OBERHAUSEN. . Theaterpublikum feiert „Live fast, get old“ mit Peter Engelhardts Band. 19 Songs führen von Proto-Punk zu Grunge und überspringen cool die ‘80er.
Zwei Selbstmörder-Songs vor dem Finale, dafür die Meisterwerke von Iggy und Ozzy, den Überlebenden wider alle Erwartungen, zum Auftakt: Das nennt man wohl ein ausgewogenes Konzertprogramm. 19 Songs überwiegend härterer Gangart wuchteten Jürgen Sarkiss, Gitarrist Peter Engelhardt und seine namhafte No-Name-Band im Theater auf die Bühne des Großen Haus. Es wurde ein kraftvoller Abend des Zorns, aber nicht des Verzagens – und die Zugabe bot einen besonderen Ausblick.
„Live fast, get old!“ Der Titel dieser Rock’n’Roll-Show ist Programm und Appell: Macht’s nicht wie Kurt Cobain und Chris Cornell. Dann doch lieber protestantisch durch fünf Jahrzehnte Weiterrackern wie AC/DC, deren „Let there be Rock“ für den kongenialen Auftakt im heftig pustenden Bühnennebel sorgte: Sarkiss schob sich die Schiebermütze wie Bon Scott (oje, noch so ein Frühvollendeter) über die Augen, fand auch gleich den leicht keifenden Ton des Vorbildes. Dazu ein Rückblick auf die Schlagzeilen von 1974 und – „ich werde eingeschult“. Okay, viele im Publikum dürften schon zu Iggys und Ozzys Glanzzeiten rebellische Teenager gewesen sein: Aus „1969“ und „War Pigs“ knetete die Band (die bei anderen Gelegenheiten so gediegen aufspielt) eine donnernde Sludge-Lawine, nach der man erst einmal Luft schnappen wollte.
Dass dann ein zünftiges Bluesrock-Geheul wie Led Zeppelins „Black Dog“ den Druck etwas milderte, kommt wohl nicht in jedem Konzert vor. Der Sänger entging mit seinen lustvollen Seufzern knapp einer bösen Robert-Plant-Parodie. „Uns trennt nichts vom Paradies / außer unserer Angst“: Das Songdoppel von Ton Steine Scherben war ein großer Moment inmitten dieses 100-minütigen Powerplays. Nicht nur weil Volker Kamps großes Bass-Solo fast Jazz-Raffinesse aufbot.
Auch Rio Reisers Texte machten deutlich, dass es an diesem Abend nicht nur um das Auskotzen von berstendem Zorn ging – sondern darum, seine Energie positiv einzusetzen.
Das können selbst Songs des oft verspotteten Sting: Das Police-Doppel entbot hochtourige New Wave-Zickigkeit („Fall out“), gefolgt vom angeschrägten Reggae-Vibe („So Lonely“). In den 1980ern, als Punk schick wurde, wollten sich Sarkiss und Band nicht lange aufhalten.
Ein paar vom Blatt gelesene Sätze aus Bret Easton Ellis’ Roman „American Psycho“ troffen vor Verachtung für die koksende Party-Society.
Und doch: Aus Blondies Disco-Hit „Heart of Glass“ machte Jürgen Sarkiss ganz allein an der akustischen Gitarre einen Blues, der uns etwas zu erzählen hat.
Den Glanz von David Bowies „Heroes“ zu übertreffen, fällt ungleich schwerer. Man vermisst halt sofort Englands besten Sänger – und die besondere Krautrock-Motorik dieses Berliner Mauer-Songs. Vielleicht hätte hier die „Helden“-Version mit ihrem eigenwilligen Deutsch mehr Reiz gehabt.
Den Block explizit zeitkritischer Lieder mit „Killing in the Name“ und „Californication“ krönte Paul Wellers innige Ballade „English Rose“. War’s gemeint als Farewell für die von Europa wegdriftende Insel?
Mal ein glanzvoll ausgedehntes Solo
Der Grunge-Abgesang zum Schluss war dann der große Moment für Schlagzeuger Stefan Lammert, der bejubelt wirbeln durfte.
Und Peter Engelhardt, der für 18 Songs Riff auf Riff türmte, gehörte bei der Zugabe mal ein glanzvoll ausgedehntes, köstlich „gesungenes“ Solo: Mit „Purple Rain“ gab’s schon mal – zu stehenden Ovationen – einen Vorgeschmack auf das von Jürgen Sarkiss ersehnte Prince-Programm. Aber diese Funk-Messe möchte er in Kirchen zelebrieren.
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„Live fast, get old!“ erwärmte im Theater auch die Stimmung für die direkt anschließende Silvester-Party. Weitere Termine folgen an den Samstagen 12. Januar und 2. Februar, jeweils um 19.30 Uhr. Karten kosten von 11 bis 23 Euro, 0208 - 8578 184.
Den „Lennon“-Abend mit Jürgen Sarkiss und Band gibt’s am Freitag, 15. Februar, in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen.