oberhausen. . „Die Geste“ versammelt noch bis zum 13. Januar über 150 Exponate. Clou der Schau sind die Begegnungen über Jahrhunderte und Kontinente hinweg.

Riesengroß, wie es sich für ein Werk von Roy Lichtenstein gebührt, prangt der fordernde Fingerzeig auf dem Katalogtitel, auf Plakaten und auf jenen hohen Bannern, die das Schloss Oberhausen umflattern. Die Aufforderung – übernommen aus dem noch berühmteren „Uncle Sam“-Plakat „We Want You . . .“ – als Geste der Gesten. Das wäre allerdings ein Missverständnis. Denn „Die Geste“, die große Jubiläumsausstellung der Ludwiggalerie hat noch weit mehr zu bieten als Pop Art und Fingerzeige von derartiger Eindeutigkeit.

Im jährlichen Ausstellungsreigen des Großen Schlosses mit Fotokunst und Comics nebst den vielen Facetten des bildnerischen Pop sind jene Themenschauen, die souverän etliche Epochen und Kontinente umfassen, ohnehin das ganz Besondere. Und das sehen auch die Besucher der Ludwiggalerie so. Im Gästebuch beschreiben sie sich selbst als „begeistert“, „beflügelt“, sogar „erfüllt“. Warum ist das so?

Gesten sind schließlich wortlose Kommunikation – aber eben doch kein überall und zu jeder Zeit von allen verständliches Esperanto. Über diese Feinheiten und über Lesarten mancher (vor allem) Handbewegungen, die uns Heutigen Rätsel aufgeben, informiert „Die Geste“ so feinsinnig wie anschaulich.

Flüchtige Gesten erzählen einen ganzen Sommertag

Der gespiegelte Schriftzug „Begegnungen“ führt in der Ausstellung ähnliche Gesten zusammen: Etwa jenen Tänzer mit Holzbein, den Germaine Krull 1929 im „Moulin Rouge“ von Paris fotografierte, mit jenem rund 1200 Jahre älteren Schmuckziegel aus Zentralasien, dessen Relief eines bärtigen Tänzers auf bemerkenswert moderne Weise die Rautenform des Ziegels ausfüllt.

Doch eigentlich bieten fast alle der rund 150 Exponate in diesem Sinne „Begegnungen“. Wer sich im Raum mit „Gesten der Liebe“ in einer Glasvitrine die erotische Szene auf dem Deckel einer altperuanischen Keramik anschaut, der blickt unweigerlich auch auf das Großformat im Hintergrund: auf den fotorealistisch gemalten „Lip Check“ einer Schönen anno 2016, die im spiegelnden Smartphone ihr Make-Up überprüft.

Wer diese Ausstellung verlässt, mag für einige Momente mit ungewohnter Bewusstheit darauf achten, was sie oder er sonst so gedankenlos mit den Händen anstellt. Aber ein Lieblingsmotiv dürfte auch gefunden sein: Es könnte Johannes Grützkes bebrillter „Maleraffe“ sein, eine freundliche Karikatur der eigenen Zunft. Oder die betont coolen Kinder im Sonnengelb eines Strandes, gemalt vom Moskauer Semeon Fajbisovic: Flüchtige Gesten, mit denen der Künstler einen ganzen Sommertag erzählt.

>>>>> Ludwiggalerie öffnet auch während der Ferien

Die Ausstellung „Die Geste“ ist noch bis zum 13. Januar 2019 im Schloss Oberhausen zu bewundern. Am 24., 25., 31. Dezember und 1. Januar hat die Ludwiggalerie geschlossen, am zweiten Weihnachtstag und den übrigen Ferientagen geöffnet. Der Eintritt kostet 8 Euro, ermäßigt 4 Euro, als Familienticket 12 Euro. Der schön gestaltete, 250 Seiten starke Katalog, erschienen im Herder Verlag, kostet 39,80 Euro.