oberhausen. . Seit fast 40 Jahren arbeitet Erika Ilgen an der Friedrich-Ebert-Realschule, seit über 20 Jahren leitet sie diese. Geht ein Leben ohne die Schule?
Das Sekretariat nennt sie „Queen Mum“, das Kollegium „die Königin“. Da Erika Ilgen von diesen Spitznamen weiß, sind sie wohl liebevoll gemeint und drücken Respekt aus. Aber sie erzählen auch etwas über die Art, wie Erika Ilgen die Friedrich-Ebert-Realschule in Sterkrade geleitet hat. Heute hat die 64-Jährige ihren letzten Arbeitstag, für die gebürtige Königshardterin beginnt nach fast vierzig Jahren im Schuldienst der Vorruhestand.
Eigentlich hätte sie noch anderthalb Jahre länger gemusst, bis zum Ende des kommenden Schuljahres 2019/20. „Ich wollte gesund in Pension gehen“, sagt Erika Ilgen. „Eine Schule zu leiten, ist eine schöne Aufgabe, aber sie erfordert den ganzen Menschen.“ Schließlich trage sie als Rektorin der Friedrich-Ebert-Realschule die Verantwortung für fast 1000 Schüler und rund 50 Kollegen. „Das erfordert viel Kraft, die ich im Moment noch habe, aber es ist trotzdem Zeit für einen Neubeginn.“
Für die Schule und für sie selbst. Endlich soll das Privatleben mal nicht in der zweiten Reihe stehen. „Die Einschulung meiner eigenen Kinder habe ich nicht miterlebt“, sagt die Lehrerin und Schulleiterin. Sie sei jeden Tag um 5.31 Uhr aufgestanden, die Termine rund um ihre Arbeit hätten den Alltag diktiert. „Jetzt werde ich bald zum dritten Mal Oma und möchte meiner Familie etwas zurückgeben.“
Studium an der Gesamthochschule
So wie es ihre Eltern seinerzeit gemacht haben, als die Entscheidung anstand, die Leitung der Friedrich-Ebert-Realschule zu übernehmen. Dort hatte Erika Ilgen nicht lange nach ihrem Studium an der Gesamthochschule Duisburg Anfang der 1980er Jahre eine Stelle als Lehrerin für Deutsch und Geschichte bekommen. Sie war mit 20 zum ersten Mal Mutter geworden, den zweiten gemeinsamen Sohn bekamen sie und ihr Mann, ein Ingenieur, zwölf Jahre später. „Ich habe immer den Rückhalt bei meinen Eltern und in der Partnerschaft für meinen Beruf gehabt“, sagt Ilgen. Sie hat es als großes Glück empfunden, beides zu haben: eine Familie und „eine verantwortungsvolle Aufgabe, bei der ich gestalten konnte“.
Seit 1991 war sie stellvertretende Leiterin der Friedrich-Ebert, um dann kurze Zeit später (1995) schon kommissarisch die volle Verantwortung übernehmen zu müssen, als der damalige Leiter Schlagböhmer erkrankte. Seit 1997 ist Erika Ilgen amtlich die Rektorin. Das Selbstbewusstsein, ihre Führungsrolle ausüben zu können, hat sie nicht von Anfang an gehabt, „ich war noch keine 40 als ich Schulleiterin geworden bin“.
„Man wächst mit seinen Aufgaben“
Zumal sich ältere Kollegen nicht genierten sie zu fragen: „Du willst unsere Chefin werden, kannst Du das denn überhaupt?“ Ja, sie konnte. „Man wächst mit seinen Aufgaben“, macht Erika Ilgen Mut. Und es gibt ja Hilfe: „Ich wollte immer etwas mit anderen zusammen machen.“ Team, Kommunikation, Kooperation, das sei wichtig.
„Alles Zusammenhalter“ steht auf einer Karte an ihrer Pinnwand, „Zusammenhalterin“, darauf besteht Ilgen, das sei schon ein gutes Bild. Schulleitung, das sei vor ihrer Zeit ja eher patriarchalisch verstanden worden, der Hirte und seine Schäfchen. Ein altes Emailleschild im Flur der Friedrich-Ebert zeugt davon. Aber etwas davon hat sie dann, scheint es, doch bewahrt, siehe „Queen Mum“.
„Nicht auch noch Kinder fremder Leute betreuen“
Lehrerin wollte Erika Ilgen eigentlich auf gar keinen Fall werden. Weil sie sich schon immer um ihre jüngeren Brüder kümmern musste, „wollte ich nicht auch noch die Kinder fremder Leute betreuen“. Was Aufregendes sollte es eigentlich sein, Journalismus, Reporterin im Kriegsgebiet, erinnert sich Erika Ilgen und muss lächeln. Aber dann fragte die Sekretärin bei der Einschreibung fürs Studium: Diplom oder Lehramt? Das Kreuz wurde bei „Lehramt“ gemacht und „so bin ich Lehrerin geworden und ich habe es keinen Tag bereut“.
Ihr Klassenlehrer am Sophie-Scholl-Gymnasium hatte eh vermutet, dass sie das könnte: gut erklären, sich einstellen auf die Zuhörer, eine gute Lehrerin sein. In der Zeit von Klasse fünf bis zehn, da passiere ja so viel, „die Schüler kommen als Kinder und gehen als Erwachsene“. Wer vor ihnen steht, müsse nicht nur Lehrer, sondern auch Erzieher sein. Nicht Gehorsam, aber Disziplin habe sie von ihren Schülern gefordert, „Lernen ist Arbeit und keine Freizeit“. Die Lernfreude bei den Jugendlichen zu wecken, sei eine Kernaufgabe des Lehrers. „Es gibt keinen Tag in meinem ganzen Berufsleben, an dem ich mich nicht gefreut habe“, sagt Erika Ilgen. Natürlich könne man sich jeden Tag ärgern – aber verpflichtet dazu sei keiner.
>>>>>>>>>> Kommissarische Leitung
Stellvertreter Wolfgang Grandke leitet jetzt kommissarisch die Schule. Noch ist die Stelle der Schulleitung nicht ausgeschrieben, aber wenn, wird sich Grandke ebenso bewerben wie seine Kollegin Heike Minneken, die die Schachklasse an der Friedrich-Ebert-Realschule ins Leben gerufen hat. Nach Sichtung der Bewerbungen auch von außerhalb trifft die Bezirksregierung die Entscheidung. „Realschulen stehen in Oberhausen im Wind“, sagt Erika Ilgen. Inklusion, jetzt die Umsetzung des Paragrafen 132c des NRW-Schulgesetzes, wonach Hauptschüler in den Realschulklassen mit unterrichtet werden – das seien anspruchsvolle Aufgaben, die eine ständige Veränderung mit sich brächten.