Oberhausen. . Mit vollem Einsatz spielt der 28-Jährige vom Theater-Ensemble „Die Nacht kurz vor den Wäldern“. Der Druckluft-Saal ist dafür wie geschaffen.

Was will der Typ? In dunkler Winternacht möchte man ihm nicht begegnen, würde eher die Straßenseite wechseln oder mit schnellem Schritt um die nächste Ecke biegen. Was gibt’s schon Gutes zu erwarten von einem, der so wirr wie eindringlich und pausenlos auf sein Gegenüber einredet, der auch noch ein Zimmer sucht, „nur für die Nacht – nur für einen Teil der Nacht“?

Im gruftigen Saal des soziokulturellen Zentrums Druckluft aber ist man dem von Burak Hoffmann verkörperten Namenlosen aus „Die Nacht kurz vor den Wäldern“ von Bernard-Marie Koltès ausgeliefert – und erlebt eine mit großem Applaus gefeierte Theaterstunde. Hoffmann, der im Vorjahr noch als Student zum Oberhausener Ensemble kam, inszeniert sich selbst mit Regisseurin Emel Aydoğdu an seiner Seite.

Eindringliches Vollgas-Solo

Die beiden 28-Jährigen machen aus der Punkt-und-Komma-losen Suada des damals ebenfalls 28-jährigen Koltès ein eindringliches Vollgas-Solo, das aber die feineren Nuancen des Textes nicht überrollt. Denn dieser zornige junge Mann (der Autor, seine Figur und ihr Darsteller) zeigt sich in etlichen Momenten als verzweifelter Poet, der im Schmutz zärtliche Momente findet – die schnell wieder zertreten werden.

Verglichen mit einem konventionelleren Theaterbau ist der mit Graffiti und Aufklebern eingedeckte Druckluft-Saal der reine Punk – und damit wie eigens erbaut für Koltès’ Außenseiter-Tirade. Bevor der Namenlose mit nassen Haaren und Regenjacke zwischen die Stuhlreihen stürzt, ist der 60 Zuschauer fassende Raum in blaues Licht gehüllt. Dazu eine glucksende Säuselmusik – wie in einer jener öffentlichen Toiletten, deren Blaulicht Fixer fernhalten soll.

Eine Drogen- und Stricherszene bleibt allenfalls Andeutung. Koltès Verzweifelter stellt sich nicht vor – nur als „der Fremde“, der er in den Augen der anderen bleiben wird. Apropos Augen: Burak Hoffmann hat fast immer einen Theatergast fest im Blick. Sein Text ist schließlich Anrede, nicht Selbstgespräch.

Wie eine aktuelle Zeitdiagnose

Er nötigt die Angesprochenen nicht zu Antworten – aber er meint ja auch nicht einzelne, sondern alle mit seiner kruden Vision einer „Gewerkschaft“, die endlich antritt gegen „die Maschine“.

Koltès schrieb „Die Nacht“ 1976, doch in dieser umfassenden verschwörungstheoretischen Verwirrung wirkt sie wie eine tagesaktuelle Zeitdiagnose. Burak Hoffmann macht daraus dennoch kein grobes Gebölke. Seine helle Stimme lässt vor allem jene Textpassagen aufleuchten, die neben der Wut auch die Sehnsucht zeigen.

Bumm-Bumm-Version von „Ein bisschen Spaß muss sein“

Zwei wilde Tanzszenen teilen das Pamphlet eines Vereinsamten: Zuerst regiert der verlogene Frohsinn einer Bumm-Bumm-Version von „Ein bisschen Spaß muss sein“. In der zweiten Szene zu düsterer Trance-Musik wirft sich Hoffmann gegen die Wände dieser klaustrophobischen Spielstätte.

Dann erzählt er, wie er bestohlen wurde. Man hält’s erst für eine übliche Schnorrer-Ausrede, hört dann aber von den beiden Schlägern, die ihn, „die Schwuchtel“, verprügeln. Als Wut und Weltekel seine Fäuste ballen – und er zugleich hilflos am schmutziggrauen Pfeiler lehnt – selbst in diesem brüllenden Moment bleibt der Schauspieler verliebt in diesen großen Text und will, dass jedes Wort sein Publikum erreicht. Es ist ihm gelungen.

>>> Vier weitere Termine im Druckluft

Schauplatzaller Aufführungen von „Die Nacht kurz vor den Wäldern“ ist das soziokulturelle Zentrum Druckluft, Am Förderturm 27.

Kartenzu 8 und 5 Euro gibt’s allerdings im Theater Oberhausen, Tel.: 0208-8578 184, theater-oberhausen.de. Weitere Aufführungen am Freitag, 21. Dezember, Samstag, 5., Freitag, 11., und Donnerstag, 31. Januar, jeweils um 19.30 Uhr. Zu allen Terminen bietet das Theater im Anschluss Nachgespräche an.