Frank Stache ist seit einem Jahr Schiedsmann in den Stadtteilen Byfang, Schwarze Heide und Buschhausen. Wenn zwei sich streiten, versucht er zwischen den Parteien zu vermitteln. Meistens sind es Nachbarschaftskonflikte.
Der Zaun ist ein wenig zu weit nach rechts gerückt, der Ast der Tanne ragt auf das angrenzende Grundstück und verliert Nadeln. Der Rauch des Schornsteins zieht ständig in die Nase des verärgerten Doppelhaushälftenbewohners. Der Nachbar ist hingegen vom Gegenteil überzeugt, macht Beweisfotos. Und schon ist er im vollen Gange – der Nachbarschaftsstreit.
Auch eine WAZ-Leserin meldete sich in der Redaktion und klagte über ihren Nachbarn. Er habe das Bullauge ihrer Waschmaschine geklaut, ihr Auto zerkratzt und ihr die Post gestohlen. Für alles gebe es Zeugen, beweisen kann sie es jedoch nicht. Auch der Nachbar von oben möchte mit der Dame nichts zu tun haben, seit neun Jahren liegen die beiden nun schon im Clinch. Jetzt haben sie sich gegenseitig angezeigt.
Acht Schiedspersonen in Oberhausen
Vielleicht hätten sie diesen Schritt lieber noch einmal überdacht, denn nun bleibt ihnen die Möglichkeit verwehrt, einen Schiedsmann anzurufen, der zwischen den beiden Streithähnen hätte vermitteln können. Denn sobald die Polizei eingeschaltet wird, kann ein Schiedsmann nicht mehr schlichten. So ist die Regelung.
In Oberhausen gibt es acht Menschen, die ehrenamtlich als Schiedsmänner oder Schiedsfrauen arbeiten. Frank Stache ist einer von ihnen. Seit einem Jahr ist er immer der Dritte, wenn zwei sich streiten. Zehn Fälle hat er in diesem Jahr versucht zu schlichten. Fälle, in denen es zu fast hundert Prozent um Nachbarschaftskonflikte geht – wie bei der WAZ-Leserin. „Die Leute kommen dann zu mir und wir setzen uns an einen Tisch”, sagt der 41-Jährige, der für die Stadtteile Byfang, Buschhausen und Schwarze Heide zuständig ist. Ein „Nein” gibt es nicht. Wenn der eine Nachbar einen Schiedsmann beauftragt, muss der andere Nachbar auf jeden Fall zu dem Verhandlungstermin erscheinen. Falls nicht, kann der Nachbar vor Gericht gehen.
Finden sich beide Parteien dann aber in Staches Wohnzimmer ein, darf zunächst der eine erläutern, was ihn wurmt, bevor die andere Partei zu den Vorwürfen Stellung nimmt. „Ich versuche dann immer, eine Diskussion aufkommen zu lassen”, sagt Frank Stache, „Dann probieren wir, eine Lösung zu finden, die beiden Parteien entgegen kommt. Gewinner und Verlierer wie bei Gerichtsverfahren gibt es hier nicht.” Kommen die Streithähne überein, wird ein Vertrag aufgesetzt, der 30 Jahre gültig ist und an den sich beide Nachbarn halten müssen.
Die Dinge sind woanders faul
Manchmal einigen sich die Zerstrittenen sofort, manchmal nach längerem Gespräch, oft aber auch gar nicht. „Ich sehe meine Aufgabe darin, auf den Kern zurückzukommen”, sagt Stache. Denn oft würden die Leute ein Thema vorschieben, dabei sind die Dinge oft ganz woanders faul. So erhielt Stache den Auftrag, zwischen zwei älteren Herren zu schlichten. Der Jüngere erzürnte sich plötzlich über den Baum des Älteren, dessen Äste auf sein Grundstück hinüberragen. „Der Baum steht aber seit 50 Jahren so da”, erzählt Stache schmunzelnd, „In der Sache geht es wirklich nicht um den Baum.” Wohl eher darum, dass sich die beiden einfach nicht gut leiden können.
Frank Stache ist eigentlich Zollbeamter, die nächsten vier Jahre wird er auf jeden Fall nebenbei als Schiedsmann fungieren. Dann will sich der 41-Jährige für eine weitere Amtszeit wählen lassen. Schiedsmann zu sein, mache einfach Spaß, und im Prinzip könne es jeder werden. „Man braucht dafür nur einen gesunden Menschenverstand.”