einsetze, jetzt in eine solche Debatte hineingerate. Die Unstimmigkeiten will er im Gespräch klären.

Im Steinewerfen verdammt gut

Jürgen Hennemann spricht von einer „schwierigen Situation“ für die Mitarbeiter in „diesem sich tolerant gebenden Betrieb“: Wer nicht auf der akademischen Höhe der Debatte sei, wie sie von der künstlerischen Leitung geführt werde, der wage es kaum noch, sich ungeschützt zu äußern.

Im Programm zu Technocandys „Schaffen“ lautet eine Überschrift: „Wer keine Arbeit hat, werfe den ersten Stein.“ Im Steinewerfen sind sie schon mal verdammt gut.

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